Freiheit für 72 Stunden! So bereitet Augustusburg den Lockdown-Ausstieg vor
Augustusburg - Mit einem cleveren Pilotprojekt will Augustusburg (Landkreis Mittelsachsen) raus aus den Lockdown-Beschränkungen und als erste Gemeinde in Deutschland einen halbwegs normalen Alltag wie vor Corona ermöglichen.

Während in Berlin noch an Öffnungskonzepten gefeilt wird, schafft die kleine sächsische Gemeinde mit 4513 Einwohnern jetzt Tatsachen. Bürgermeister Dirk Neubauer (50, SPD) hat nur noch die ab Sonntag gültige Allgemeinverfügung des Freistaates abgewartet, die sein Pilotprojekt für den Lockdown-Ausstieg absegnet: "Jetzt wollen wir anpacken statt immer nur abwarten."
So funktioniert seine Strategie, bei der Getestete nur noch auf Getestete treffen sollen: "Auf unserer Stadtwebseite können sich anfangs 200 bis 300, später bis 500 Gäste täglich einen Termin für einen Schnelltest holen. Je nach Verfügbarkeit erhalten sie einen Barcode für das Schnelltestzentrum."
Dafür wurden am Montag auf dem Parkplatz bei "Rost's Wiesen" zwei Container-Kassenhäuschen aufgebaut.
Neubauer: "Wer nach 15 Minuten Wartezeit ein negatives Testergebnis erhält, bei dem verwandelt sich der Barcode in eine Eintrittskarte."

Fast alle Unternehmen machen bei Pilotprojekt mit

Mit diesem Zugangscode - gespeichert in einer App - gibt's in Augustusburg alte Freiheiten für drei Tage zurück - Zugang zu Museen, Cafés und Gaststätten, Freizeiteinrichtungen sowie Übernachtungen im Hotel.
Die App wurde von der Firma THEED in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt, kann mit der Corona-Software SORMAS der Gesundheitsämter kommunizieren. "Wer kein Smartphone hat, erhält eine Besucherkarte", versichert Neubauer.
Bis auf ein Unternehmen wollen bislang alle im Ort mitmachen. Knackpunkt: Auch das Personal aller Einrichtungen muss sich freiwillig aller drei Tage testen lassen.
Tilo Appelt (53), Pächter der Gaststätte "Zum Schloßberg", hat am Dienstag extra eine DRK-Schnelltestschulung absolviert, um seine vier Angestellten künftig mit Wattestäbchen testen zu dürfen. "Ein Kellner hat sich allerdings inzwischen neue Arbeit als Altenpfleger gesucht. Fraglich, ob der zurückkommt", so Appelt.
Trotz des rigiden Test-Regimes bleiben Abstandsregeln übrigens weiter gültig. Wegen Corona hat Appelt die Plätze in seiner Gaststube von 38 auf 14 reduzieren müssen, auf der Veranda von 17 auf acht und im Saal von 50 auf 25. "Doch es gibt schon erste Tischreservierungen", sagt er.
Dank Modellprojekt: Sogar die Sommerrodelbahn kann wieder fahren

Uwe Schreier (52) wird sein Panoramacafé wieder öffnen - mit Platz für allerdings nur 30 statt 60 möglicher Gäste. "Sogar die Sommerrodelbahn können wir dank des Modellprojekts wieder anfahren", sagt Betreiber Jörg Hammer (51).
Auch Schloss Augustusburg ist mit von der Partie. "Für die Testphase werden wir mit einer Teilöffnung beginnen und das Motorrad-, Schloss- und Kutschenmuseum öffnen", sagt Geschäftsführerin Patrizia Meyn.
"Nach Testläufen könnte das Pilotprojekt frühestens am 14. März starten", glaubt Neubauer. Vom Stadtrat wurden 10.000 Euro für Testpersonal locker gemacht. Die Schnelltests stellt der Freistaat.
Zudem wird mit Oberwiesenthal ein Kooperationsprojekt vorbereitet.


Das Konzept ermöglicht Freiheiten, bedeutet aber auch: Wer positiv getestet wird, muss sich sofort in Quarantäne begeben und wird zur Kontaktverfolgung ans Gesundheitsamt gemeldet.
Titelfoto: Uwe Meinhold