Staatskapelle sucht Nachfolger für Thielemann: Warum nicht mal 'ne Dame?

Dresden - Wer folgt auf Christian Thielemann (62) am Pult des Chefdirigenten bei der Staatskapelle? Eine der Toppositionen in der europäischen Orchesterlandschaft, der Interessenten dürften es viele sein. Doch ist es das Orchester, das entscheidet. Wann es dazu kommt, ist offen. Sicher ist, dass Thielemanns Vertrag im Sommer 2024 endet.

Christian Thielemanns (62) Vertrag bei der Staatskapelle endet 2024.
Christian Thielemanns (62) Vertrag bei der Staatskapelle endet 2024.  © Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Nachdem Thielemann das Vertragsende jüngst für "in Ordnung" befunden und hinzugefügt hatte, er scheide "im Guten", ist der Angelegenheit der Stachel gezogen.

Wochenlang hatte der Dirigent sich nach der Entscheidung der sächsischen Staatsregierung Mitte Mai, seinen Vertrag nicht zu verlängern, in Schweigen gehüllt.

Die Erwartung der Eskalation des Konflikts mit unabsehbaren Folgen für die weitere Zusammenarbeit zwischen Kapellmeister und Orchester war greifbar.

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Doch geschah solches nicht, weshalb es nun den Anschein hat, als würde die Nachfolgesuche ohne Störfeuer vonstattengehen können.

Die Suche nach einem Chefdirigenten ist immer ein Balanceakt, der von äußeren Faktoren mitbestimmt wird.

Vorgaben von der Staatsregierung

Franz Welser-Möst (60).
Franz Welser-Möst (60).  © Matthias Creutziger

Gibt es für das Orchester einen Wunschkandidaten, ist zu klären, ob das Wünschen auf Gegenseitigkeit beruht, ob anderweitige Vertragsbindungen die Zusammenarbeit infrage stellen oder ob es nicht ein anderer ist, der die wichtigsten Kriterien erfüllt.

So ist die Dirigentenwahl immer ein Stück weit Würfelspiel, wie etwa bei den Berliner Philharmonikern, nachdem der Lette Andris Nelsons (42) als möglicher Nachfolger Simon Rattles im Vorfeld schon absagte, Christian Thielemann im Orchester ohne Mehrheit blieb und am Ende erst das dritte Ass, der Russe Kirill Petrenko (49), stach.

Nelsons ging stattdessen zum Leipziger Gewandhausorchester, womit er für die Dresdner Staatskapelle, für die er auch ein geeigneter Kandidat gewesen wäre, nunmehr tabu ist.

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Ähnliches ist für den Briten Antonio Pappano (61) anzunehmen, möglicherweise die Idealbesetzung für Dresden, der 2023 das London Symphony Orchestra übernimmt.

Selbst wenn Pappano bereit wäre, zwei Orchestern als Chefdirigent zu dienen, ist ein Engagement bei der Staatskapelle auf dieser Basis unwahrscheinlich, auch weil das Orchester seinen Chef gern für sich allein hat.

Omer Meir Wellber (39).
Omer Meir Wellber (39).  © Matthias Creutziger

Staatsregierung macht kulturpolitische Vorgaben für die Dirigentenwahl

Sir Antonio Pappano (61).
Sir Antonio Pappano (61).  © PR/Oliver Killig

Die Ausgangsposition für die Staatskapelle ist schwierig, nicht allein, weil mögliche Wunschkandidaten nicht infrage kommen könnten, sondern auch deshalb, weil die Staatsregierung kulturpolitische Vorgaben macht.

Hat zwar Kulturministerin Barbara Klepsch (55, CDU) Stein und Bein geschworen, sich in die Chefdirigentenwahl nicht einzumischen, hat man mit der Nichtverlängerungsentscheidung im Fall Thielemann deutlich gemacht, was man von Staats wegen erwartet: Der neue Chefdirigent soll gemeinsam mit der designierten neuen Intendantin der Semperoper, Nora Schmid (42), Haus und Orchester im Sinne einer Agenda "Semper2030" inhaltlich und multimedial zukunftsfest machen.

Da ist dann auch die noch offene Frage zu beantworten, ob der neue Chefdirigent in Personalunion Generalmusikdirektor an der Oper sein soll, was die Institutionen noch enger aneinander knüpfte.

Als Konzertorchester ist die Staatskapelle im Semperhaus manch praktischen Hemmnissen unterworfen.

Nur zwölf Symphoniekonzerte stehen je Spielzeit an, dazu einige Sonderkonzerte. Übernimmt der jeweilige Chefdirigent, Thielemann zurzeit, von Amts wegen den größten Anteil der Konzerte, sind weitere Termine traditionell dem Ersten Gastdirigenten Myung-Whun Chung (68) und dem Ehrendirigenten Herbert Blomstedt (94) vorbehalten.

Darüber hinaus pflegt man den Kontakt zu wiederkehrenden Gastdirigenten, wie dem Briten Daniel Harding (45) oder dem Italiener Daniele Gatti (59), Letzterer (wie auch Chung und Thielemann) schon einmal im Kandidatenrennen mit dabei gewesen, aber damals dem Landsmann Fabio Luisi unterlegen. Dass einer von ihnen zum Zuge kommen könnte, ist nicht auszuschließen, aber angesichts verordnetem Neuaufbruchs nicht eben wahrscheinlich.

Eher traute man dem Österreicher Franz Welser-Möst (60) das zu.

Joana Mallwitz debütiert in der Oper

Joana Mallwitz (34).
Joana Mallwitz (34).  © imago images/Viadata

Der Gelegenheiten, junge Talente auszuprobieren und ans Orchester zu binden, sind es angesichts weniger Auftrittsmöglichkeiten wenige.

Zuletzt gelang das im Fall des energetischen Israelis Omer Meir Wellber (39), der Konzert wie Oper beherrscht, davor beim Russen Vladimir Jurowski (49). In der kommenden Spielzeit steht das Debüt des hochtalentierten Russen Tugan Sokhiev (43) an.

Alle drei sind Vertreter der jüngeren Dirigentengeneration (das heißt: unter 50), mit denen frischer Wind und neue Ideen in Semperoper und Staatskapelle einziehen könnten.

Anders als früher kann der neue Chefdirigent eines Orchesters auch eine Chefdirigentin sein. Der Nachholbedarf auf diesem Feld bei der Staatskapelle ist allerdings immens: Erst fünf Damen schafften es überhaupt ans Pult des Orchesters, nicht eine von ihnen für ein Symphoniekonzert.

Eine lausige Quote. Das ändert sich auch in der kommenden Spielzeit nicht, gleichwohl im Mai das Debüt der zurzeit gefeiertsten deutschen Dirigentin, Joana Mallwitz, Jahrgang 1986, in der Semperoper ansteht ("Rusalka"), wo Orchester und Kapellmeisterin erstmals aufeinandertreffen. Dass der Opernproduktion ein symphonisches Engagement bei der Staatskapelle folgen wird, ist wahrscheinlich, dass es Mallwitz geradewegs ans Chefdirigenten-Pult katapultiert wohl eher noch Science Fiction.

Aber wer weiß? Spannend ist die Personalie Mallwitz in jedem Fall - auch und besonders, weil die Kapellmeisterin nur drei Wochen später im Kulturpalast das Orchester der Dresdner Philharmonie dirigiert. Das obendrein in Nachfolge von Marek Janowski (82) gleichfalls einen neuen Chefdirigenten sucht. Oder eine Chefdirigentin.

Titelfoto: Montage: Matthias Creutziger, Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa, imago images / VIADATA

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