Sie hatte ein offenes Ohr für Menschen am Airport: Leipzigs Flughafen-Seelsorgerin hört auf
Leipzig - Trost, ein Glas Wasser, mal ein Plüschtier für Kinder und vor allem Zuhören: Seit elf Jahren ist Ines Schmidt (64) am Airport Leipzig/Halle Flughafenseelsorgerin. Nun geht die Pfarrerin in den Ruhestand. Um Abstand von belastenden Dingen zu bekommen, hat sie eine ungewöhnliche Methode.

Ein ganzer Sack voll Plüschtiere steht im kleinen, unscheinbaren Büro von Ines Schmidt. "Das sind Spenden von Freunden und Bekannten, die mir meine Arbeit manchmal etwas erleichtern", sagt die 64-Jährige, seit elf Jahren Flughafenseelsorgerin am Airport Leipzig/Halle.
Eine besondere, hochinteressante Arbeit an Menschen, die Hilfe benötigten, betont die Pfarrerin im Ruhestand. Sie sei grundsätzlich für die Flughafenmitarbeiter da, wenn Gesprächsbedarf bestehe. Es gibt aber auch dramatische und belastende Einsätze.
"Im Urlaub sterben mehr Menschen, als man so denkt. Alleine hier am Flughafen kommt dieser Fall so fünf- bis sechsmal im Jahr vor", sagt Schmidt. Insbesondere in Erinnerung ist ihr ein Fall von einem Vater, der mit seiner Tochter in Bulgarien im Urlaub war. Das Mädchen ertrank in einem Hotelpool.
"Ich habe mich um den Vater gekümmert, als er bei seiner Rückkehr hier aus dem Flugzeug gestiegen ist." Dabei sei es weniger um Trost oder Gefühle gegangen. "Die Betroffenen reagieren zumeist auf sachliche Ansagen: Was passiert als Nächstes, welche Telefonate müssen geführt werden? Oft hilft auch schon ein Glas Wasser."
Hilfe für Soldaten, Polizisten, Kinder und Ortskräfte

In diesen Momenten versuche sie, die ersten Stunden für die Betroffenen zu erleichtern, erläutert Schmidt.
Mitarbeiter des Flughafens kümmern sich um die Koffer und sorgen für eine raschere Sicherheitskontrolle. Mitunter steht ein Sanitäter bereit und es wird bei Anrufen mit Angehörigen geholfen. Sie habe aber auch mal eine kleine Trauerfeier für einen an einem Herzinfarkt gestorbenen Flughafen-Feuerwehrmann gemacht.
Zudem stand Schmidt vor Jahren für amerikanische Soldaten bereit, die aus Kriegsgebieten in Leipzig zwischengelandet waren. "Die meisten haben sich die erlebten Grauen aber nicht anmerken lassen und versucht, nach außen stark zu sein. Meine Angebote für Gespräche und Andachten wurden nur im geringen Maße angenommen."
Nach Angaben der Ökumenischen Konferenz Flughafenseelsorge verfügen in Deutschland, Österreich und der Schweiz elf Flughäfen über eine Flughafenseelsorge mit Andachtsräumen.
Dabei gehe es um die gesamte Bandbreite des menschlichen Lebens: Zuhören, das Auffangen von Ängsten, die Bandbreite seelischer Belastungen vor oder nach Reisen, Aushalten, die Überbringung einer schweren Nachricht, Vermitteln und Segnen.
Mit Udo Lindenberg gegen die Belastung

Auch bei Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern ist die Seelsorgerin dabei. In erster Linie aber für die Bundespolizisten, wie Schmidt betont. "Sie sollen auch die Möglichkeit haben, ihren Empfindlichkeiten in den Konfliktsituationen Ausdruck zu verleihen."
Wenn aber Kinder dabei sind oder afghanische Ortskräfte mit ihren Familien in Leipzig landen, zieht sie sich mit den Kleinsten in eine Spielecke zurück und verteilt Plüschtiere. "So an die 3000 Kuscheltierchen habe ich bereits verteilt."
Solche Einsätze belasten mitunter auch die Seelsorgerin. Wenn ihr etwas zu sehr nahegeht, hat Schmidt eine ungewöhnliche Methode, Abstand zu finden. "Ich setze mich ins Auto und drehe eine CD von Udo Lindenberg (76, Anm. d. Red.) voll auf."
Kaum ein Konzert habe sie verpasst und besonders gefalle ihr der Song "Ich mach mein Ding". Sie habe in den vergangenen elf Jahren auch immer das gemacht, was sie für richtig gehalten habe.
Nun gibt sie ihr Amt an die Pfarrerin Maria Bartels weiter. Sie sehe der Aufgabe gelassen und gespannt entgegen, sagt die 55-Jährige. "Ich will als Vertreterin der Kirche präsent sein. Fürsorge hört aber nicht an den Kirchengrenzen auf."
Bartels hat eine Ausbildung als Seelsorgerin und jahrelange Erfahrung unter anderem in Krankenhäusern. Es gehe ums Zuhören, Aushalten und darum, einfach da zu sein. Zugleich ist sie Pfarrerin in der Sophienkirchgemeinde Leipzig.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa