Schütze war eine Stunde in Schule! Polizei nach Blutbad unter Druck
Uvalde/Washington - Nach dem Blutbad in einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas gerät die Polizei wegen ihres Vorgehens während des Massakers zunehmend in die Kritik.

Eltern werfen den Einsatzkräften vor, zu lange untätig gewesen zu sein und nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben. Die Behörden bestätigten am Donnerstag, dass der Schütze rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht habe, in dem er auf die Schulkinder und Lehrerinnen schoss. Erst dann habe die Polizei den Raum betreten und den 18-Jährigen erschossen.
Bei einer Pressekonferenz in der Gemeinde Uvalde gab Victor Escalon von der Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas weitere Details zum Ablauf der Tat bekannt. Er sprach von einer "komplexen Situation".
Der Angreifer Salvador Ramos habe etwa um 11.40 Uhr am Dienstag die Grundschule und schließlich ein Klassenzimmer in der Nähe eines Eingangs betreten, sagte er. Die Polizei sei innerhalb weniger Minuten vor Ort gewesen, weil Zeugen den bewaffneten Schützen vor der Schule gesehen hätten.
Auf die Frage, warum die Polizei nicht direkt versucht habe, in den Klassenraum einzudringen, sagte Escalon, es habe den Polizisten an Spezialausrüstung gefehlt. Die Tür sei "verbarrikadiert" gewesen. Die Polizei habe dann Verstärkung angefordert und Schulkinder und Lehrkräfte in Sicherheit gebracht.
Außerdem habe sie versucht, mit dem Schützen zu verhandeln. Dieser habe einen Großteil der Schüsse ganz zu Anfang abgefeuert. "Während der Verhandlungen wurde nicht viel geschossen, außer dass er versuchte, die Polizisten auf Abstand zu halten", sagte Escalon.
Nach rund einer Stunden seien Spezialkräfte eingetroffen, die den 18-Jährigen erschossen hätten.
Widersprüchliche Angaben der Polizei

Darüber, wie genau sich die Tat abspielte, hatte es in den vergangenen Tagen widersprüchliche Angaben von der Polizei gegeben. Zunächst hieß es, der Schütze sei bereits vor der Schule von einer Sicherheitskraft konfrontiert worden. Das bestätigte Escalon nun nicht. Stattdessen konnte der 18-Jährige den Angaben zufolge ungehindert durch eine unverschlossene Tür in die Schule laufen.
Bei der Pressekonferenz am Donnerstag gerieten die Behörden unter Rechtfertigungsdruck. "Warum klären Sie das nicht auf und erklären uns, wie es sein kann, dass Ihre Beamten eine Stunde lang drin waren (...), aber niemand in der Lage, in diesen Raum zu gelangen?", fragte ein Journalist.
Zuletzt wurden immer mehr kritische Stimmen von Eltern aus Uvalde laut. Sie werfen der Polizei vor, zu zögerlich gehandelt zu haben.
"Ich habe einem der Beamten selbst gesagt, wenn sie nicht reingehen wollen, sollen sie mir seine Waffe und eine Weste leihen, und ich werde selbst reingehen, um die Sache zu regeln", sagte Victor Luna zu CNN. Sein Sohn Jayden habe das Massaker überlebt.
Die Polizei habe ihren Job gemacht, sagte Luna. Aber sie hätte es schneller tun können. Andere Eltern äußerten sich ähnlich in US-Medien.
Widerstand der Republikaner und der mächtigen Waffenlobby

