Nach mehr als 50 Jahren! Tourist bringt kopflosem Jesus sein Haupt zurück

Leipzig - Seit der Sprengung der Leipziger Universitätskirche St. Pauli im Mai 1968 war er kopflos - der Jesus Christus vom Epitaph für den Theologen Hieronymus Kromayer. Jetzt bekam die 1683 geschaffene Alabaster-Figur ihr Haupt zurück. Dank eines aufmerksamen Touristen aus dem hohen Norden.

Jan-Pieter Hecht übergibt den Christus-Kopf an Kustos Dr. Rudolf Hiller von Gaertingen.
Jan-Pieter Hecht übergibt den Christus-Kopf an Kustos Dr. Rudolf Hiller von Gaertingen.  © Universität Leipzig/Kustodie

Die Geschichte liest sich wie ein historischer Roman mit Happy End.

Im Herbst 2018 besichtigte der pensionierte Arzt Jan-Pieter Hecht (73) aus Flensburg das neue Paulinum, das ein knappes Jahr zuvor eröffnete worden war. Das imposante Gebäude, das Universitätskirche und Aula vereint, entstand genau dort, wo knapp 50 Jahre zuvor die alte Paulinerkirche in Schutt und Asche zerfiel.

Vor einem Epitaph, das vor der Sprengung aus dem Gotteshaus gerettet werden konnte, blieb der Tourist stehen und kam ins Grübeln. Denn dessen kopflose Jesus-Figur hatte vom künstlerischen Stil her starke Ähnlichkeit zu jenem Alabaster-Kopf, den er im Sommer 1968 als junger Medizin-Student in einem Laden des staatlichen Kunsthandels der DDR erwarb.

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Dr. Hecht teilte seinen Verdacht der Aufsicht im Paulinum mit, was kurz darauf in der Uni-Kustodie Euphorie entfachte.

Und tatsächlich: Kopf und Figur des auferstehenden Christus passten zusammen. Der Mediziner, der die DDR 1984 verlassen und das Andenken an Leipzig jahrzehntelang aufbewahrt hatte, gab der Kustodie den "verlorenen" Kopf zurück. "Es ist wirklich wunderbar, dass dieses für die Wirkung des Epitaphs zentrale Element nun an die Universität Leipzig zurückkehrt", freute sich Kustos Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen (61).

Steinrestaurator Thomas Schubert (r.) und Kustodie-Mitarbeiter Nico Hempel bei der Montage des Christus-Kopfes.
Steinrestaurator Thomas Schubert (r.) und Kustodie-Mitarbeiter Nico Hempel bei der Montage des Christus-Kopfes.  © Universität Leipzig/Marion Wenzel

Das Wunder vom Paulinum

Nachdem das wertvolle Fragment zunächst im Paulinum in einer Vitrine zur Schau gestellt wurde, bekam der Leipziger Jesus nach 54 Jahren nun seinen Kopf zurück. Ein Restaurator montierte ihn passgenau auf den Korpus, wo er sich nun harmonisch in das Kunstwerk einfügt.

Allerdings ist es noch immer nicht komplett. Laut Hiller von Gaertringen fehlen noch an vier anderen Figuren die Köpfe, zudem einige Finger und Arme.

Der Kustos hofft nun auf weitere solch schöner Zufälle - wie die Rückkehr des verschwundenen Jesus-Kopfes.

Eines der schlimmsten Verbrechen der SED

Am 30. Mai 1968 wurde die Paulinerkirche in Leipzig gesprengt, um einer Neubebauung Platz zu machen.
Am 30. Mai 1968 wurde die Paulinerkirche in Leipzig gesprengt, um einer Neubebauung Platz zu machen.  © imago/epd

Es war ein Akt kommunistischer Kulturbarbarei: die Sprengung der Leipziger Universitätskirche St. Pauli. Mit dem Ausspruch "Das Ding muss weg" besiegelte DDR-Staats-Chef Walter Ulbricht (1893-1973) das Schicksal der 1240 geweihten Klosterkirche.

Am Vormittag des 30. Mai 1968 wurde der dreischiffige Sakralbau, der den Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges unbeschadet überstanden hatte, gesprengt. Ein Gotteshaus am Augustusplatz hatte nicht ins Bild der SED-Planer für ein modernes Stadtzentrum gepasst.

Die Paulinerkirche war zuvor 450 Jahre lang das geistig-geistliches Zentrum der Universität gewesen. Sie diente als Aula, Begräbnisstätte für Professoren und Domizil akademischer Feierlichkeiten. Luther predigte in dem Gotteshaus, Johann Sebastian Bach spielte als Universitätsmusikdirektor Orgel und für Felix Mendelssohn Bartholdy gab es 1847 in St. Pauli die Trauerfeier.

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Kurz vor der Sprengung konnten Denkmalpfleger und Steinmetze noch Grab- und Schmuckelemente bergen.

Zu den geretteten Kunstschätzen zählte auch das Epitaph für den Theologen Hieronymus Kromayer.

Titelfoto: Universität Leipzig/Kustodie

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