Dresdner sucht sächsische Eisenbahnen in der Wüste

Dresden - Der Sachse Heinrich August Meißner (1862-1940) baute die gewaltigsten Wüsteneisenbahnen seiner Zeit: einmal nach Medina, einmal nach Bagdad. Heute ist der geniale Ingenieur fast vergessen. Dafür, dass das nicht so bleibt, sorgt heute unter anderen ein später Kollege. Der Dresdner André Döhring (52) erforscht das Wirken und folgte sogar Meißners Spuren entlang der Strecke in Saudi-Arabien.

Viele der Lokomotiven für die Hedschasbahn wurden in Sachsen produziert. Einige stehen heute noch an der ehemaligen Strecke.
Viele der Lokomotiven für die Hedschasbahn wurden in Sachsen produziert. Einige stehen heute noch an der ehemaligen Strecke.  © Norbert Neumann

Der Mann wusste früh, was er wollte: Bereits zu Studienzeiten büffelte Heinrich August Meißner die türkische Sprache. Dann baute er ein (glänzendes) Diplom, und ab ging es in den Orient. Meißner ist der bekannteste unbekannte Sachse, schätzt André Döhring ein. Der 52-jährige Dresdner ist als Bauingenieur quasi ein später Kollege von Meißner.

Wie der, hat er selbst Jahrzehnte in der Wüste gearbeitet und in seiner Freizeit alles zusammengetragen, was es über Meißner auftreiben konnte, über den "Meißner-Pascha", wie man anerkennend in der weltweiten Fanszene sagt. Denn der Sachse Meißner wurde von keinem geringeren als dem türkischen Sultan mit dem Titel Pascha geehrt. Begraben ist Meißner in Konstantinopel, wo er bis zuletzt einen Lehrstuhl für Eisenbahnwesen innehatte.

Eine solche westliche Berühmtheit erlangte nur noch ein Sachse: Kara ben Nemsi alias Old Shatterhand, auch Ingenieur. Doch im Gegensatz zu der Fantasiegestalt von Karl May war Meißner ein echter Held.

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Geboren in Leipzig und aufgewachsen in Dresden, kam er 1887 ins Osmanische Reich. Sein frisch erworbenes Wissen in Sachen Eisenbahn hatte er zuvor in Wien und Prag ausprobiert. Im Orient wurde er beim Bau der Anatolischen Eisenbahn eingesetzt. Sultan Abdülhamid II. (1842-1918) begann sein riesiges Reich mit Schienen zu verknüpfen.

Die jahrelangen Bauarbeiten unter gleißender Wüstensonne stellten eine besondere Herausforderung dar.
Die jahrelangen Bauarbeiten unter gleißender Wüstensonne stellten eine besondere Herausforderung dar.  © Imago

Bis zu einer selbst aus heutiger Sicht Wahnsinns-Idee: 1500 Kilometer durch die Wüste soll eine Pilgerbahn entstehen, die auch türkische Truppen gegen Aufständische transportieren kann.

Im Alltag hat das Projekt wirtschaftlich Bedeutung: Aus den fruchtbaren Teilen des Reichs werden Güter in die trockenen Regionen gebracht. Für die Funktion als Pilgerbahn spendeten weltweit Muslime.

Der Startbahnhof befand sich in Damaskus. Gekommen ist die Strecke letztlich "nur" bis Medina, eine der drei Heiligen Städte des Islam - dafür aber in Rekordzeit: Acht Jahre brauchte Projektleiter Meißner für den gesamten Bau.

Bereits nach vier Jahren, 1904, war der Abschnitt Damaskus - Amman (Jordanien) fertig. Dafür befehligte Meißner Tausende türkische Soldaten, die die Gleise verlegten.

Vorher war er selbst als Vermesser durch die Wüste gezogen, legte die Strecke fest. Parallel entwarf er spezielle Wassertanks, um den enormen Wasserbedarf der Dampfloks, aber auch den der Baustellen zu befriedigen. Mit seinem Stab konstruierte der Sachse 1532 Brücken und Durchlässe. Ein Großteil des Materials bestellte er in Deutschland: Windmühlen und Pumpen kamen von der Firma Reinsch aus Dresden, 22 der 71 Loks von der Fa. Richard Hartmann, Chemnitz. "Es gibt sie noch heute", sagt Döhring. "Sie stehen entlang der Strecke oder auf der Trasse."

