Erster Muezzinruf in Köln: Mitglieder positiv gestimmt, Demonstrierende vor der Moschee
Köln - An der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib in Köln hat am Freitag (13.24 Uhr) erstmals ein Muezzin über zwei Lautsprecher zum Gebet gerufen.
Der Ruf dauerte weniger als fünf Minuten und war nur in unmittelbarer Nähe der Moschee zu hören. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hörte man nichts mehr. Bei den Anwohnern darf er nur mit einer Lautstärke von 60 Dezibel ankommen.
Einige Menschen demonstrierten gegenüber der Moschee mit Sprechchören und Transparenten gegen den Muezzin-Ruf und die Unterdrückung von Frauen im Iran. Eines ihrer Transparente trug die Aufschrift: "Kein Muezzin-Ruf in Köln! Der öffentliche Raum sollte weltanschaulich neutral sein."
Ermöglicht hatte den Ruf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (65, parteilos). Die parteilose Politikerin ist der Ansicht, dass der Ruf den Muslimen aufgrund der im Grundgesetz verbrieften Freiheit der Religionsausübung nicht verweigert werden kann.
Abdurrahman Atasoy, stellvertretender Vorsitzender im Ditib-Bundesverband, sagte, man sei "sehr glücklich" über den mit der Stadt Köln geschlossenen Vertrag.
Kritik am Gebetsruf in Köln
"Der öffentliche Gebetsruf ist ein Zeichen für die Beheimatung der Muslime", sagte er. Aus "unsichtbaren und usseligen Hinterhofmoscheen" hätten sie es nun in die Mitte der Gesellschaft geschafft. Vorläufig handelt es sich um ein auf zwei Jahre befristetes Pilotprojekt.
In der vergangenen Woche gab es jedoch auch kritische Stimmen. Der Berliner Islamismus-Experte Ahmad Mansour etwa bezeichnete den Muezzinruf als "Machtdemonstration des politischen Islam".
Die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, befürchtet, dass der öffentliche Muezzinruf an der Ditib-Moschee in Köln von "islamistischen Hardlinern" als "Punktsieg" verstanden werden könnte.
Das katholische Hilfswerk Missio teilte mit, man sehe den Muezzin-Ruf als "Zeichen von Normalität in einer offenen Gesellschaft". Daraus erwachse für die Ditib allerdings auch die Verantwortung, sich in der Türkei für die Religionsfreiheit von Christinnen und Christen einzusetzen.
Diese fühlten sich im Alltag oft als Bürger zweiter Klasse.
Originalmeldung: 14. Oktober 2022, 6.18 Uhr, zuletzt aktualisiert: 14. Oktober 2022, 14 Uhr
Titelfoto: Oliver Berg/dpa