Akute Lebensgefahr! Unterspülung in Lützerath, Luisa Neubauer vor Ort

Erkelenz – Am Rande von Lützerath ist es am heutigen Sonntag zu einer Unterspülung der Tagebaukante mit Wasser gekommen. Dadurch bestehe in dem darüber liegenden Areal akute Lebensgefahr, warnte die Polizei.

Der Streit um die geplante Räumung Lützeraths spitzt sich weiter zu.
Der Streit um die geplante Räumung Lützeraths spitzt sich weiter zu.  © Henning Kaiser/dpa

Ein für den Nachmittag geplantes Konzert der Kölner Band AnnenMayKantereit sei deshalb in Absprache mit dem Veranstalter in einen anderen Bereich verlegt worden, sagte eine Sprecherin der Polizei.

Ausgelöst worden sei die Unterflutung durch einen Wasseraustritt aus einem Rohr. Wie es dazu gekommen sei, werde derzeit geprüft.

Derweil wollen die Aktivisten im besetzten Lützerath die geplante Räumung wochenlang verzögern. "Wir hoffen, dass wir Lützerath sechs Wochen lang halten können", sagte Dina Hamid, Sprecherin der Initiative Lützerath, am Sonntag.

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Aktuell befänden sich 700 Menschen in dem Erkelenzer Ortsteil. Geplant seien unter anderem Sitzblockaden sowie die Besetzung von Baumhäusern und Hütten.

Vertreter eines aus mehreren Gruppen bestehenden Aktionsbündnisses "Lützerath unräumbar" bekräftigten ihre Entschlossenheit, der Räumung entgegenzutreten. In dem Bündnis haben sich unter anderem Organisationen und Initiativen wie Ende Gelände, Fridays for Future, Alle Dörfer bleiben und Letzte Generation zusammengeschlossen.

Wegen einer Unterflutung herrscht an der Tagebaukante derzeit akute Lebensgefahr.
Wegen einer Unterflutung herrscht an der Tagebaukante derzeit akute Lebensgefahr.  © Henning Kaiser/dpa
700 Menschen sind am heutigen Sonntag nach Lützerath gekommen.
700 Menschen sind am heutigen Sonntag nach Lützerath gekommen.  © Henning Kaiser/dpa

Klimaaktivistin Luisa Neubauer besucht Lützerath

Klimaaktivistin Luisa Neubauer setzt sich für den Erhalt von Lützerath ein.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer setzt sich für den Erhalt von Lützerath ein.  © Christoph Reichwein/dpa

Am Sonntag bekamen die Aktivisten vor Ort namenhafte Unterstützung. "Man merkt, dass anscheinend unterschätzt wurde, welche Kraft in diesem Ort steckt", sagte Luisa Neubauer am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Lützerath.

"Hier zeigt eine Gesellschaft, dass sie versteht: Es geht um alles. Das Dorf hier ist überlaufen von Menschen, die aus der ganzen Republik angereist sind. Und das ist keine ganz unkomplizierte Anreise. Da gibt es viele gesperrte Straßen und Polizeibarrikaden. Aber das nehmen die Menschen auf sich."

Man sei entschlossen, den Widerstand gegen die Räumung lange durchzuhalten, beteuerte auch Neubauer.

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"Wir geben jetzt alles. Das hier ist erst der Anfang. Die große Demo ist am nächsten Samstag. Was ich so eindrücklich finde, ist: Hier vor Ort sind Menschen aus den unterschiedlichsten Generationen und Milieus: kleine Kinder in Regenhosen, aber auch ihre Großeltern. Hier sind die Aktivisten, die seit Monaten die Infrastruktur aufgebaut haben, aber eben auch Menschen, die einem ganz normalen Alltag nachgehen und verstehen: 'Hey, jetzt kommt's auf uns an.'"

Luisa Neubauer findet Polizeiaufgebot "erschreckend"

Neubauer und die Aktivisten sind entschlossen, den Widerstand gegen die Räumung lange durchzuhalten. (Archivfoto)
Neubauer und die Aktivisten sind entschlossen, den Widerstand gegen die Räumung lange durchzuhalten. (Archivfoto)  © Annette Riedl/dpa

Die Polizei habe damit geworben, dass die Räumung von Lützerath transparent und friedlich ablaufen solle. "Davon ist praktisch nichts übrig geblieben", kritisierte Neubauer. So seien die Taschen von anreisenden Unterstützern aus Hamburg stundenlang kontrolliert worden.

"Das riesige Polizeiaufgebot, das hier zusammengezogen wird, ist erschreckend und wirft sehr viele Fragen auf. Hier sind Menschen, die verstehen, was das Pariser Klimaabkommen bedeutet und dass wir in Deutschland mit der Kohle Schluss machen müssen. Dass gegen diese Menschen jetzt ein solches Aufgebot mobilisiert wird, ist schon absurd."

Die rechtliche Grundlage, auf der der Widerstand stattfinde, sei ein demokratisch zustande gekommener, internationaler Vertrag, nämlich das Pariser Klimaabkommen, hinter dem auch der Bundestag stehe. "Wenn unsere Regierung diesen Vertrag unterläuft, kann sie nicht erwarten, dass wir die Hände in den Schoß legen", so Neubauer.

Lützrath könnte schon in wenigen Tagen geräumt werden

Die Klimaschutzaktivisten haben sich am Rand des Tagebaus versammelt.
Die Klimaschutzaktivisten haben sich am Rand des Tagebaus versammelt.  © Henning Kaiser/dpa

In dem ländlichen Ortsteil haben sich Kohlegegner niedergelassen. Sie leben in besetzten Gebäuden, Zelten und Baumhäusern. Die ursprünglichen Bewohner sind längst weggezogen. Die Umsiedlung von Lützerath und umliegender Orte begann im Jahr 2000.

Boden und Häuser des von Ackerbau geprägten Ortes gehören längst der Tagebaubetreiberin RWE. Mit dem Energieunternehmen haben die grün geführten Wirtschaftsministerien in Bund und NRW im Oktober 2022 einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinland vereinbart.

Fünf zuvor vom Abriss bedrohte Dörfer im Umfeld des Tagebaus sollen erhalten blieben. Der Ort Lützerath mit nur noch wenigen Häusern soll aber weichen, um die darunter liegende Kohle abzubauen.

Originalmeldung von 14.39 Uhr, aktualisiert um 15.26 Uhr

Titelfoto: Henning Kaiser/dpa

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