Neue Details zum Juwelenraub in Dresden: Hatten die Täter Insider-Wissen?

Dresden - Fortsetzung im Prozess um den spektakulären Juwelenraub aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden. Im Hochsicherheitsgericht am Hammerweg müssen sich sechs mutmaßliche Mitglieder des Berliner Remmo-Clans verantworten, weil sie laut Staatsanwalt im November 2019 Brillanten und Diamanten für rund 114 Millionen Euro gestohlen haben sollen. Im Verfahren wird immer deutlicher: Die Täter müssen Insider-Wissen gehabt haben.

Einsatzkräfte der Polizei stehen 2019 im Bärengarten neben dem durchtrennten Gitterfenster des Grünen Gewölbes am Residenzschloss.
Einsatzkräfte der Polizei stehen 2019 im Bärengarten neben dem durchtrennten Gitterfenster des Grünen Gewölbes am Residenzschloss.  © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

So hörte sich die Kammer am heutigen Dienstag einen Ingenieur (66) an, der seinerzeit am Sicherheitskonzept für das Grüne Gewölbe mitarbeitete.

Zusammen mit dem LKA und den staatlichen Kunstsammlungen wurde damals ausgetüftelt, wie der Schatz von August dem Starken am besten geschützt werden kann. Das Problem dabei: Bis zum Einbruch war die Technik offenbar noch auf dem Stand von 2005!

Und die damit verbundenen Lücken nutzen die Täter gnadenlos aus. Ein Überblick über die Problemzonen bei der Sicherheit.

Dresden: Bundeskanzler Olaf Scholz heute in Dresden zu Besuch
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Der Fassadenscanner: Der tastet permanent die Außenhaut des Gebäudes ab und erkennt Unregelmäßigkeiten. "Doch die sind eben auch nicht störfrei", so der Zeuge. Bekannt ist: Der Scanner war in der Tatnacht nicht aktiv. Obendrein erfasste der Scanner ausgerechnet das Fenster, durch das die Täter stiegen und welches die Täter vorher präpariert hatten, nicht komplett. "Es gibt einen toten Winkel", so der Zeuge. Genau in dem sägten die Einbrecher ihr Loch in das Gitter.

Das Fenster hatte keine besondere Sicherheitsvorkehrung: "Das Fenster ist von innen fest, von außen vergittert und in einer gewissen Höhe", fasste der Fachmann die damaligen Überlegungen zusammen. "Um Fenster oder Gitter anzugreifen, hätte man Strom gebraucht. Es war nicht davon auszugehen, dass so was passiert." Doch die Technik schreitet gnadenlos voran. Und die Täter agierten mit "Handwerkzeug", das heutzutage mit Akku oder Hydraulik und ohne notwendige, große Stromaggregate funktioniert.

Kein Alarmlicht im Grünen Gewölbe

Die bei einem Einbruch beschädigte Vitrine im Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe.
Die bei einem Einbruch beschädigte Vitrine im Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe.  © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Das Licht im Museum: "Auf ein sogenanntes Alarmlicht wurde im Grünen Gewölbe verzichtet", sagte der Zeuge. "Eigentlich geht das an, wenn eingebrochen wird. Aber das Historische Grüne Gewölbe wurde ja auch nachts von innen beleuchtet."

Stimmt. Touristen, die spätabends durch die Altstadt wandelten, konnten am Schloss die goldenen Preziosen durch die Fenster glänzen und strahlen sehen. "Warum nun ausgerechnet in der Nacht das Licht aus war oder ob das Konzept später mal geändert worden war, weiß ich nicht", so der Ingenieur.

Die Vitrine: "Das war ein Kompromiss", so der Fachmann. Einerseits sollte die Vitrine so historisch wie möglich gehalten, anderseits so sicher wie möglich gestaltet werden.
"Aber eine Vitrine mit Stahlrahmen und noch sichererem Glas wäre eben keine historische Vitrine mehr gewesen." Und so reichten ein paar Axtschläge, um an die Juwelen zu gelangen…

Polizei überprüft Sicherheitsleute

Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung stehen vor dem Residenzschloss.
Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung stehen vor dem Residenzschloss.  © Sebastian Kahnert/ZB/dpa
Die Überwachungskameras waren so alt wie das Sicherungskonzept und weil, wie oben beschrieben, das Alarmlicht fehlte, lieferten die Kameras die wohl schlechtesten Bilder in der Geschichte des modernen Kunstraubes. Dazu sagte der Zeuge: "Es waren schon neue, bessere Kameras bestellt. Aber die waren noch nicht aufgehängt." Die Neuinstallation und der dreiste Juwelenklau hätten sich "sozusagen überschnitten".

Das alles sind wohl zu viele Zufälle, als dass die Angeklagten nicht exaktes Insiderwissen gehabt hätten. Und tatsächlich fahndet die Polizei auch im Bereich der Sicherheitsleute noch nach möglichen Mittätern.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Titelfoto: Bildmontage: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

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