Volksfeste in Corona-Zeiten: Harmloser Spaß oder Superspreader-Event?

München/Straubing - Zwei Jahre ohne Volksfeste, zwei Jahre ohne Achterbahn, Schießbuden und Bierzeltvergnügen. Im dritten Corona-Jahr geht es nun lockerer zu: Es darf wieder gefeiert und geschunkelt werden.

Ein Mann arbeitet auf dem Gelände des Gäubodenvolksfestes in Straubing in einem Bierzelt.
Ein Mann arbeitet auf dem Gelände des Gäubodenvolksfestes in Straubing in einem Bierzelt.  © Armin Weigel/dpa

Die Corona-Inzidenzen steigen im Freistaat indessen an. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Volksfesten und der aktuellen Ausbreitung des Virus?

Kommunen und Kliniken blicken mit einer gewissen Sorge auf die kommenden Wochen. In München und Straubing beispielsweise ist der Aufbau von Oktoberfest und Gäubodenvolksfest in vollem Gange.

"Die gesellschaftliche Stimmung ist für die Ausrichtung von Volksfesten", sagt Achim Sing, Sprecher des Bayerischen Städtetages.

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Das sei die Erwartung der Bürger, aber auch der Festwirte und der Schausteller, die lange kein Geschäft hätten machen können. "Das gilt es zu respektieren." Aber natürlich ist die Sorge da, dass Volksfeste zu Spreaderevents würden.

In der mittelfränkischen Stadt und dem Landkreis Erlangen-Höchstadt war die Inzidenz im Verlauf und noch gut eine Woche nach der Bergkirchweih im Juni steil gestiegen. Das geht aus Zahlen des Robert Koch-Instituts hervor. Neun Tage nach dem Ende des Festes hatte sich der Wert in der Stadt mehr als verzehnfacht, im Landkreis etwa verdreifacht.

Ob es einen Zusammenhang gibt, lässt sich nicht sicher sagen. Aber: "Der Verdacht liegt nahe", sagt Sing. Auch in Wunsiedel im Fichtelgebirge stieg die Inzidenz kürzlich stark an - über Volksfeste als Ursache wurde auch dort spekuliert.

Gesundheitsministerium vorsichtig, Politik appelliert an Eigenverantwortung

Bierzelte stehen auf dem Gelände des Gäubodenvolksfestes. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Bierzelte stehen auf dem Gelände des Gäubodenvolksfestes. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.  © Armin Weigel/dpa

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es unter Verweis auf das Landesamt für Gesundheit (LGL), dass weiterhin "von einem diffusen pandemischen Geschehen auszugehen ist".

Gelegentlich würden regional und zeitlich begrenzte Häufungen beobachtet. Auch wenn die Erfahrung zeige, dass Großereignisse nicht zwangsläufig ein verstärktes Infektionsgeschehen nach sich ziehen, bestehe bei jeder größeren Menschenansammlung grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für die Übertragung ansteckender Infektionserkrankungen, vor allem in geschlossenen Räumen.

Die Politik appelliert an die Eigenverantwortung der Bürger. Für Beschränkungen hätten die Kommunen keine rechtliche Handhabe, sagt Sing vom Städtetag. Das Ministerium ruft die Bürger angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen auch zu freiwilligen Vorsichtsmaßnahmen und zu Eigenverantwortung auf, insbesondere in Regionen, in denen die Infektionszahlen aktuell hoch sind.

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"Die bewährten Hygieneregeln sind und bleiben wichtig: Abstand halten, Hygiene beachten, regelmäßig lüften, Maske tragen, wo viele Menschen auf engem Raum oder in Innenräumen zusammenkommen, die Corona-Warn-App benutzen - das sind alles Dinge, die jeder ohne großen Aufwand tun kann. Jeder sollte die eigene Verantwortung für sich und seine Mitmenschen ernst nehmen", so ein Sprecher.

Angst vor Überlastung in Kliniken

Während die Bierzelte im Land wieder errichtet werden, sorgen sich die Kliniken vor Überlastung.
Während die Bierzelte im Land wieder errichtet werden, sorgen sich die Kliniken vor Überlastung.  © Armin Weigel/dpa

In München hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (63, SPD) Ende April für die Wiesn 2022 grünes Licht gegeben - nicht ohne zuvor mehrfach mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu beraten.

Vom 17. September bis 3. Oktober soll also wie eh und je in Zelten mit Tausenden Gästen gefeiert werden. Reiter hätte lieber eine Wiesn mit 3G-Regel gesehen, also für Geimpfte, Genesene oder Getestete, und noch lieber mit 1G ausschließlich frisch Getestete.

Aber das sei nach den Vorgaben von Bund und Land rechtlich nicht möglich, sagte er im April. Es könne nur eine "Wiesn ganz oder gar nicht" geben. Das aktuelle Bundes-Infektionsschutzgesetz gilt bis 23. September, was dann kommt, ist offen.

Der Landkreis Bamberg will sich aus Sorge vor überlasteten Kliniken wappnen: Innerhalb der letzten vier Wochen hätten sich die Corona-Ausfälle bei pflegendem Personal auf mehr als zehn Prozent und bei Ärzten auf fünf Prozent in etwa verdoppelt, heißt es in einer Mitteilung.

Verschärft werde die Lage durch Patienten, die aus überlasteten Kliniken im Ballungsraum Nürnberg in ländliche Regionen verlegt werden.

Titelfoto: Armin Weigel/dpa

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