Tödlicher Amoklauf in Heidelberg: Das wissen wir über den Tatverdächtigen

Heidelberg - Bei einem Amoklauf in einem Hörsaal der Universität Heidelberg hat ein 18 Jahre alter Student der Biowissenschaft eine junge Frau (†23) erschossen und drei weitere Menschen verletzt.

Streifenwagen am Montag an der Universität Heidelberg.
Streifenwagen am Montag an der Universität Heidelberg.  © pr-video/René Priebe

Der Täter sei am Montagmittag mit einer Schrotflinte bei laufender Vorlesung in den Hörsaal gestürmt und habe um sich geschossen, teilte die Polizei mit.

Der deutsche Staatsbürger, der in Mannheim wohnte, habe der jungen Frau in den Kopf geschossen, erfuhr die dpa aus Sicherheitskreisen. Sie erlag ihren schweren Verletzungen wenige Stunden nach der Tat.

Politiker zeigten sich entsetzt über das Verbrechen, Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) sagte in Berlin: "Es zerreißt mir das Herz."

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Nach der Tat sei der 18-Jährige aus dem Uni-Gebäude nach draußen geflohen und habe sich selbst getötet, teilte die Polizei mit.

Kurz vor dem Amoklauf soll er seine Tat angekündigt haben. Er habe eine Whatsapp-Nachricht an "eine Person" geschickt und geschrieben, "dass Leute jetzt bestraft werden müssen", sagte Siegfried Kollmar, Polizeipräsident in Mannheim, am Abend. Das Geschehene sei "an Tragik nicht mehr zu überbieten".

Nach ersten Erkenntnissen soll der Täter keine politischen oder religiösen Motive gehabt haben, hieß es in Sicherheitskreisen. Man gehe eher von einer Beziehungstat oder psychischen Problemen aus.

Die Ermittler machten noch keine Angaben zum Motiv. Dafür sei es noch zu früh, sagte Andreas Herrgen, Leiter der Staatsanwaltschaft Heidelberg.

Wer verkaufte dem Studenten die Waffen?

Polizeibeamte sichern Spuren am Gelände des Botanischen Gartens der Heidelberger Universität.
Polizeibeamte sichern Spuren am Gelände des Botanischen Gartens der Heidelberger Universität.  © Uwe Anspach/dpa

Der mutmaßliche Täter habe zwei Gewehre dabeigehabt, die Tatwaffe sei eine Schrotflinte gewesen.

Die Waffen habe er nach bisherigen Erkenntnissen vor einigen Tagen selbst im Ausland gekauft. Es gebe Kaufbelege. Zu klären sei nun, wer jemandem ohne Waffenschein eine Waffe verkaufe.

Außerdem soll der Mann noch mehr als 100 Schuss Munition im Rucksack gehabt haben. Warum er mit dem Schießen aufgehört habe, wisse man noch nicht, sagte Kollmar. Das sei spekulativ.

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Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine bestimmte Person getroffen werden sollte. Der 18-Jährige hätte noch nachladen können.

Der junge Mann sei bisher nicht polizeilich erfasst. Er habe auch keinen Führerschein gehabt. "Das ist schon sehr außergewöhnlich, diese Sachlage", sagte der Polizeipräsident.

Weil bei der Leiche des jungen Mannes ein Rucksack mit unbekanntem Inhalt gewesen sei, habe die Polizei lange nicht zu dem Toten gekonnt. Es hätte sich um Sprengstoff handeln können, erklärte Kollmar. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg habe daher auch Entschärfer geschickt, die den Rucksack untersuchten.

Schon kurz nach den Schüssen am Mittag hatte die Polizei erklärt: "Wir gehen nicht von weiteren Tätern aus." Zur Sicherheit werde das Gelände aber weiter abgesucht. Ein Spezialeinsatzkommando habe auf dem labyrinthartigen Gelände nach einem möglichen zweiten Täter gesucht. Gegen 15.15 Uhr dann die Entwarnung: Der Mann sei ein Einzeltäter gewesen. "Derzeit ist keine Gefahrenlage mehr gegeben."

Kretschmann verspricht schnelle Aufklärung

Polizeibeamte untersuchen eine Schusswaffe am Gelände der Heidelberger Universität.
Polizeibeamte untersuchen eine Schusswaffe am Gelände der Heidelberger Universität.  © Sebastian Gollnow/dpa

Das Neuenheimer Feld vor den Toren der Heidelberger Altstadt war am Nachmittag weiträumig abgesperrt.

