Fall zu langweilig? Schöffe hält Nickerchen während Prozess

Kassel - Einem mutmaßlich betrügerischen Hotelier wird am Montag am Amtsgericht Kassel wegen Kreditkartenbetrugs der Prozess gemacht. Doch trotz aller Beweislast muss das Verfahren in zwei Wochen neu aufgerollt werden - weil ein Schöffe lieber verlorenen Schlaf nachholte, anstatt der Anklageverlesung zu lauschen.

Während der Anklageverlesung hielt der Schöffe einfach ein Schläfchen. Beim neu aufgelegten Prozess darf er trotzdem dabei sein. (Symbolfoto)
Während der Anklageverlesung hielt der Schöffe einfach ein Schläfchen. Beim neu aufgelegten Prozess darf er trotzdem dabei sein. (Symbolfoto)  © Montage: DPA/Uwe Zucchi, 123RF/antonioguillem

Es klingt wie eine Szene aus einem mittelmäßigen Hollywood-Klamauk, der auf billige Lacher abzielt und dabei die Handlung ins Hintertreffen geraten lässt. Doch was sich am Montag im Amtsgericht im nordhessischen Kassel abspielte, geschah so tatsächlich.

Während einem Hotelier aus Niestetal (Landkreis Kassel) der Prozess wegen Betrugs an seinen Gästen gemacht wurde, hielt ein im Gerichtssaal anwesender Schöffe lieber ein Schläfchen. Dem 40-jährigen Betreiber der Herberge wird vorgeworfen, die Kreditkarten seiner Kunden in über 100 Fällen unbefugt belastet und somit rund 100.000 Euro ergaunert zu haben.

Doch über den ersten Prozesstag und die Verlesung der Anklage kam man eben wegen dieses folgenschweren Nickerchens am Montag nicht hinaus. Laut eines Sprechers der Kasseler Staatsanwaltschaft gelte ein schlafender Schöffe genauso wie ein nicht anwesender Schöffe.

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Somit muss der Prozess in gut zwei Wochen erneut von Beginn an starten. Der ehrenamtliche Richter, der nicht unwesentlich an der Urteilsfindung beteiligt ist, darf trotz seines Fauxpas auch dann wieder vor Gericht erscheinen.

Doch er kann sich getröstet fühlen. Denn der Laienrichter war nicht der Erste, der an einem Kasseler Gericht lieber Schäfchen zählte.

Schlafender Schöffe war in Kassel kein Einzelfall: Mammutprozess musste neu aufgerollt werden

Vor dem Landgericht in Kassel startete ein großer Steuerhinterziehungs-Prozess am vergangenen Donnerstag von vorne. Das Verfahren, das im ersten Durchgang rund drei Monate lang dauerte, wurde wegen eines am ersten Verhandlungstages schlafenden Schöffen wiederholt.

Ob seinem Beisitzer-Kollegen aus dem Hotelier-Prozess der Fall einfach zu langweilig oder die Juristen-Sprache zu anstrengend war, bleibt wohl dessen Geheimnis.

Titelfoto: Montage: DPA/Uwe Zucchi, 123RF/antonioguillem

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