Gas-Krise! OB Schulze verkündet Sofortplan für Chemnitz

Chemnitz - Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD) schwört die Chemnitzer angesichts der Energiekrise auf harte Zeiten ein. Der OB appellierte am Dienstag an die Bürger, zu sparen, wo es geht: "Was wir in den nächsten zwei bis drei Monaten schaffen, hilft uns, den Schmerz im Herbst und Winter zu lindern."

Finanzbürgermeister Ralph Burghart (51, CDU) geht seinen Mitarbeitern mit gutem Beispiel voran.
Finanzbürgermeister Ralph Burghart (51, CDU) geht seinen Mitarbeitern mit gutem Beispiel voran.  © Uwe Meinhold

Das Rathaus geht mit gutem Beispiel voran: LEDs statt Glühbirnen, Mini-PCs statt Röhre - auch die Mitarbeiter werden zum energiesparenden Handeln aufgerufen, führte Kämmerer Ralph Burghart (51, CDU) aus.

In den Hallenbädern werde die Beckentemperatur von 28 auf 27 Grad gesenkt. Die Sauna im Stadtbad bleibt mindestens bis Oktober dicht.

Ein Energie-Krisenstab erarbeitet derzeit einen Plan für weitere Maßnahmen. Neben den Sofortmaßnahmen wurde eine dreistellige Zahl an weiteren Strategien entwickelt.

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Zu kostengünstigen und kurzfristigen Maßnahmen, so Andreas Braumeister vom städtischen Energiemanagement, gehörten etwa der Austausch von Pumpen und die Begrenzung von Thermostaten.

Doch Heizungsbauer sind derzeit Mangelware: "Teilweise können wir auf den eigenen Handwerkshof zurückgreifen", so Braumeister. Ansonsten sei die Verwaltung in derselben Klemme wie die Bürger.

Freibäder sind in Chemnitz sowieso nicht beheizt - jetzt wird's auch in den Hallenbecken kühler.
Freibäder sind in Chemnitz sowieso nicht beheizt - jetzt wird's auch in den Hallenbecken kühler.  © Uwe Meinhold
Andreas Braumeister vom städtischen Energiemanagement.
Andreas Braumeister vom städtischen Energiemanagement.  © Uwe Meinhold

"Wir werden in eine Situation hineinkommen, dass Menschen, die bisher ihr Leben finanzieren konnten, das nicht mehr können."

Gewerbe/Handel sowie private Verbraucher werden zu eigenverantwortlichem Sparen aufgerufen. So soll eine Homepage mit Handlungsempfehlungen und Beratungsleistungen eingerichtet werden, erklärte Burghart.

OB Schulze forderte zudem einen Rettungsschirm für kommunale Energieversorger, die von den Marktentwicklungen zuerst betroffen seien: "So eine Situation sehen wir bei der eins energie aber noch nicht."

Von Wärme-Inseln, wie sie der deutsche Städte- und Gemeindetag für den Winter vorgeschlagen hat, hält der OB nichts: "Das kann doch nicht das Ziel sein, auf das wir hinarbeiten!" Mehr Aufwärmmöglichkeiten für Obdachlose und Bedürftige seien ebenfalls nicht geplant.

Burgharts größte Sorge: "Wir werden in eine Situation hineinkommen, dass Menschen, die bisher ihr Leben finanzieren konnten, das nicht mehr können."

Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD) warnt vor Preisexplosionen.
Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD) warnt vor Preisexplosionen.  © Uwe Meinhold

So viel Energie braucht Chemnitz

Im Winter wird die sprichwörtliche Kohle knapp: Angesichts der Energiekrise könnte der Weiterbetrieb des Kohlekraftwerks jedoch für mehr Wärme in den Wohnzimmern sorgen.
Im Winter wird die sprichwörtliche Kohle knapp: Angesichts der Energiekrise könnte der Weiterbetrieb des Kohlekraftwerks jedoch für mehr Wärme in den Wohnzimmern sorgen.  © Ralph Kunz

Es ist eine gewaltige Zahl: Die Großstadt Chemnitz verbraucht jedes Jahr 3440 Gigawattstunden (GWh) Energie.

Der Löwenanteil, circa 2400 GWh, entfällt auf die Wärmeversorgung - vor allem in der kalten Jahreszeit. Hinzu kommen ungefähr 1000 GWh für die Stromversorgung.

"Die Wärmeversorgung wird zu circa 45 bis 50 Prozent durch Erdgas abgedeckt, 40 Prozent kommen von der braunkohlebasierten Fernwärme", sagte Andreas Braumeister, Energiemanager im Rathaus. "Die restlichen 10 bis 15 Prozent betreffen unter anderem Wärmepumpen, Solar, Holz und Öl."

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Die meiste Energie - 51 Prozent - verbrauchen private Haushalte. 37 Prozent entfallen auf Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Die Gebäude der Stadt Chemnitz benötigen "nur" 3 Prozent der gesamten Energie, alle sonstigen öffentlichen Gebäude 9 Prozent.

Generation Überfluss

Redakteur Gabriel Schwab findet klare Worte.
Redakteur Gabriel Schwab findet klare Worte.  © Kristin Schmidt

Ein Kommentar von Gabriel Schwab

Harte Zeiten brechen an - das ist gewiss. Ungewiss ist, wie bitter der Winter 2022/23 wird. Das liegt an zwei Variablen: Niemand weiß, wie hoch die Energiekosten noch steigen. Und niemand kann sagen, wie viele Ressourcen zur Verfügung stehen werden. Die Bevölkerung wird auf den Verzicht eingeschworen. Aber was ist das überhaupt?

Menschen in meinem Alter stehen tatsächlich vor diesem Problem: Aufgewachsen in einer Überflussgesellschaft, in der immer alles da war, kennen wir zwar die Definition von Verzicht. Was es bedeutet, verzichten zu müssen, ist uns jedoch höchstens aus den Weltkriegs-Geschichten unserer Großeltern bekannt.

Danach ging es (im Westen) mit dem Wohlstand spätestens ab den 1950ern ja immer konstant nach oben. Besser, teurer, mehr davon: Das sind die drei Gebote, die uns der Kapitalismus vom Berge der Konsumgesellschaft mitgebracht hat. Diese Dreifaltigkeit ist jedoch nur vermeintlich in Stein gemeißelt. Denn wer einmal einen Blick auf die Rückseite der Gesetzestafel gewagt hat, weiß bereits, dass dort schon immer ein Ablaufdatum stand.

Theoretisch: Was Verzicht bedeutet - also was er WIRKLICH bedeutet - werden meine Altersgenossen und ich erst noch erfahren. Es wird eine wichtige Erfahrung. Eines Tages werden wir vielleicht endlich zu schätzen wissen, wie gut es uns im Grunde geht. Sobald wir die harte Zeit überstanden haben.

Titelfoto: Uwe Meinhold (2), Ralph Kunz (2)

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