Das Schulmassaker fachte die Debatte über schärfere Waffengesetze in den USA erneut an. Am Freitag sollte der frühere US-Präsident Donald Trump (75) in Houston (Texas) bei der Jahrestagung der mächtigen Waffenlobby NRA auftreten. Der Republikaner ist vehement gegen eine Verschärfung der Waffengesetze.
Trumps Teilnahme an der Veranstaltung stand bereits seit einiger Zeit fest. Er bestätigte sein Kommen nun noch einmal. "Amerika braucht in diesem Moment echte Lösungen und echte Führung, nicht Politiker und Parteilichkeit", schrieb er vorab auf der von ihm mitbegründeten Social-Media-Plattform Truth Social.
US-Präsident Joe Biden (79) hatte nach dem Blutbad mit deutlichen Worten schärfere Waffengesetze gefordert. Entsprechende Initiativen seiner Demokraten scheitern jedoch regelmäßig am Widerstand der Republikaner und der mächtigen Waffenlobby.
"Das waren Grundschulkinder, sie sollten ihre ersten Zähne verlieren, nicht ihr Leben", sagte Bidens Sprecherin, Karine-Jean Pierre. Sie kündigte an, dass der US-Präsident und First Lady Jill Biden (70) am Sonntag nach Uvalde reisen wollten.
Die Mutter des 18 Jahre alten Amokläufers bat unterdessen um Vergebung. "Ich habe keine Worte, ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat", sagte Adriana Martinéz am Freitag auf Spanisch dem Sender Televisa nach einer Übersetzung des Partnersenders CNN. "Vergeben Sie mir, vergeben Sie meinem Sohn."
Der Amokläufer lebte nach Angaben der Behörden bei seinen Großeltern. Über sein Motiv ist weiterhin nichts bekannt.
19.54 Uhr: Kinder im Raum riefen mehrfach Polizeinotruf
Bei dem Massaker an einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas wurden mehrere Polizeinotrufe aus jenem Klassenraum abgesetzt, in dem sich der Amokläufer mit Kindern und Lehrern verschanzt hatte.
Mehrere Kinder hätten von dort aus die Polizei angerufen, sagte der Direktor der Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas, Steven McCraw, am Freitag in der Kleinstadt Uvalde. Der erste Anruf sei um kurz nach 12 Uhr Ortszeit eingegangen. Etwa 40 Minuten später habe ein Kind bei einem Anruf gebeten, "bitte jetzt die Polizei zu schicken".
Eine Schülerin habe mehrfach den Polizeinotruf gewählt, mit flüsternder Stimme von mehreren Toten berichtet, sagte McCraw. In einem Anruf um 12.16 Uhr Ortszeit habe sie gesagt, acht bis neun Schüler seien noch am Leben.
Update 19.51 Uhr: Behörden: Schütze hat Tat nicht öffentlich auf Facebook angekündigt
Die Behörden im US-Bundesstaat Texas haben nach dem Massaker an einer Grundschule in der Gemeinde Uvalde Angaben über Veröffentlichungen des Schützen auf Facebook korrigiert.
"Ich möchte etwas richtig stellen, was zu Beginn der Ermittlungen gesagt wurde", betonte der Direktor der Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas, Steven McCraw, am Freitag in Uvalde. So habe der 18 Jahre alte Schütze seine Tat nicht kurz vorher öffentlich auf Facebook angekündigt. Stattdessen habe er private Nachrichten über einen Messenger-Dienst abgesetzt.
McCraw berichtete außerdem, dass Angreifer Salvador Ramos bereits vor dem Massaker in Gruppenchats bei Instagram über den Kauf von Waffen sprach und die Tat in dem Netzwerk zumindest andeutete. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, hatte in einer Pressekonferenz am Mittwoch von Postings des Täters nur wenige Minuten vor der Tat auf Facebook gesprochen.
Update 19.32 Uhr: Behörden räumen nach Schulmassaker in Texas Fehler der Polizei ein
Die texanischen Behörden haben nach dem Grundschulmassaker in der Kleinstadt Uvalde mit 21 Todesopfern Fehler der Polizei eingeräumt.
Der Leiter der Behörde für öffentliche Sicherheit des US-Bundesstaates, Steven McCraw, sagte am Freitag, es sei die "falsche Entscheidung" gewesen, das Klassenzimmer, in dem der Schütze sich befand, nicht früher zu stürmen.
"Im Nachhinein war es natürlich nicht die richtige Entscheidung", sagte McCraw. "Es war die falsche Entscheidung, Punkt. Dafür gibt es keine Entschuldigung." McCraw sagte, die Einsatzkräfte seien zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass der Angreifer kein "aktiver Schütze" mehr sei und deswegen keine weiteren Kinder mehr in Gefahr seien.
Titelfoto: Montage: Polizei/ZUMA Press Wire Service/dpa, Salv8dor/Instagram/IG via ZUMA Press Wire/dpa