Anklage gibt Details preis: So akribisch wurde der Juwelen-Diebstahl geplant
Dresden - Mehr als zwei Jahre nach dem Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden startete mit über einer Stunde Verspätung gegen 11 Uhr am Landgericht der Prozess gegen sechs mutmaßliche Täter starten. Angeklagt sind Abdul Majed (22), Rabieh (28), Mohamed (22), Wissam (25), Bashir (26) und Ahmed (23).

Inzwischen wurde die Anklage verlesen. Minutiös listete der Staatsanwalt auf, wie akribisch die Tat vorbereitet wurde.
Schon Monate vor der Tat wurden der Benz und der Audi gekauft, die dann als Fluchtfahrzeuge genutzt wurden. Mehrfach gab es sozusagen "Probeläufe".
Immer wieder kletterten die Täter über die Mauer am Schloss und testeten offenbar, wie lange sie unbeobachtet agieren können. Nur vier Tage vor der Tat, als Rabieh und zwei weitere laut Anklage wieder mit dem Audi in Dresden waren, wären sie beinahe zufällig gefasst worden.
Eine Zivilstreife hatte den Audi an der Könneritzstraße beim unerlaubten Wendemanöver gesehen. Doch der Fahrer trat aufs Gas, die Ordnungshüter kamen nicht hinterher. Immerhin verpassten die Täter dem Audi danach eine andere Farbe, um beim nächsten Dresden-Trip nicht aufzufallen.
In der Tatnacht teilte sich die Truppe auf. Einer blieb im Fluchtauto, andere stiegen über die Mauer zum Museum, zwei gingen zum Pegelhaus an der Augustusbrücke. Dort zündeten sie Benzin in zwei Kochtöpfen an, legten so die komplette Straßenbeleuchtung lahm.
Tat in Dresden wurde akribisch geplant

Die Juwelen sollen laut Staatsanwalt Wissam und Mohamed aus den Vitrinen geholt haben. Dazu schlugen sie um 4.57 Uhr 56 Mal mit Äxten auf das Schutzglas ein. Um 5.01 Uhr versprühte Mohamed demnach den Inhalt eines Feuerlöschers im Museum. Um 5.01.57 Uhr sprang er in den Audi zu seinen Mittätern, der dann nach Pieschen donnerte.
Vor der Tiefgarage in der Kötzschenbroder Straße, wo die Täter in den Benz umstiegen, stoppte der Audi um 5.04 Uhr. Die Juwelenräuber verkippten fünf Liter Benzin und zündeten es an. Das Feuer griff auf andere Autos über, die zum Teil explodierten.
Außerdem ließ die Bande im Audi den geladenen Revolver zurück, aus dem sich völlig unkontrolliert durch die Hitze drei Schüsse lösten!
Neben den 113,8 Millionen Euro Schaden, durch den Diebstahl der Juwelen, entstand durch die Tat an Autos, Tiefgaragen, Museum und Pegelhaus ein weiterer Schaden von 1,6 Millionen Euro.
Die Angeklagten schwiegen bisher bei den Ermittlungen und wollen auch im Prozess nichts sagen. Am Nachmittag wollen zumindest die Verteidiger sogenannte Opening Statements zu dem Fall abgeben.




Prozess startete mit über einer Stunde Verspätung

Es war abzusehen. Der Prozess um die geklauten Juwelen wird nicht nur zäh, sondern auch hoch streitig.
Schon bevor am ersten Verhandlungstag überhaupt die Anklage gegen die sechs Mitglieder des Remmo-Clans verlesen werden konnte, gab es Ärger unter den Juristen. Auslöser ist ausgerechnet der Freistaat.
Denn Sachsen entsandte plötzlich einen Anwalt in den Prozess und will nun als Nebenkläger auftreten. Klingt logisch, ist doch der Freistaat formal der "Geschädigte".
Aus den Vitrinen der staatlichen Kunstsammlungen wurden schließlich die 4300 Brillanten geklaut. Allerdings ist der Freistaat juristisch gesehen keine natürliche Person, die gewöhnlich als Nebenkläger auftreten kann.
Doch das ist nicht das einzige Problem, das vor allem die Verteidiger sehen. Ihrer Ansicht nach ist Sachsen schon durch die Anklage, sprich der Staatsanwaltschaft, vertreten. Obendrein monieren die Juristen, dass der Freistaat sich erst jetzt als Nebenkläger meldet. Grundsätzlich sei das zwar jederzeit im Prozess möglich. Aber dem Freistaat wäre ja nicht erst seit dieser Woche bekannt, dass der Prozess beginnt.
Hauptproblem der Anwälte ist aber, das besagter Nebenkläger bereits vorab schon Akteneinsicht bekam. Dass, so die Verteidiger, sei ein rechtswidriges Verhalten der Kammer.
Außerdem verlangen die Anwälte der beiden jüngsten Angeklagten, Mohamed (22) und Abdul Majed (22), die Abtrennung des Verfahrens gegen diese beiden Jugendlichen. Gegen Beschuldigte in ihrem Alter müsse anders als gegen Erwachsene verhandelt werden. Notfalls sogar ohne Öffentlichkeit.
Über all diese Anträge und natürlich über den inzwischen in großen Prozessen schon obligaten Antrag, das Verfahren wegen mutmaßlicher unzureichender Akteneinsicht, einzustellen, wird die Kammer wohl beim nächsten Prozesstermin Stellung nehmen.
Diebstahl von 21 Schmuckstücken

Bereits vor Prozessbeginn waren Dutzende Polizeibeamte vor Ort, sperrten die Zufahrtsstraßen ab und sicherten das Gelände.
Die Angeklagten wurden nach und nach zum aus Sicherheitsgründen im für Terror- und Extremismusverfahren geschaffenen Spezialsaal des Oberlandesgerichts Dresden am Stadtrand (Hammerweg) gefahren.
Kurz vor 11 Uhr waren dann endlich alle Angeklagten im Saal. Der Prozess konnte starten. Gegen 11.30 Uhr wurde die Anklage verlesen.


Bis zu 30 Zeugen sollen bis April verhört werden.
Text aktualisiert um 13.16 Uhr.
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