Sächsischer Hobby-Astronom entdeckt Wunder im Weltall: Astronomie-Fachwelt ist begeistert

Bärenstein - Die Astronomie-Fachwelt verneigt sich vor einem Hobby-Sternfotografen aus dem Erzgebirge: Durch einen Zufall, mit dem richtigen Bauchgefühl und akribischer Beharrlichkeit entdeckte der Mediendesigner Marcel Drechsler (41) ein gigantisches Objekt in der Nähe unserer Milchstraße, welches den Wissenschaftlern mit ihren Hightech-Teleskopen bisher verborgen blieb.

Astro-Fotograf Marcel Drechsler (41) mit dem Teleskop in seiner eigenen Sternwarte in Bärenstein - der Ort erstaunlicher Entdeckungen.
Astro-Fotograf Marcel Drechsler (41) mit dem Teleskop in seiner eigenen Sternwarte in Bärenstein - der Ort erstaunlicher Entdeckungen.  © Uwe Meinhold

Dieser Nebel von der Größe einer kleinen Galaxie ist nicht nur eine von Rätseln umrankte Sensation, er trägt jetzt auch den Namen seines Entdeckers.

Neben dem Züchten von Bonsai-Bäumen hat Marcel Drechsler seit seiner Jugend noch eine große Leidenschaft: das Fotografieren von Himmelsobjekten. Mit seinen Aufnahmen von Galaxien, leuchtenden und dunklen Nebeln sowie Sternhaufen will er Wissenschaft und Kunst in einem ästhetisch ansprechendem Gesamtbild vereinen.

Sein Hobby fasziniert ihn so stark, dass er sich 2015 in Bärenstein sogar eine eigene Sternwarte baute.

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Seither verblüffte er mit seinen Entdeckungen schon mehrfach die etablierte Wissenschaft, die ihn aber weiterhin mit Argusaugen beobachtet. Mit zwei französischen Forscherkollegen - wie er ebenfalls Amateure - sucht er in unserer Milchstraße nach bisher unbekannten kosmischen Nebeln.

An die 300 Objekte haben sie bereits entdeckt, eines trägt nun auch den Namen "Bärenstein".

Der Entdecker sucht gewöhnlich nach unbekannten kosmischen Nebeln. Jetzt gelang ein außergewöhnlicher Durchbruch.
Der Entdecker sucht gewöhnlich nach unbekannten kosmischen Nebeln. Jetzt gelang ein außergewöhnlicher Durchbruch.  © Uwe Meinhold

Hobby-Sternfotograf aus dem Erzgebirge: "Mein Bauchgefühl sagte mir gleich, dass dies etwas völlig Neues sein könnte"

Dieser türkis leuchtende Emissionsbogen ist die neu entdeckte Sensation. Er besteht aus doppelt ionisierten Sauerstoff. Insgesamt 111 Stunden Belichtungszeit waren nötig, um diesen äußerst schwach leuchtenden Nebel sichtbar zu machen.
Dieser türkis leuchtende Emissionsbogen ist die neu entdeckte Sensation. Er besteht aus doppelt ionisierten Sauerstoff. Insgesamt 111 Stunden Belichtungszeit waren nötig, um diesen äußerst schwach leuchtenden Nebel sichtbar zu machen.  © Yann Sainty/Marcel Drechsler

Was das Trio aber jetzt enthüllte, dürfte die bedeutendste Entdeckung von Amateur-Astronomen seit vielen Jahren sein. Nach dem Abschluss eines Großprojektes im Sommer vergangenen Jahres sollte mal etwas Einfaches fotografiert werden: die unserer Milchstraße am nächsten liegende Andromeda-Galaxie.

Sie ist sogar mit bloßem Auge zu sehen und zählt zu den am meisten fotografierten Objekten im tiefen Raum - allerdings meist nur mit Filtern auf der Linse, die das gesamte Spektrum des sichtbaren Lichtes abdecken.

Das französisch-deutsche Team aber nutzt die in vergangenen Jahren auch für Amateure halbwegs erschwinglich gewordenen Schmalbandfilter, welche nur eine Spektrallinie des Lichtes aufnehmen.

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Fotos mit dem H-α-Filter etwa zeigen Wasserstoff-Ionen und stellen diese rot dar - so lassen sich unter anderem Sternentstehungs-Regionen nachweisen. Mit einem O-III-Filter wiederum findet man in türkiser Farbe doppelt ionisierten Sauerstoff.

Der Franzose Yann Sainty nutzte den Letzteren und fragte das Team, ob die Belichtungszeit schon ausreicht. Weil Sainty eine geringere Brennweite als üblich nutzte, wurde auch mehr Umfeld unserer Nachbargalaxie aufgenommen.

Marcel Drechsler: "Auf dem Foto erkannte ich einen riesigen Schatten neben der Galaxie. Mein Bauchgefühl sagte mir gleich, dass dies etwas völlig Neues sein könnte." Forscherkollege Xavier Strottner hingegen war skeptisch. Sollte so etwas Gigantisches der Wissenschaft bisher verborgen geblieben sein?

