Pensionierter Polizist ersticht Mann (†55) im Streit: Notwehr oder Totschlag?

Gießen - Bei einem Streit um eine Drohne soll ein pensionierter Kriminalbeamter einem Mann einen tödlichen Messerstich zugefügt haben. Der 71-Jährige steht deswegen seit dem heutigen Montag in einem Totschlag-Prozess vor dem Landgericht Gießen.

Das damals 55-jährige Opfer verblutete innerlich, nachdem ihm der Angeklagte eine zehn bis elf Zentimeter tiefe Schnittwunde mit seinem Taschenmesser zugefügt hatte. (Symbolbild)
Das damals 55-jährige Opfer verblutete innerlich, nachdem ihm der Angeklagte eine zehn bis elf Zentimeter tiefe Schnittwunde mit seinem Taschenmesser zugefügt hatte. (Symbolbild)  © 123rf/Jean-Marie Guyon

Zu Beginn der Verhandlung berief er sich auf Notwehr: "Ich hatte Angst um mein Leben und habe einfach eine Abwehrbewegung gemacht", sagte der angeklagte Deutsche. Er habe niemanden töten wollen.

Der 71-Jährige soll im August 2020 in Wettenberg dem damals 55-jährigen Mann das Messer in den Oberkörper gestochen haben. Laut Anklageschrift verursachte die Klinge eine zehn bis elf Zentimeter tiefe Wunde, das Opfer verblutete innerlich.

Der Angeklagte hatte demnach in der Nähe der Burg Gleiberg seine Drohne aufsteigen lassen. Es kam zu einem Streit zunächst mit einem damals 62-Jährigen.

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Dieser habe befürchtet, dass durch das Fluggerät Pferde auf seinem Grundstück gestört werden. Die verbale Auseinandersetzung weitete sich der Staatsanwaltschaft zufolge zu einer körperlichen aus.

Am Ende sei der Begleiter des 62-Jährigen hinzugekommen. Der 71-Jährige habe diesen im weiteren Verlauf mit dem Messer verletzt. Ihm hätte klar sein müssen, so der Vorwurf, dass ein Stich zum Tod führen könne oder er habe dies billigend in Kauf genommen.

Der Streit um eine Drohne eskalierte: Beide Männer zeigten ihre Messer

Der Angeklagte hatte eine Drohne gesteuert, die Pferde auf einer Weide gestört haben soll. Daraus entwickelte sich der letztlich tödliche Streit.
Der Angeklagte hatte eine Drohne gesteuert, die Pferde auf einer Weide gestört haben soll. Daraus entwickelte sich der letztlich tödliche Streit.  © 123rf/leolintang

Der Angeklagte hatte laut eigener Aussage mit seiner Drohne Videoaufnahmen von der Burg machen wollen. Er sei damit auch über eine Wiese geflogen, die aber unbenutzt gewesen sei. Er habe keine Pferde gestört.

Im Verlauf des Streits mit dem 62-Jährigen habe er diesem sein Taschenmesser gezeigt - sodass der Mann vielleicht Angst bekomme und die Auseinandersetzung beendet werden könne.

Doch der andere habe ebenfalls ein Messer gezeigt, eines mit dem man schnell zustechen könne. Beide Messer seien wieder eingesteckt worden, die Auseinandersetzung aber sei weiter gegangen.

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Der Streit eskalierte: Beide Männer schlugen mit der Faust zu und es folgte "eine Art Ringkampf", wie der 71-Jährige sagte. Als er seinen Kontrahenten habe fixieren können, habe er plötzlich einen "fürchterlichen Schlag gegen den Kopf" bekommen und einen "großen, kräftigen, aggressiv wirkenden Mann" bei sich gesehen.

Nach eigener Aussage sah sich der Angeklagte nun zwei Gegnern gegenüber, wusste von dem Messer und bekam "panische Angst, dass die mich jetzt umbringen".

Ihm sei nur sein Taschenmesser geblieben. Er habe es nach vorne gehalten, der 55-Jährige sei ihm ins Messer gelaufen.

Zunächst war das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Gießen wegen einer Notwehrsituation eingestellt worden. Das OLG Frankfurt ordnete dennoch eine Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Gießen an.
Zunächst war das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Gießen wegen einer Notwehrsituation eingestellt worden. Das OLG Frankfurt ordnete dennoch eine Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Gießen an.  © dpa/Marius Becker

Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren zunächst wegen einer Notwehrsituation eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Gießen hatte einem Sprecher zufolge das Verfahren gegen den 71-Jährigen zunächst eingestellt, da aus ihrer Sicht eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen werden konnte. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) aber ordnete eine Gerichtsverhandlung an.

Laut Staatsanwaltschaft war das OLG der Ansicht, dass es sich nach vorläufiger Bewertung nicht um eine Notwehrlage gehandelt habe. Der Prozess wird fortgesetzt.

Titelfoto: 123rf/Jean-Marie Guyon

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