Juden diffarmiert! Antisemitismus-Skandal auf documenta fifteen

Kassel - Seit Jahresbeginn lösen Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fifteen immer wieder Debatten aus. Nur wenige Tage nach der Eröffnung der Kasseler Weltkunstausstellung sorgt nun ein Werk eines indonesischen Künstlerkollektivs für einen Eklat.

Antisemitismus-Eklat bei der documenta fifteen: Das Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi zeigt unter anderem einen Soldaten mit Schweinsgesicht. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift "Mossad", der Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes.
Antisemitismus-Eklat bei der documenta fifteen: Das Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi zeigt unter anderem einen Soldaten mit Schweinsgesicht. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift "Mossad", der Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes.  © Uwe Zucchi/dpa

Kurz nach der Eröffnung der documenta fifteen fachen neue Vorwürfe die seit Monaten schwelende Antisemitismus-Debatte um die Schau weiter an. Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, forderte die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung in Kassel auf, einen Beitrag des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wegen antisemitischer Motive zu entfernen.

Auf dem großflächigen Banner am Friedrichsplatz ist unter anderem ein Soldat mit Schweinsgesicht zu sehen. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift "Mossad". Das ist die Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes.

"Das ist eine klare Grenzüberschreitung", sagte Mendel am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Bilder lassen überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Das ist klare antisemitische Hetze."

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Das Werk müsse umgehend abgedeckt oder bestenfalls entfernt werden, forderte er. Im zweiten Schritt brauche es einen Dialog darüber, was schiefgelaufen sei und wo die blinden Flecken dieser documenta seien.

Claudia Roth findet deutliche Worte zum Antisemitismus-Eklat der documenta fifteen

Auf einem der Ausschnitte des umstrittenen Großgemäldes wird die antisemitische Darstellung des Juden als das Böse sehr deutlich.
Auf einem der Ausschnitte des umstrittenen Großgemäldes wird die antisemitische Darstellung des Juden als das Böse sehr deutlich.  © Uwe Zucchi/dpa

Bislang hatte sich Mendel in der Debatte hinter die documenta gestellt. Er sagte, er sehe dort keinen Antisemitismus, kritisierte aber die fehlenden Positionen von jüdischen Künstlern aus Israel. Mendel betonte am Montag, nicht die gesamte Ausstellung sei als antisemitisch zu bezeichnen.

"Man muss da differenzieren. Da ist sicher etwas schiefgelaufen. Aber so etwas sollte nicht passieren." Die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, läge nun bei den Kuratoren und der Leitung der documenta fifteen.

Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth fand deutliche Worte: "Das ist aus meiner Sicht antisemitische Bildsprache", teilte die Grünen-Politikerin mit. "Ich sage es noch einmal: die Menschenwürde, der Schutz gegen Antisemitismus, wie auch gegen Rassismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit sind die Grundlagen unseren Zusammenlebens, und hier findet auch die Kunstfreiheit ihre Grenzen."

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Die documenta müsse das umgehend gegenüber den Kuratoren und Künstlern deutlich machen und "die notwendigen Konsequenzen" ziehen.

Hessens Kulturministerin Angela Dorn kontaktierte bereits Generaldirektorin der documenta

Auf dem riesigen Banner sind mehrere antisemitische Motive zu sehen. Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa war bereits zum Jahresbeginn von einem Kasseler Bündnis vorgeworfen worden, auch Organisationen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.
Auf dem riesigen Banner sind mehrere antisemitische Motive zu sehen. Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa war bereits zum Jahresbeginn von einem Kasseler Bündnis vorgeworfen worden, auch Organisationen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.  © Uwe Zucchi/dpa

"Auch mein persönlicher Eindruck ist, dass hier eine antisemitische Bildsprache vorliegt", teilte die stellvertretende documenta-Aufsichtsratsvorsitzende, Hessens Kunstministerin Angela Dorn, mit. Sie habe deshalb umgehend Kontakt zur Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, aufgenommen mit dem Ziel, schnellstmöglich eine Klärung herbeizuführen - gegebenenfalls auch unter Hinzuziehung von Expertinnen und Experten für Antisemitismus aus der Wissenschaft.

Dorn zufolge ist Schormann bereits tätig geworden. Sie rechne damit, "dass wir uns zeitnah als Gesellschafter der documenta gGmbH in einer Sondersitzung mit den Ergebnissen befassen werden", erklärte die Ministerin. "Ich habe immer gesagt, dass antisemitische Ressentiments und Antisemitismus auf der documenta nicht zum Ausdruck kommen dürfen." Das hätten auch die documenta und Ruangrupa selbst immer wieder betont.

Als "eindeutig antisemitisch" bezeichnete der Antisemitismusbeauftragte der hessischen Landesregierung, Uwe Becker, die Bildsprache des umstrittenen Beitrages. "Dieses Werk muss weg, und es ist Aufgabe der documenta, sich nun mit Entschlossenheit der eigenen Verantwortung zu stellen", teilte er mit.

Zentralrat der Juden zeigt sich empört über antisemitische Darstellungen

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich am Montag empört. Der Rat sei für seine Bedenken gegenüber der diesjährigen documenta von vielen Seiten kritisiert worden. Sogar Rassismus sei ihm indirekt vorgeworfen worden. "Es spielt jedoch keine Rolle, woher Künstler stammen, die Antisemitismus verbreiten", betonte Schuster. Kunstfreiheit ende dort, wo Menschenfeindlichkeit beginne. "Auf der documenta wurde diese rote Linie überschritten." Die Verantwortlichen müssten jetzt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und Konsequenzen ziehen, forderte er.

Die documenta, seit 1955 in Kassel, gilt neben der Biennale in Venedig als weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Sie wird nur alle fünf Jahre veranstaltet. Die Schau dauert bis zum 25. September.

Titelfoto: Montage: Uwe Zucchi/dpa

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