"Müllsheriffs" in Chemnitz? Das sagen Politiker dazu

Chemnitz - Chemnitz vermüllt zusehends - doch die Forderung nach "Müllsheriffs" stößt in der Kommunalpolitik auf breite Ablehnung. Landtagspräsident Alexander Dierks (38, CDU) sieht solche Mülldetektive nach Hamburger oder Leipziger Vorbild als "Schlüsselmittel" gegen wilde Ablagerungen. Weit mehr als 800 gemeldete illegale Entsorgungen gibt es bis jetzt in diesem Jahr, im gesamten Vorjahr waren es "nur" 670.

Alexander Dierks (38, CDU) machte 2024 ein Praktikum bei der Stadtreinigung.  © PR / Alexander Dierks

Doch der Dierks-Vorstoß zündet nicht, findet Detlef Müller (61, SPD): "Es braucht kein neues Label, egal ob Müllsheriff, Waste-Watcher oder Abfallfahnder." Das Meldenetz sei vorhanden: im Außendienst der Stadtverwaltung.

Susanne Schaper (47, Linke) wird noch deutlicher: "Wer Müllsheriffs fordert, muss auch sagen, wo das Personal herkommen soll. Als Lösung Müllsheriffs zu fordern, ist angesichts der aktuellen Haushaltslage reiner Populismus und Überschriftenpolitik." Der städtische Mängelmelder funktioniere, die Stadtreinigung räume zeitnah ab.

Volkmar Zschocke (56, Grüne) setzt auf Mischung statt Etiketten. "Kontrolle ist wichtig, jedoch allein nicht ausreichend." Es brauche Aufklärung und vor allem Konsequenzen für illegale Entsorgung und Vandalismus.

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"Statt zu vieler Wertstoffsammelplätze sind gut einsehbare, zentrale Sammelstellen in den Quartieren wichtig."

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Susanne Schaper (47, Linke) hält nichts von Müllsheriffs für Chemnitz.  © Kristin Schmidt

Gespaltene Meinung bei Chemnitzer AfD

Nico Köhler (49, AfD) fordert anstatt Müllsheriffs einen effektiveren Mängelmelder.  © Kristin Schmidt

Die AfD ist gespalten und liefert zwei Lesarten.

Nico Köhler (49) von der Stadtratsfraktion sieht keinen Bedarf für Müllsheriffs: "Die Bürger gehen aufmerksam durch die Stadt und würden gern einfach Verstöße melden. Für den Mängelmelder braucht es das sofortige Ausreichen der Nachricht an den ASR, damit Erfolg sichtbar wird."

Thomas Vogel (57) von der neuen Ratsfraktion findet die Idee dagegen gut: "Es muss aber finanziell umsetzbar sein, gleichzeitig sollten die Geldbußen massiv erhöht werden, um schon im Vorfeld abzuschrecken."

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Das Rathaus hatte die Müllsheriffs bereits mit Verweis auf den Mängelmelder abgelehnt.

Zuerst die Kontrolle

Leider kein seltener Anblick in Chemnitz - oft werden Verpackungen und Co. einfach achtlos weggeworfen.  © Ralph Kunz

Kommentar von Raik Bartnik

Wer durch die Stadt läuft, sieht das Offensichtliche: wachsende Müllberge an Containern, Sperrmüll im Hausflur, Tüten im Grün. Ja, der ASR räumt schnell weg - dafür verdient er Respekt. Aber danach? Die Stellen sind oft in wenigen Tagen wieder voll, die Verursacher bleiben unbekannt.

Das ist der Kern des Problems: Es fehlt nicht am Abtransport, es fehlt an Abschreckung. Nur in etwa 20 Prozent der Fälle kann die Stadt Verfahren einleiten, in der Mehrheit scheitert es an Beweisen.

Genau deshalb ist der Ruf nach Müllsheriffs richtig. Sichtbare Streifen, feste Routen, Wochenenden inklusive - das schreckt ab und schafft Belege. Natürlich löst das nicht alles, aber es dreht die Logik um: Nicht der Müll ist zuerst da, sondern die Kontrolle.

Chemnitz braucht genau diesen Perspektivwechsel. Wer Müll hinwirft, muss damit rechnen, erwischt zu werden. Erst dann ändert sich Verhalten.

Alexander Dierks hat den Punkt verstanden und einen konkreten Hebel vorgeschlagen. Personal aus der Parkraum-Überwachung teilweise in Müllkontrollen zu verlagern, ist kein Tabubruch, sondern Pragmatismus. Denn im Zweifel ist die Frage simpel: Was belastet die Stadt stärker - der Falschparker oder der Müllrowdy?

Präsenz senkt Müll, senkt Reinigungskosten, hebt Stimmung im Viertel. Wer das ernst meint, stellt jetzt Müllsheriffs auf Probe auf die Straße und zieht nach sechs Monaten Bilanz.

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