Darum singen Amseln jetzt nachts

Von Mandy Schneider
Chemnitz - Vogelkonzert kurz nach Mitternacht: Die Amseln der Chemnitzer Innenstadt flöten zu Unzeiten - als hätten sie zu Nachtigallen umgeschult. Ornithologen geben Licht und Lärm die Schuld an dem seltsamen Verhalten der Tiere.
„Das Phänomen tritt vor allem rund um angestrahlte Gebäude auf. Der Lichtsmog lässt die Tiere glauben, dass es schon dämmert“, so Ornitologe Mario Greif (56) vom Naturschutzbund. „Die Männchen versuchen mit dem Gesang ihr Revier abzugrenzen. Das nächtliche Singen führt zu Schlafmangel und schlechterer Fitness der Tiere.“
Eine Untersuchung des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung ergab, dass Amseln im hellen Stadtzentrum bis zu fünf Stunden früher mit ihrem Gesang beginnen als ihre Artgenossen im unbeleuchteten Wald.
Der Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ untersuchte die Auswirkungen von künstlicher Dauerbeleuchtung.
Umweltaktivist Alexander Kühn (30), der an dem Projekt mitarbeitete, stellte Ergebnisse der Studie im Umweltzentrum vor: „Zugvögel verlieren durch künstliches Licht die Orientierung. Stadt-Vögel sind durch Dauerlicht gestresst. Fische unterbrechen an beleuchteten Brücken ihre Wanderung zu den Laichgebieten.“
Neben Licht hat auch Lärm immense Folgen für das Vogelgezwitscher. Ornithologe Greif: „Am Schlossteich singen die Vögel viel lauter als beispielsweise am Küchwald.“
Forscher haben beim Gesang von Stadt-Amseln schon Werte bis zu 90 Dezibel gemessen - das ist so laut wie ein Presslufthammer.

Fotos: Peter Zschage (1), Heinz Patzig (1)
Titelfoto: Import