André Döhring (52)
André Döhring (52)  © Norbert Neumann

Döhring hat den saudi-arabischen Abschnitt mit einer Sondergenehmigung zweimal erkundet.

Er fand verlassene Bahnhöfe, "die ziemlich deutsch aussehen", alte Wasserspeicher, einen Tunnel und in der Oase Al Ula einen ehemaligen Lokschuppen, der als Museum dient. Nur nach Medina durfte er als "Ungläubiger" nicht. Dafür stieß Döhring auf hoch aufgewölbte Schienen im Sand. "Die Zeugnisse der Sprengungen unter Führung von Lawrence von Arabien", sagt er. Der englische Spion (siehe Kasten) kämpfte im Ersten Weltkrieg an der Seite der Beduinen gegen die Osmanen.

Und heute? In Jordanien waren Abschnitte bis 1960 aktiv, wurden 1973 wieder reaktiviert. Die Strecke Syrien - Jordanien wurde zum Teil noch bis 1983 genutzt. Ab 1977 gab es zwischen den drei Ländern und unter Beteiligung deutscher Ingenieure Planungen zum kompletten Wiederaufbau, die aber versandeten.

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Pascha Meißner baute nach der Hedschasbahn Abschnitte der Bagdad-Bahn. Zwischen 1918 und 1924 weilte er noch einmal in Dresden, bevor er für immer in den Orient ging. Dort hätte er türkischer Verkehrsminister werden können, lehnte aber ab.

Ein Schienen-Saboteur wurde zum Mythos

Meisterspion und Eisenbahn-Zerstörer: Lawrence von Arabien (1888-1935)
Meisterspion und Eisenbahn-Zerstörer: Lawrence von Arabien (1888-1935)  © Imago

Spion, Offizier, Terrorist, Archäologe - Lawrence von Arabien ist eine der schillerndsten Figuren des 20. Jahrhunderts.

Geboren wurde er 1888 als T. E. Lawrence in Großbritannien. Ausgrabungen im arabischen Raum führten ihn ab 1909 mit den wahren Herrschern der Wüste zusammen, die unter der Knechtschaft des Osmanischen Reichs litten und darum im Ersten Weltkrieg seine Dienste gern in Anspruch nahmen.

Dazu gehörte auch der Guerilla-Kampf gegen die Hedschasbahn als Zubringer für Material und Truppen der Osmanen. Nach dem Krieg wirkte er als Sonderbotschafter des Empire. Später war er wieder als einfacher Soldat unterwegs.

Am Leben erhalten wurde der Mythos durch den Film "Lawrence von Arabien": In dem Breitwand-Epos aus dem Jahr 1962 wird er von Peter O'Toole (1932-2013) verkörpert. Der erste Film, eine Doku, entstand 1917.

1992 zeigte der britische Fernsehfilm "A Dangerous Man" Ralph Fiennes in der Rolle. Der echte Lawrence starb 1935 bei einem Motorradunfall in seinem Heimatland.

Die Schau zur Geschichte

Das Dresdner Verkehrsmuseum würdigt vom 14. Februar bis zum 15. Juli Heinrich August Meißner mit einer Sonderschau. Unter dem Titel "Dresden-Bagdad und zurück" werden die enormen Leistungen des sächsischen Bauleiters beleuchtet - beim Bahnbau nach Medina, aber auch jene für die Bahn nach Bagdad. Gezeigt werden unter anderem bislang unveröffentlichte Fotos.

Das Dresdner Verkehrsmuseum
Das Dresdner Verkehrsmuseum  © Holm Roehner
Aus Sachsen in die Wüste: Heinrich August Meißner (1862-1940) bekam für seine Verdienste den Titel "Pascha" verliehen.
Aus Sachsen in die Wüste: Heinrich August Meißner (1862-1940) bekam für seine Verdienste den Titel "Pascha" verliehen.  © wikipedia

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