Am Gelände der Universität standen Dutzende Polizei- und Krankenwagen. Vor den Absperrungen standen junge Leute beisammen.

Die Studierendenschaft äußerte sich fassungslos. "Wir sind unendlich schockiert. Das ist eine Katastrophe, die sich allem Denkbaren zwischen Vorlesungen, Klausuren und Unileben entzieht", sagte der Vorsitzende Peter Abelmann.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (73, Grüne) zeigte sich tief betroffen und versprach eine schnelle Aufklärung der Tat. "Meine Gedanken sind bei den Familien und ihren Angehörigen. Wir sind an Ihrer Seite."

Innenminister Thomas Strobl (61, CDU) ergänzte: "Für die Verletzten und die Beteiligten, auch die im Tutorium dabei waren, hoffe ich auf baldige Genesung an Leib und Seele." Es sei eine "entsetzlich belastende Situation".

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (56, Grüne) besuchte noch am Nachmittag den Tatort und zeigte sich erschüttert: "Ich bin entsetzt. Es lässt einen sprachlos zurück, wenn unschuldige junge Menschen im Hochschulbetrieb so etwas erleben müssen."

Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner (60, parteilos) sprach den Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl aus. "Wir waren nicht nur fassungslos, wir können es eigentlich gar nicht glauben, dass so etwas bei uns in Heidelberg passiert."

Die Uni bereitet eine Trauerfeier vor. Genaue Pläne dazu konnte Rektor Bernhard Eitel am Montagabend noch nicht nennen. Die Hochschule überlege zudem, wie die Tat intern aufgearbeitet werden kann.

Den ganzen Tag erreichten ihn Bekundungen von Wissenschaftlern aus ganz Europa, die das Geschehen in Heidelberg verfolgten und Hilfe anböten. Gefühlt handle es sich auch um einen Angriff auf die Offenheit der Hochschulen und die akademische Tradition.

Finanzminister Bayaz: "Mein Herz blutet"

Bundesjustizminister Marco Buschmann (44, FDP) kommentierte den Amoklauf am Nachmittag auf Twitter: "Meine Gedanken sind bei den Opfern und Menschen vor Ort. Danke an die Einsatzkräfte für ihren Dienst."

Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (38, Grüne) zeigte sich auf dem Kurznachrichtendienst "erschüttert und mein Herz blutet". Und weiter: "Ich bin in Gedanken bei den Verletzten und ihren Angehörigen."

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und stellvertretende CDU-Chefin Karin Prien (56) hat sich tief betroffen gezeigt.

"Es ist erschütternd, dass der friedliche Ort des gemeinsamen Lernens zum Ort eines bewaffneten Anschlags wurde", sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin. "Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer, den Studierenden und Lehrenden und Universitäts-Angehörigen der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg."

Heidelbergs OB Eckart Würzner (60, parteilos) schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Der heutige Tag ist ein fürchterlicher für uns alle."

Am Abend wurden alle Verkehrssperrungen rund um das Neuenheimer Feld aufgehoben, wie die Polizei mitteilte: "Lediglich Tatgebäude und Fundort des Täters sind noch zur Spurensicherung abgesperrt."

Weißer Ring bietet Hilfe an

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring hat nach der Bluttat Unterstützung angeboten. "Unsere Hilfsmöglichkeiten richten sich nicht nur an die Verletzten, sondern auch an Angehörige, Helfer und Augenzeugen", sagte der Leiter der örtlichen Außenstelle des Weißen Rings, Silvio Käsler, am Montag laut Mitteilung. "Wir lassen niemanden allein."

Die ausgebildeten ehrenamtlichen Opferhelfer könnten finanzielle Soforthilfen auszahlen oder Kontakt zu Fachärzten und Behörden herstellen. "Wir begleiten die Betroffenen in dieser belastenden Situation und versuchen, ihnen Halt zu geben", so Käsler.

Für Angehörige wurde ein Bürgertelefon (erreichbar unter 0621/174-5055) eingerichtet.

Aktualisiert am 24. Januar, 20.43 Uhr.

Titelfoto: pr-video/René Priebe

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