Die Veilchen suchen einen Beißer vom Typ Nickenig

Aue - Diese Szene kennen viele: Ein Hund kommt angerannt, bellt laut. Der Besitzer ruft: „Keine Angst, der beißt nicht, will nur spielen.“ So oder ähnlich geht es den Gegnern des FC Erzgebirge.
Aue spielt oft hervorragenden Fußball, nicht zu vergleichen mit „Veilchen“-Teams von früher. Viele sind sogar der Meinung, sie sehen jetzt die beste FCE-Mannschaft aller Zeiten. Aber in den vermeintlich spielerisch limitierten Truppen von früher standen auch Beißer. Knüppelharte Leute, die nicht nur Wortführer waren, sondern auch mal die Grätsche auspackten.
So weit muss da gar nicht zurückgeblickt werden. Tobias Nickenig war so einer. Lief es nicht, kam eine verbale Attacke. Trottete das Geschehen danach immer noch so dahin, schickte er einen Gegenspieler auch mal auf die Tartanbahn.
Danach hatte der Gegner Respekt und Aue den Kopf frei. Klappte nicht immer, aber häufig. Solch ein Spieler, der körperliche Anführer, fehlt.

Dabei geht es nicht um mangelnden Kampfgeist. Nein, den hat Aue. Die Spieler laufen 90 Minuten bis zum Wadenkrampf. Es geht ums Aufwecken der Truppe während der Partie und um eine gesunden Grundhärte.
Der Blick auf die Fair-Play-Tabelle unterstützt diese These: Aue ist in der Siebenter, aber auch nur aufgrund der unberechtigten Roten Karte gegen Sebastian Hertner. Der FCE hat mit 16 Gelben Karten wie wenigsten der Liga. Gegen Nürnberg zum Beispiel gab es gar keine - ein weiterer Beleg.
Trainer Pavel Dotchev hört sich die Worte an und nickt: „Das stimmt ein Stück weit“, antwortet er. „Mit Martin Männel ist uns der mentale Leader weggebrochen. Er kann das, er hat das Spiel geführt.“ Doch körperlich kann selbst er als Keeper nichts ausrichten.
„Philipp Riese und Christian Tiffert lenken die Partie auf dem Feld. Aber es ist nicht ihre Mentalität, mal dazwischenzugehen. Sie wollen alles immer spielerisch lösen. Das ist auch gut so. Aber manchmal...“, wünscht sich Dotchev, dass eben genau das mal passiert. Auch um dem Gegner zu zeigen: Nicht mit uns, Leute!
Fotos: Igor Pastierovic, imago/Picture Point