Zweifel nach Messer-Attacke in ICE: Ist der Tatverdächtige doch nicht schuldunfähig?
Tübingen/Nürnberg - Vor einer Woche soll Abdalrahman A. (27) in einem ICE von Passau nach Hamburg auf mehrere Menschen eingestochen haben. Anschließend hieß es, der Syrer sei schuldunfähig. Vermutet wurde eine paranoide Schizophrenie. Ein Tübinger Gerichtspsychiater hat daran Zweifel.

Vor seiner Festnahme soll der 27-Jährige (kam 2014 nach Deutschland) gerufen haben: "Ich bin krank, ich brauche Hilfe!"
Das sorgt bei Gerichtspsychiater Peter Winckler (61) für Stirnrunzeln. "Zu den eindrücklichsten Eigenheiten akuter schizophrener Krankheitsbilder gehört, dass der Patient objektiv völlig bizarre und realitätsferne Dinge äußert, zugleich aber felsenfest von diesen überzeugt ist", sagte er im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).
Und: "Er ist eben nicht in der Lage, den Wahnsinn, den er produziert, als Krankheitssymptomatik einzustufen."
Der Experte im NZZ-Gespräch weiter: "Wenn der Tatverdächtige den Polizeibeamten vor der Festnahme zuruft, er sei krank, dann passt das nicht in das charakteristische Bild einer akuten Schizophrenie."
Winckler: "Diese Äußerung macht mich schon sehr stutzig"

In der Regel seien diese Patienten laut Winckler vollkommen krankheitsuneinsichtig.
"Als Psychiater sage ich zwar: Never say never. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Aber diese Äußerung des Tatverdächtigen bei der Festnahme macht mich schon sehr stutzig", so der 61-Jährige.
Wie berichtet, soll A. im ICE 928 urplötzlich auf vier Männer im Alter zwischen 26 und 60 Jahren eingestochen haben. Ein Gutachter ging davon aus, dass er unter einer paranoiden Schizophrenie leidet, Wahnvorstellungen hat.
Somit wäre er bei der Attacke nicht schuldfähig gewesen. Islamistische oder terroristische Motive seien laut Ermittlern nicht zu erkennen.
Der 27-Jährige wohnte in einem Studentenwohnheim - obwohl er selbst nicht studiert. Zuletzt waren sowohl seine als auch die Wohnungen von Freunden des mutmaßlichen Messer-Angreifers durchsucht worden.
Titelfoto: Montage: Fabian Schreiner/dpa, Lena Müssigmann/dpa