Experiment ohne Gitter: Sachsens kleinster Knast liegt in diesem Einfamilienhaus
Dresden - Hinter schwedischen Gardinen, aber ohne Gitter: Sachsen hat den bundesweit ersten Strafvollzug in freier Form für Erwachsene eröffnet. Das Projekt ist mehr als nur ein Experiment.

Ein schlichtes Einfamilienhaus in Dresden. Anke Söldner öffnet. "Was in einer JVA die Gitterstäbe sind, ist hier das soziale Gefüge", sagt die Geschäftsführerin des Vereins für soziale Rechtspflege Dresden (VSR).
Und das funktioniert so: Tags sorgen zwei Sozialarbeiter für einen festen Tagesablauf, nachts und am Wochenende ist jeweils einer da.
Derzeit sind es zwei Inhaftierte, perspektivisch könnten es vier sein. Die beiden melden sich morgens zuerst an, dann folgt ein vierstündiger Arbeitseinsatz.
Zurzeit renovieren sie unter Anleitung die Wohnung. Durch die enge Betreuung sollen sie in ihren letzten Monaten vor der Entlassung den Einstieg in ein Leben in Freiheit proben. Wer Mist baut, fährt wieder ein.
"Wenn ich Hilfe brauche, klopfe ich einfach an die Tür meines Sozialarbeiters", sagt einer der Inhaftierten mit hohem Aggressionspotenzial.
Der helfe ihm dann dabei, nicht ausfallend zu werden und offizielle Verfahren besser im Griff zu haben. Ziel: Die Männer sollen schon in der Haft stabile Kontakte zur Außenwelt aufbauen, damit sie nach der Entlassung nicht wieder in vorherige Muster geraten und alte kriminelle Bekanntschaften wieder aufnehmen.


Erster Strafvollzug in freier Form: Dresdner Projekt ist bundesweit einzigartig
Für Erwachsene ist das Dresdner Projekt nach Angaben des sächsischen Justizministeriums das einzige bundesweit. Ein ähnliches für Jugendliche musste der VSR wegen der strengen Kriterien schon einmal einstellen. Zu wenige Menschen seien für eine Aufnahme infrage gekommen, sagt Söldner.
Auch deshalb drücken viele Experten aus der Häftlingshilfe die Daumen, dass diesmal alles klappt.
Titelfoto: dpa/Sebastian Kahnert