Rassismus-Kritik: Geplantes Straßenschild sorgt für Diskussionen
Hamburg - Die Ansichten einer arabischen Prinzessin sorgen fast hundert Jahre nach ihrem Tod für Diskussion in Hamburg.

Im Finkenau-Quartier im Stadtteil Uhlenhorst sollte ein Platz nach Emily Ruete benannt werden, dann wurde der Beschluss von 2019 wieder rückgängig gemacht.
Die Namensgeberin war 1844 als Sayyida Prinzessin von Salme von Oman und Sansibar auf der ostafrikanischen Insel geboren worden. Sie heiratete den Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete, nahm nach ihrer Taufe den Namen Emily Ruete an und lebte mehrere Jahre in Hamburg, wo sie nach ihrem Tod 1924 auf dem Ohlsdorfer Friedhof begraben wurde. Möglicherweise bekommt die Prinzessin nun doch noch die Chance auf ein Straßenschild.
Der Regionalausschuss in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord hatte 2019 beschlossen, sie mit der Benennung zu ehren. "Ruete ist ein wunderbares Beispiel für eine starke Frau, die trotz widriger Umstände in der Fremde ihr Leben gelebt hat", hieß es damals. Als erste Frau aus der muslimischen Welt habe sie 1886 eine Autobiografie veröffentlicht.
Gut ein Jahr später machte der Ausschuss auf Initiative der Grünen und der SPD seine Entscheidung rückgängig, "aufgrund ihrer (Ruetes) erst jetzt zutage getretenen kritikwürdigen Ansichten". In dem Beschluss vom 21. September 2020 hieß es: "Emily Ruete setzt sich in ihren Memoiren wiederholt für die Sklavenhaltung ein, ihre Äußerungen gegenüber den Sklav*innen sind rassistisch."
Eine Benennung des Platzes nach ihr sei nicht angemessen, denn das "widerspricht der Haltung gegen Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit, der sich die Fraktionen verpflichtet fühlen".
FDP-Fraktion will an Diskussion festhalten

Inzwischen legte die Politikwissenschaftlerin Tania Mancheno von der Forschungsstelle "Hamburgs (post-)koloniales Erbe" ein Gutachten vor, in dem sie Emily Ruete verteidigt. Die FDP-Fraktion fordert darum, an der Ehrung für die arabische Prinzessin festzuhalten.
Aus einer kritischen Perspektive könne Ruete zugleich als Feministin und Rassistin eingestuft werden, stellt Mancheno fest. Die Gutachterin kommt jedoch zu dem Schluss: "Eine feministische Erinnerungskultur an sie wäre aber dennoch möglich, indem ihr Rassismus kritisch reflektiert und ihre Rolle als kulturelle Übersetzerin nicht mit der einer Verräterin des Humanismus gleichgesetzt wird."
Mancheno warnt vor einer "Erinnerungspolizei" und regt an, lieber den nach einem "Kolonialverbrecher" benannten Vespucci-Platz in der Hafencity umzubenennen.
Titelfoto: Georg Wendt/dpa