Die Planeten unseres Sonnensystems in einer künstlerischen Darstellung. Die Andromeda-Galaxie ist etwa 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt.
Die Planeten unseres Sonnensystems in einer künstlerischen Darstellung. Die Andromeda-Galaxie ist etwa 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt.  © Yann Sainty/Marcel Drechsler
Der französische Astro-Fotograf Yann Sainty erstellte unbeabsichtigt das erste Foto des Nebels - mit einer sehr langen Belichtungszeit.
Der französische Astro-Fotograf Yann Sainty erstellte unbeabsichtigt das erste Foto des Nebels - mit einer sehr langen Belichtungszeit.  © privat

Wissenschaftler waren zunächst skeptisch, doch Drechsler ließ nicht locker

Forschungskollege und Entdecker Xavier Strottner glaubte zunächst nicht an so ein riesiges noch unbekanntes Gebilde.
Forschungskollege und Entdecker Xavier Strottner glaubte zunächst nicht an so ein riesiges noch unbekanntes Gebilde.  © privat

Drechsler ließ nicht locker. Er durchforstete zunächst die Fachliteratur. Und er beauftragte weitere Astrofotografen, mit unterschiedlichen Kameramodellen von verschiedenen Orten der Erde das Objekt mit langen Belichtungszeiten ins Visier zu nehmen.

Er wollte ausschließen, dass es sich um eine der vielen möglichen Fehlerquellen bei der Bildaufnahme handelt: "Die Wissenschaftler würden mich in der Luft zerreißen, wenn ich deren Zeit damit vergeude."

Nach insgesamt 111 (!) Stunden Belichtungszeit in unterschiedlichen Farbspektren errechnete der Computer ein Beweisfoto: Am Rand der Andromeda-Galaxie, vielleicht auf halbem Weg zu unserer Milchstraße, spannt sich ein riesiger Nebelbogen, der türkisfarbenes Licht emittiert. Es muss ein Plasma aus Sauerstoff-Ionen sein, mehr als 10.000 Grad heiß.

Die nun kontaktierten Wissenschaftler waren zunächst ungläubig, keiner wollte mit so einem großen möglichen Irrtum in Verbindung gebracht werden.

Marcel Drechsler: "Es war weniger Ablehnung, mehr tiefe Skepsis, aber mit deutlich spürbarer Neugierde." So wurde auch der Erzgebirger damit beauftragt, als leitender Autor eines elfköpfigen Teams aus internationalen Wissenschaftlern und Amateuren die Erstbeschreibung vorzunehmen - äußerst ungewöhnlich für einen Nicht-Wissenschaftler.

Spekulation: Plasmabogen könnte einen gigantischen Zusammenstoß zeigen

In die Aufnahme mit dem Isaac-Newton-Telescope wurde eingezeichnet, wo sich der Bogen befinden müsste.
In die Aufnahme mit dem Isaac-Newton-Telescope wurde eingezeichnet, wo sich der Bogen befinden müsste.  © privat

Inzwischen ist die Existenz des galaktischen Plasmabogens bestätigt, die Studie in einem Astrowissenschafts-Magazin veröffentlicht. Die für die Bezeichnung solcher Objekte Schriftführende Universität in Hongkong benannte es "Strottner-Drechsler-Sainty-Object 1".

Wie dieser Emissionsbogen entstanden sein könnte und was er überhaupt darstellt, bietet nun Raum für vielfältige Spekulationen.

Stefan Kimeswenger, Professor am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Uni Innsbruck, hält es für wenig wahrscheinlich, dass es sich bei dieser Struktur um die Überreste einer Supernova oder einen der zahlreichen Gezeiten- und Sternströme handelt: "Soweit wir wissen, wurde dieses Emissionsmerkmal in der Literatur bisher noch nicht beschrieben." Es könnte etwas völlig Neuartiges sein.

Eine der spektakulärsten Spekulationen: Es ist bekannt, dass sich Milchstraße und Andromeda mit mehr als 100 Kilometern pro Sekunde aufeinander zu bewegen und in einigen Milliarden Jahren kollidieren.

Möglich wäre, dass deren äußerst dünnen Gashüllen im Außenbereich bereits miteinander interagieren. Stimmt diese Theorie, würden wir den Beginn der Kollision sehen. Wissenschaftler lieben solche Rätsel, die internationale Forschung wird den Nebel in den kommenden Jahren näher beleuchten.

Für Marcel Drechsler ist das Abenteuer Andromeda noch lange nicht vorbei. Denn sowohl zu dem Bogen als auch zur Galaxie müssen weitere Daten gesammelt und aufbereitet werden - anscheinend sind auf seinem Foto weitere Sensationen versteckt. "Mein Team und ich sind an vorderster Front mit dabei."

Titelfoto: Uwe Meinhold, Yann Sainty/Marcel Drechsler

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