Sachsen will diesen Ingenieur abschieben, aber warum?
Plauen - Was für ein Widerspruch: Sachsen sucht händeringend nach Fachkräften - und schiebt Bauingenieur Xhevdet Ibrahimi (46) ab. Seinem Chef, dem Bauunternehmer Siegfried Pletz (65) aus Plauen, fällt dazu nichts mehr ein: "Wir haben für ihn keinen Ersatz!" Auf dem Bau ist der Kosovo-Albaner einer seiner besten Männer.

Eines Tages klopfte Xhevdet Ibrahimi mit seinem Einsnuller-Diplom an die Tür der Fassaden-Pletz GmbH. Die älteste Tochter (20) begleitete ihn. Sie übersetzte. Und sie kämpfte wie eine Löwin für ihren Vater, einen 1,90-Meter-Hünen, der sich vor seiner Größe eher versteckt. "Mein Papa traut sich nix, aber er kann was", sagte sie. Und: "Probieren Sie ihn aus und Sie werden sehen."
Geschäftsführer Siegfried Pletz hörte auf sein Bauchgefühl. Er stellte ihn ein - und spricht heute von einem "Glücksgriff". Alles passte. "Den kann ich überall hinschicken, auch auf Montage."
Die Kollegen halfen "Xhavi" sogar nach Feierabend beim Umzug. Senior-Chef Pletz sieht den intelligenten Kopf mit der zurückhaltenden Art langfristig sogar in leitenden Funktionen. Das zumindest schrieb er an die Härtefallkommission. Deren Kopf Geert Mackenroth (68, MdL) wirbt derzeit für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte.
Das humanitäre Gremium war die letzte Hoffnung für Xhevdet Ibrahimi, seine Frau (40) und die vier Töchter (3, 13, 18, 20), nachdem ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Die sechsköpfige Familie kam im Frühjahr 2015 mit der Flüchtlingswelle nach Deutschland. Hier fühlte sich Mutter Ibrahimi mit ihren vier Mädchen sicher. Sie möchte gar nicht mehr darüber reden, was mit Frauen im Krieg passiert.

Doch die Stimmen der Härtefallkommission reichten nicht für die Zwei-Drittel-Mehrheit.
Nur fünf der Vertreter aus Kirche, Innenministerium und Landkreis stimmten fürs Bleiberecht, vier dagegen. Bitter, nur eine Stimme fehlte!
Die letzte Chance platzte. Gesetzlich müssen Ibrahimis nun freiwillig ausreisen. Eine Abschiebung hätte ein Einreiseverbot zur Folge.
Dem ersten Abschiebe-Versuch im Juli entging die Familie knapp. An jenem Tag war der Familienvater auf Montage; er baute an der Fassade der Dresdner Uniklinik.
Nur die älteste Tochter wurde in den Flieger nach Pristina gesetzt. Jetzt arbeitet das viersprachige Mädchen im Callcenter. Studieren darf sie nicht. Ihr deutscher Schulabschluss wird im Kosovo nicht anerkannt. Die zweitälteste Tochter zerstreut ihre Sorgen mit Schichten bei McDonalds.
Eigentlich wollte sie eine Lehre beginnen. Doch die "Ausbildungsduldung" wurde abgelehnt. Nun trägt sie zum Familieneinkommen bei. Ibrahimis leben finanziell autark. Sie verzichten sogar aufs Kindergeld. Trotz aller Noblesse geht's nicht weiter. Ibrahimis fügen sich. Sie wollen freiwillig ausreisen - also die Kinder aus Kita, Schule und Job reißen, Wohnung und Arbeitsverhältnisse auflösen.
Innerhalb eines Monats müssen sie den Behörden ihre Flugtickets vorlegen. Um erneut einreisen - und hier weiterarbeiten - zu dürfen, müssen sie im Kosovo ein Visum beantragen. Für Ibrahimis Arbeitgeber Siegfried Pletz purer Irrsinn: "Warum schicken wir Fachkräfte fort, damit sie später wiederkommen dürfen?" Eine logische Antwort konnte ihm bislang niemand geben.
Die Politik hat die Gesetzeslücke erkannt. Ein neues Einwanderungsgesetz wird diskutiert. Es soll künftig verhindern, dass nicht die Falschen abgeschoben werden. Unklar, ob Ibrahimis noch davon profitieren.
