
Aue-Trainer Tedesco: "Ich habe mich gleich wohlgefühlt!"

Aue - Domenico Tedesco sitzt in Aue im Café Samocca, keine 100 Meter von seinem Hotel entfernt. „Sind Sie der neue Aue-Trainer?“, fragt der Kellner. „Ja, bin ich“, antwortet der 31-Jährige. „Schön, dass Sie hier sind“, freut sich der Kellner.
Tedesco bedankt sich, blickt freundlich, aber auch erstaunt. „Wissen Sie, das begeistert mich. Die Leute sind überaus höflich, nie aufdringlich. Ich habe von der ersten Sekunde gespürt, die Stadt und die Region geben ihr letztes Hemd für den Verein. Das klingt jetzt sicher bisschen komisch, aber ich habe mich gleich wohlgefühlt“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln.
Zwei Wochen ist Domenico Tedesco jetzt Trainer in Aue. Zeit zum Eingewöhnen ja, Zeit, um alles kennen zu lernen, nein. „Der Klassenerhalt steht im Vordergrund. Aber das werde ich nachholen“, verspricht er. Warm geworden ist er gleich. „Du läufst hier zehn Meter durch die Stadt und atmest förmlich den Verein. Die Region brennt“, wiederholt er nochmal und erzählt eine Begebenheit vor dem Bochum-Spiel: „Wir stehen vor der Abfahrt am Bus und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle kommen, umarmen einen und wünschen viel Glück. Das kannte ich so nicht, das begeistert mich. Die Leute arbeiten nicht nur für den FCE, sie leben und lieben ihn.“
Das Familiäre liebt er auch, wie er sagt. Das braucht er, um aufzugehen. Deshalb hat er seine Familie nachgeholt. „Wir wohnen jetzt zusammen im Hotel. Aber wir werden uns bald in Aue etwas suchen“, sagt er. Tedesco möchte in der Stadt leben. Das zeigt, er will nicht nur kurz beim FCE bleiben. „Das liegt mir fern“, lächelt er.

Noch ist er nicht auf Wohnungssuche. Er sitzt im Café, trinkt einen Cappuccino und plaudert über sich und - wen wundert’s - über Fußball. Er erzählt über seine erste Pressekonferenz um 8.30 Uhr.
„Das war zeitig, puh. Ich habe doch bis halb drei in der Nacht Spiele auf Video analysiert und dann musste ich so früh raus“, lacht er.
Das ist immer wieder zu erkennen. Der 31-Jährige verfügt über eine angenehme Brise Humor. Der ist keineswegs plump, eher feinsinnig. Ernst wird er nur, wenn es direkt um Fuß- ball geht. „Wir haben in Bochum noch viele Fehler gemacht“, zieht er die Nase heran. „Wir hatten auch ordentlich Glück.“
Aber der Trainer wird sich wieder Videos vom Spiel anschauen und diese mit seinen Jungs auswerten mit der ihm eigenen Art - ruhig, gelassen, mit sanfter, aber bestimmter Stimme. „Ich muss mit den Spielern in Dialog treten, muss sie fragen, warum sie das so und das so gemacht haben. Einfach nur erklären, bringt nicht viel. Sie müssen selbst erkennen, wo die Fehler liegen, dann können sie die auch abstellen“, erklärt er und gestikuliert mit seinen Händen.
Tedesco ist akribisch, besessen von Fußball im positiven Sinne, er ist detailverliebt. Er erklärt irgendwas von einer asymmetrischen Viererkette der Bochumer. „Das klingt nur kompliziert. Das heißt lediglich, dass ein Außenverteidiger sehr hoch steht, der zweite auf einer Linie mit den Innenverteidigern und das ist nunmal keine symmetrische Anordnung“, grinst er.
Dabei hat es der 1,0-Absolvent gar nicht so mit der neudeutschen Fußballersprache. „Ich bin am ersten Tag von einem Medien-Kollegen begrüßt worden mit den Worten: ,Ah, das ist er also, der Fußball-Professor.‘ Nein, das bin ich nicht. Nennen Sie mich bitte nicht so“, lacht er laut. „Ich vermittle das den Spielern schon so, dass sie es verstehen.“
In den ersten beiden Partien haben die Spieler seinen Plan verstanden. Jetzt geht es an die nächste Stufe. Sie werden ihn zusammen mit Domenico Tedesco verfeinern und verinnerlichen.
Fotos: DPA, Eibner-Pressefoto, Osnapix