
Klein aber oho! So hart ist das Eier-Geschäft wirklich
Von Pia Lucchesi

Dresden - Ei der Daus! 235 Eier hat der Durchschnittsdeutsche im vergangenen Jahr gegessen - als Frühstücksei, im Kuchen oder gefärbt zu Ostern. Und der Appetit wächst von Jahr zu Jahr und Stück um Stück.
2015 lag der Verzehr bei 232 Eiern. Die große Nachfrage beflügelt die Produzenten auch in Sachsen. Sie investieren in ihre Ställe, Bio-Produktion oder kreieren neue Spezialitäten wie Omega-3- und Omega-6-Eier.
„Die Dresdner wollen alle große Eier“, sagt Christian Riedel (65) und grinst überlegen. Er weiß, wovon er spricht. Wenn es um Eier geht, hat der Agraringenieur es nicht nötig, billige Zoten zu reißen.
Sein „Großenhainer Geflügelhof“ stillt den Ei-Hunger der Landeshauptstadt. Der Familienbetrieb beliefert Konsum, Edeka, Kaufland, Karstadt und Rewe-Märkte in der Stadt.

„In den Städten geht der Trend zu XXL-Eiern. Auch die Nachfrage nach Bio-Eiern wächst dort kontinuierlich“, berichtet Riedel, der es als regionaler Produzent zu beachtlicher Größe gebracht hat.
Sein Geflügelhof feierte im November des vergangenen Jahres 25-jähriges Bestehen. Riedel: „Ich habe 1991 mit 6000 Hühnern und sechs Mitarbeitern angefangen.“ Heute beschäftigt der Großenhainer Geflügelhof 60 Mitarbeiter und betreibt an elf Standorten in Sachsen sowie Mecklenburg-Vorpommern Hühner-Farmen.
„Das ist keine kleinbäuerliche Produktion. Damit bekomme ich heute keine Leute satt“, stellt Riedel unverblümt klar.
Tatsächlich hat die moderne Eier-Produktion nichts mit Bauernhof-Romantik gemein. In den Hühnerställen überwachen Computer rund um die Uhr den Tagesablauf des Federviehs.
Die Fütterung, das Klima in den Ställen, die Ablage und das Sortieren der Eier - alles wird überwacht und protokolliert, wie Christian Riedel in der Biofarm in Medessen (Priestewitz) erklärt.

In sechs in sich abgeschlossenen Ställen werden insgesamt 18.000 Tiere gehalten. Für jedes Huhn stehen vier Quadratmeter Auslauf bereit - weite Flächen mit Wiesen und Bäumen.
Riedel: „Die beiden Wochen vor Ostern sind für uns die umsatzstärksten. Dann arbeiten wir zweischichtig, um die Nachfrage bedienen zu können.“
Die Aufzucht der Tiere und die Bewirtschaftung der Farmen ist fokussiert auf die Feiertage um Ostern und Weihnachten, denn dann werden die meisten Eier gekauft und gegessen. Im Sommer dagegen gehen Absatz- und Produktion um 40 Prozent zurück. Riedels Team nutzt die Zeit, um die Ställe leer zu räumen und zu reinigen.
Als Vorsitzender des sächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes eiert Riedel nicht rum, wenn es um die Lage seiner Branche geht. Der Ausbruch der Geflügelpest und die damit verbundene Stallpflicht traf die Betriebe mit Freilandhaltung schwer.
Riedel: „Es gibt noch keine genauen Zahlen. Deutschlandweit rechnen wir mit Verlusten in Höhe von 40 Millionen Euro.“

Lücke im System

Die EU-Verordnung zu Vermarktungsnormen für Eier ist nicht das Gelbe vom Ei - aus Sicht der deutschen Geflügelwirte. Die Vorschrift regelt Verpackung und Kennzeichnung der Lebensmittel bis ins allerkleinste Detail, öffnet gleichzeitig aber abgekochten Ganoven Türen.
Darum geht’s: Artikel 11 der Verordnung gestattet Importeuren aus anderen EU-Staaten mit Auflagen, ungekennzeichnete Eier (ohne Stempel) direkt an die Nahrungsmittelindustrie zu liefern. „Das muss so schnell wie möglich unterbunden werden“, wettert Christian Riedel.
Auch aus Verbrauchersicht ist der Passus indiskutabel: Wer kann garantieren, dass die Eier nicht überaltert sind oder über Umwege etwa als teure Bio-Euer in den Handel kommen?
Knallhart kalkuliert

Beim Festlegen ihrer Eierpreise müssen die hiesigen Produzenten im Zehntel-Cent-Bereich knallhart kalkulieren, um wettbewerbsfähig zu sein. Christian Riedel berichtet von schweren Zeiten für seine Branche in den Jahren 2012 bis 2015.
„2016 war dann das erste Jahr, in dem sich die Preise erholt hatten und es den Betrieben gut ging.“ Diese Schönwetterperiode scheint vorbei. 2017 begannen Aldi & Co. wieder an der Preisschraube zu drehen.
Die Produzenten zittern, denn der Mindestlohn und hohe Energiekosten in Deutschland machen ihnen das Leben immer schwerer. Sie haben Angst vor Billigimporten. Der Funktionär: „Wir fordern von der Politik, dass sie für Wettbewerbsgleichheit unter Bauern in der EU sorgt.“
Um höhere Preise erzielen zu können, bieten einige Hersteller heute z.B. Omega-3-Eier an. Dazu werden die Legehennen mit Spezialfutter „verwöhnt“.
Nicht mal jedes 25. Ei aus Sachsen ist „bio“

In Sachsen gibt es 58 Legehennenbetriebe mit je 3000 und mehr Plätzen für Legehennen. In diesen Betrieben wurden 2016 insgesamt 943,4 Millionen Eier erzeugt. Das waren 22 Millionen Eier (2,4 Prozent) mehr als im Vorjahr.
Bodenhaltung ist dominierend. Aus ihr stammten rund 808,2 Millionen Eier (85,7 Prozent). 78,5 Millionen Eier (8,3 Prozent) kamen aus der Freilandhaltung. 36,7 Millionen Eier (3,9 Prozent) wurden in Bio-Betrieben und 19,9 Millionen (2,1 Prozent) in Kleingruppenhaltungen erzeugt.
Der sächsische Anteil an der deutschen Erzeugung belief sich auf 7,9 Prozent. Rein rechnerisch konnte Sachsen seinen „Eigenbedarf“ nur zu 70,1 Prozent decken.
Tierische Fakten: Eine Legehenne legt im Schnitt pro Tag ein Ei. Die Tiere werden selten älter als 75 Wochen. Danach werden sie „ausgestallt“, sprich geschlachtet.
Fotos: Norbert Neumann, 123RF