Karlsruhe kurz vor Urteil: Was darf Bayerns Verfassungsschutz?

München - Gegen einigen Widerstand setzte Innenminister Joachim Herrmann (65, CSU) im Jahr 2016 eine Reform des Verfassungsschutzgesetzes durch. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Neuerungen genau unter die Lupe genommen. Die Kläger hoffen, dass die Richter nicht nur den bayerischen Dienst in die Schranken weisen.

Was darf der Verfassungsschutz Bayerns? (Symbolbild)
Was darf der Verfassungsschutz Bayerns? (Symbolbild)  © Angelika Warmuth/dpa

Am Beispiel Bayerns lotet das Gericht in einem großen Verfahren aus, was Verfassungsschützer dürfen und was zu weit geht - am Dienstag (26. April) wird nun in Karlsruhe das Urteil verkündet.

Bayerns Innenminister Herrmann hatte das Verfassungsschutzgesetz des Freistaats vor sechs Jahren grundlegend überarbeiten lassen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Klage koordiniert hat, sieht etliche Grundrechte verletzt - das soll nicht bundesweit Schule machen.

Die Verfassungsbeschwerde bezieht sich auf einen ganzen Strauß an betroffenen Regelungen, unter anderem zur Online-Durchsuchung, zum Einsatz von sogenannten V-Leuten, zur Überwachung von Wohnungen und zu längerfristigen Observationen.

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Richterin Gabriele Britz (53), die im Ersten Senat für das Verfahren als Berichterstatterin zuständig ist, hatte in der Verhandlung im Dezember gesagt, bisher seien nachrichtendienstliche Befugnisse nie in einer solchen Breite angegriffen worden.

Dabei geht es im Einzelnen meist nicht darum, ob das Instrument überhaupt eingesetzt werden darf, sondern unter welchen Bedingungen dieser Einsatz gerechtfertigt ist. Wie groß muss die mögliche Bedrohung sein? Muss vorher ein Richter seine Genehmigung erteilen? Gibt es eine unabhängige Kontrolle? Und was passiert mit den Daten?

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann verteidigt Reform des Verfassungsschutzgesetzes

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (65, CSU) hat unter anderem die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) angeführt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (65, CSU) hat unter anderem die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) angeführt.  © Angelika Warmuth/dpa

In der Verhandlung hatten die Richterinnen und Richter viele Punkte sehr kritisch hinterfragt.

Minister Herrmann hatte die Reform, die der Landtag damals allein mit CSU-Stimmen beschlossen hatte, verteidigt. Bayern habe damit auch auf mehrere Urteile aus Karlsruhe reagiert. Nach der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) habe Einigkeit bestanden, dass der Austausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei entsprechend verbessert werden müsse.

Die GFF hingegen sieht ein grundlegendes Problem darin, dass hierdurch zunehmend die Grenzen verwischen. Ihr Vorsitzender Ulf Buermeyer (46) kritisierte, die Hürden für den Austausch von Informationen seien kontinuierlich gesenkt worden.

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Dabei gilt das sogenannte Trennungsprinzip: Die Geheimdienste wissen viel, dürfen aber nicht eingreifen - dafür ist die Polizei zuständig, die nicht alles weiß.

Die GFF hofft auf ein Grundsatzurteil mit Auswirkungen auf die Verfassungsschutzbefugnisse. In anderen Landesgesetzen und im Bundesgesetz seien die Voraussetzungen für den Einsatz von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern sowie für längere Observationen vergleichbar niedrig. Auch die Regelungen zur Datenübermittlung seien ähnlich weit gefasst wie in Bayern. Verfassungsbeschwerde erheben kann nur, wer "selbst, gegenwärtig und unmittelbar" in eigenen Rechten betroffen ist.

Als Kläger hat die GFF deshalb drei Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) gewonnen, die im bayerischen Verfassungsschutzbericht als "linksextremistisch beeinflusste Organisation" erwähnt wurde. Gegen die umstrittenen Gesetzesänderungen hatte 2017 auch die Landtagsfraktion der Grünen Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht.

Die Entscheidung steht noch aus. Seit 2016 hat es noch einige Änderungen an dem Gesetz gegeben.

Titelfoto: Angelika Warmuth/dpa

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