Einzigartig! Diese unterirdische Parallelwelt liegt direkt beim Kölner Dom
Köln – Nur wenige Schritte vom Dom entfernt bauen die Kölner unter der Erde schon jahrelang an einem Museum, das es so kein zweites Mal in der Welt gibt.

In Anlehnung an die Mikwe, dem rituellen Tauchbad der mittelalterlichen Judengemeinde von Köln, nennen sie es MiQua.
Wenn es irgendwann fertig sein sollte - wann das der Fall sein wird, weiß noch kein Mensch - wird es einen 600 Meter langen Rundgang umfassen, der von den Ruinen des römischen Statthalterpalastes für Niedergermanien - Teil des Unesco-Weltkulturerbes - durch das mittelalterliche Judenviertel führen wird.
Denn all das haben Archäologen unter der Erde freigelegt. Es hat einen hohen Indiana-Jones-Gehalt, nur mit dem Unterschied, dass hier alles echt ist.
Hinter hohen Bauzäunen führt eine wacklige Leiter hinunter in die lang versunkene Parallelwelt.
"Diese Grabung hier umfasst 2000 Jahre Geschichte, das hat man sonst nirgendwo", sagt der englische Archäologe Gary White (66). "Ich sehe das als Belohnung für mein ganzes Archäologenleben."

Archäologen bringen mehrere Hunderttausend Gegenstände zutage

Im Laufe ihrer 2000-jährigen Geschichte ist die westlichste deutsche Metropole immer wieder abgerissen oder zerstört und dann neu gebaut worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg ragten aus den Bombenkratern plötzlich die Ruinen des Praetoriums, des Statthalterpalastes, hervor. Er wird nun in das entstehende Museum integriert.
Vor wenigen Tagen ist der Durchbruch zu dem erst in diesem Jahrhundert wiederentdeckten Judenviertel aus dem Mittelalter vollzogen worden. Römische und mittelalterliche Mauern sind hier unten kreuz und quer über- und durcheinander gebaut.
Insgesamt haben die Archäologen mehrere Hunderttausend Gegenstände zutage gefördert, darunter einen halbmondförmigen, edelsteinbesetzten Goldohrring aus dem 11. Jahrhundert und eine Tafel mit der Aufschrift "yt in ys neyt anders". Man könnte das übersetzen mit: "Et is wie et is" (Es ist, wie's ist) - die klassische Kölsche Spruchweisheit.
Forscher finden "Pogromschutt" im Kölner Erdreich

Doch da sind auch die anderen Funde wie etwa die Fragmente eines eisernen Kettenhemds, das in einem Feuer geschmolzen ist. "Das heißt: Temperaturen von über 1100 Grad", erklärt White. Sie entstanden in der Nacht zum 24. August 1349, als das jüdische Leben in Köln, der damals größten Stadt auf deutschem Boden, ein jähes Ende fand.
In diesem Jahr war die Pest über die Alpen gekommen und langsam aus dem Süden auf Köln zugekrochen. Mit ihr verbreitete sich das Gerücht, die Juden hätten die Seuche durch Brunnenvergiftung herbeigeführt.
In der fatalen Nacht stürmte der Pöbel über die Mauer hinweg, die den Lebensraum der Juden begrenzte, brannte die Häuser ab, erschlug Männer, Frauen und Kinder. "Pogromschutt" nennt Gary White die Überreste dieser Mordnacht. "Das ist der wichtigste Fund überhaupt."
Dazu gehören auch beschriebene Schiefertafeln aus der Synagogenschule, Einkaufslisten, Bilder, Graffiti und ähnliches.
Titelfoto: Montage: Oliver Berg/dpa