Filmfest Hamburg gestartet: Freiheit, Ukraine-Krieg und ein witziger Sophia-Loren-Moment

Hamburg - Bei typischem Hamburger Schietwetter feierte das "Filmfest Hamburg" am Donnerstagabend sein 30-jähriges Jubiläum mit der Premiere von "Wir sind dann wohl die Angehörigen" im Cinemaxx Dammtor. Im Gespräch mit TAG24 erzählt Filmfest-Direktor Albert Wiederspiel (61), warum er sich für die Verfilmung der Reemtsma-Entführung als Eröffnungsfilm entschieden hat.

Schauspieler Gustav-Peter Wöhler (66, l.) und der Chef des Filmfestes Hamburg, Albert Wiederspiel (61), laufen beim 30. Filmfest Hamburg über den roten Teppich.
Schauspieler Gustav-Peter Wöhler (66, l.) und der Chef des Filmfestes Hamburg, Albert Wiederspiel (61), laufen beim 30. Filmfest Hamburg über den roten Teppich.  © Axel Heimken/dpa

"A, weil Hans-Christian Schmid ein wunderbarer Regisseur ist, den ich sehr liebe und B, weil es ein zutiefst in Hamburg verwurzeltes Thema ist. Die Entführung kennt jeder in der Bundesrepublik, aber vor allem in Hamburg", so Wiederspiel.

Er selbst habe den Fall im März 1996 auch verfolgt: "Damals wohnte ich schon in Hamburg, aber ich erinnere mich an eine Nachrichtensperre. Nur ein Foto wurde damals geleakt, aber sonst war es sehr still. Der Film erklärt auch warum."

"Wir sind dann wohl die Angehörigen" beruht auf dem gleichnamigen Buch von Johann Scheerer (39), dem Sohn des damals entführten Jan Philipp Reemtsma (69).

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Auf eine ruhige, sensible Art porträtiert der Film die Angst von Johann Scheerer (Claude Heinrich, 16) und seiner Mutter Ann Kathrin Scheerer (Adina Vetter, 42), ihren geliebten Mann und Vater vielleicht nie wieder in die Arme schließen zu können.

Und den Ausnahmezustand einer Familie, der damit einhergeht.

Justus von Dohnányi über seine neue Rolle: "Man ist nicht ganz so frei"

Auch Justus von Dohnányi (61) erinnert sich noch an den Fall, er habe damals nur fünf Kilometer entfernt gelebt. Fast 30 Jahre später spielt er in dem Drama den Anwalt Johann Schwenn, der die Familie Reemtsma damals unterstützte.

Als Vorbereitung habe er sich viel mit der reellen Person beschäftigt: "Auf jeden Fall ist man im Spiel nicht ganz so frei wie bei einer fiktiven Figur und man sollte sich schon gut überlegen, was man da tut. Aber dafür haben wir ja auch viel recherchiert und lange Gespräche mit dem Regisseur geführt", sagt er im Interview mit TAG24.

Yorck Dippe (v.l.n.r.) als Vera, Adina Vetter (42) als Ann Kathrin Scheerer und Justus von Dohnányi (61) als Johann Schwenn in einer Szene des Films "Wir sind dann wohl die Angehörigen". Der Film kommt am 3. November in die deutschen Kinos.
Yorck Dippe (v.l.n.r.) als Vera, Adina Vetter (42) als Ann Kathrin Scheerer und Justus von Dohnányi (61) als Johann Schwenn in einer Szene des Films "Wir sind dann wohl die Angehörigen". Der Film kommt am 3. November in die deutschen Kinos.  © --/Pandora Film; 23/5/dpa

Ein Spagat zwischen Unterhaltungskino und anspruchsvollen Filmen

Albert Wiederspiel (3. v. l.) mit Mitgliedern der Filmförderung und des ukrainischen Filmfestivals.
Albert Wiederspiel (3. v. l.) mit Mitgliedern der Filmförderung und des ukrainischen Filmfestivals.  © Axel Heimken/dpa

Der Filmabend beschäftigte sich aber nicht nur mit vergangenem Freiheitsraub, sondern auch mit der bitteren Situation vieler Künstler auf der ganzen Welt. "Die türkische Produzentin Çiğdem Mater wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt, für einen Film, den sie nie gemacht hat", empörte sich Wiederspiel in seiner Eröffnungsrede und bewies einmal mehr die politische Haltung des Festivals.

Er sprach auch seine Solidarität mit den Frauen im Iran aus und stellte die Organisatoren des ukrainischen Filmfestivals vor, die dieses gezwungenermaßen 2022 außerhalb ihres Heimatlandes feiern müssen.

"So sehr, wie ich mich über den ukrainischen Besuch freue, so traurig macht es mich. Denn in welchen Zeiten leben wir denn, dass ein Filmfestival auf der Flucht sein muss." Die Kurz- und Langfilme sollen bis zum 5. Oktober im Programmkino Alabama auf Kampnagel gezeigt werden. "Das ist ein starkes Zeichen der Verbundenheit und ein Signal für Demokratie und Freiheit in Europa", sagte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (56, SPD).

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"Ich glaube, uns ist der Spagat zwischen Unterhaltungskino und anspruchsvollen Filmen sehr gut gelungen. Gelungen ist uns auch, dass die Leute unserer Handschrift folgen. Wir zeigen gerne sozialpolitisch engagiertes Kino und das scheint anzukommen", so Wiederspiel gegenüber TAG24.

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Sophia Loren (88) 2003 in Hamburg.
Sophia Loren (88) 2003 in Hamburg.  © Luca Bruno/AP/dpa

Neben all dem Schmerz auf der Welt hat der Direktor seinen Humor aber nicht verloren und erinnert sich gerne an Highlights der letzten 30 Jahre: "Es war schon witzig, als hier auf der 'Cinemaxx-Brücke' Paparazzi wegen Sophia Loren standen, und man dachte sich 'Ups, in welchem Film bin ich denn gelandet'. Jedes Jahr bringt etwas Neues und völlig Unerwartetes. Das ist ja auch das Schöne in diesem Job, dass sich nie etwas wiederholt."

Für die nächsten Jahre Filmfest hat Wiederspiel nur einen Wunsch: "Das wir weiter wachsen. Die Leute sollen von ihrer Couch aufstehen, Netflix oder was auch immer ausmachen und ihren Allerwertesten bewegen und ins Kino kommen. Zusammen mit anderen Filme zu gucken, ist etwas ganz anderes als alleine zu Hause."

Titelfoto: Axel Heimken/dpa

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