Anwalt steht selbst vor Gericht: Untreue in Millionenhöhe angeklagt

München - Ein Münchner Rechtsanwalt soll über Jahre hinweg 1,5 Millionen Euro von Kollegen ergaunert haben - seit Freitag muss er sich deshalb vor dem Landgericht München verantworten.

Ein angeklagter ehemaliger Rechtsanwalt (r.) sitzt vor Prozessbeginn auf der Anklagebank neben einem seiner Anwälte Michael Nienerza (v.).
Ein angeklagter ehemaliger Rechtsanwalt (r.) sitzt vor Prozessbeginn auf der Anklagebank neben einem seiner Anwälte Michael Nienerza (v.).  © Roland Losch/dpa

Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Untreue und Betrugs angeklagt. Der 49-Jährige hat bislang sämtliche Vorwürfe bestritten.

Er werde sich zur Sache vorerst auch nicht äußern, sagte sein Verteidiger Walter Rubach zum Auftakt der Verhandlung.

Die Verlesung der Anklage dauerte über eine Stunde. Demnach hatte der Anwalt zwischen 2015 und seiner Verhaftung 2018 unter anderem für die Insolvenzverwalter des hessischen Solaranlagenbauers Ralos, des Augsburger LED-Hableiterherstellers Elumix und des Großhändlers Lukullus gearbeitet.

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Aber für die Insolvenzverwalter und für einen Prozessfinanzierer bestimmte Zahlungen habe er auf eigene Konten umgeleitet und große Summen für sich behalten.

Zudem hatte der Angeklagte mit einer Kanzlei in Köln 2017 einen Factoringvertrag geschlossen und für sie Honorarrechnungen an Mandanten verschickt, so die Staatsanwaltschaft. In der Folge habe er aber nicht nur eingehende Zahlungen für sich selbst behalten, sondern auch fingierte Rechnungen eingereicht.

Insgesamt sei seinen Mandanten, den anderen Rechtsanwälten, ein Schaden von 1,5 Millionen Euro entstanden, dem Prozessfinanzierer ein Schaden von 28.000 Euro.

Strafprozess gegen Anwalt vor dem Landgericht München

Der Angeklagte war im November 2018 festgenommen worden. Im Ermittlungsverfahren hat er den Tatvorwurf laut Staatsanwaltschaft bestritten. Gelder seien bisher nicht zurückerstattet worden. Verteidiger Rubach kündigte für den zweiten Prozesstag am kommenden Donnerstag eine Eingangserklärung der Verteidigung an. Darauf vertagte die Vorsitzende Richterin Nicole Selzam die Verhandlung. Das Gericht hat 14 Verhandlungstage bis 30. November angesetzt.

"Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege", lautet Paragraf eins der Bundesrechtsanwaltsordnung.

"Dennoch kommen strafrechtliche Verfehlungen Einzelner natürlich vor. Dies dürfte jedoch im Bereich der Einzelfälle angesiedelt sein", teilte der Deutsche Anwaltverein auf Anfrage mit.

Titelfoto: Roland Losch/dpa

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