Chemnitzer helfen Betroffenen: Über dieses Tabuthema wird kaum gesprochen

Chemnitz - Es liegt Jahrzehnte zurück, was Kay Schorcht (49) und Enrico Zielke (44) widerfahren ist. Beide wurden in ihrer Kindheit missbraucht. Sie leiden bis heute unter diesem Trauma - und unter dem Gefühl, ganz auf sich allein gestellt zu sein. Mit ihrer Gruppe "Tabubruch" wollen die beiden Chemnitzer sich selbst helfen und anderen Männern, die Opfer sexueller Gewalt wurden.

Kay Schorcht (49, l.) und Enrico Zielke (44) haben Missbrauch erlebt und wollen anderen Betroffenen helfen.
Kay Schorcht (49, l.) und Enrico Zielke (44) haben Missbrauch erlebt und wollen anderen Betroffenen helfen.  © Maik Börner

"Wir werden als Männer ausgelacht, aber wir waren Kinder, als es geschah", beschreibt Kay Schorcht eine Erfahrung, die viele Betroffene machen, wenn sie versuchen, offen mit diesem Teil ihrer Biografie umzugehen.

Auch Enrico Zielke bekam anzügliche Bemerkungen öfter zu hören als Mitgefühl oder Verständnis. Er war sechs Jahre alt, als ein Bekannter der Eltern sich an ihm verging. "Ich habe das jahrelang verdrängt. Die erste Erinnerung daran kam erst 2017 wieder."

Für Kay Schorcht ist das Erlebte bis heute unaussprechlich. Beide Männer wissen, was Missbrauchsopfer bis ins Erwachsenenalter durchmachen: "Viele geben sich selbst die Schuld, haben Albträume, Essstörungen, körperliche Beschwerden. Es ist schwierig, Ärzte zu finden, die helfen können", so Enrico Zielke. "Für Männer gibt es - anders als für Frauen und Kinder - keine fachliche Anlaufstelle, die psychologische Hilfe anbietet."

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Die Selbsthilfegruppe kann dieses Problem nicht lösen. "Aber wir wissen, dass es oftmals schon hilft, wenn sich ein Anderer einfühlen kann. Dafür bieten wir auch Einzelgespräche an." Gegenwärtig suchen vier bis fünf Männer die Unterstützung von "Tabubruch".

Wer sich informieren oder Kontakt aufnehmen will, kann das unter tabubruchchemnitz.de.

Hohe Dunkelziffer bei Zahlen zu Missbrauch

Viele Opfer trauen sich nicht, traumatische Erfahrungen aus der Kindheit anzusprechen. Dieses Tabu möchte die Gruppe brechen.
Viele Opfer trauen sich nicht, traumatische Erfahrungen aus der Kindheit anzusprechen. Dieses Tabu möchte die Gruppe brechen.  © Screenshot Logo: Maik Börner

Laut Kriminalstatistik wurden 2022 bundesweit mehr als 17.400 Kinder Opfer sexueller Gewalt. Davon waren etwa drei Viertel Mädchen, ein Viertel Jungen.

In Chemnitz erfasste die Polizei 2021 56 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern, 2022 waren es 79 Fälle, voriges Jahr 45. Die Dunkelziffer ist hoch.

"Die schwankenden Zahlen liegen auch daran, dass oft Jahre vergehen, ehe die Delikte zur Anzeige gebracht werden", so Polizeisprecherin Jana Ulbricht (46).

Titelfoto: Maik Börner

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