Klimaziele schneller in Gefahr als gedacht: Ist die Welt noch zu retten?

Dresden - Die Weltorganisation für Meteorologie hat erst diese Woche neue Daten zum weltweiten Temperaturanstieg veröffentlicht. Demnach könnten die Ziele des Pariser Klimaabkommens schon bald verfehlt werden. Wo steht die Welt gerade bei ihrem Versuch, sich selbst zu retten?

Viel Zeit bleibt nicht mehr, um den Planeten zu retten.
Viel Zeit bleibt nicht mehr, um den Planeten zu retten.  © imago/Christian Ohde

Dort, wo sich Touristen sonst in die Sonne legen, werden Ende des Jahres 120 Staats- und Regierungs-Chefs (hoffentlich) alles dafür tun, damit das Ende des Jahrhunderts noch möglich ist: Der ägyptische Küstenort Scharm el Scheich wird Gastgeber der nächsten Weltklimakonferenz COP27.

Die Ägypter haben bereits im April den Anlass dafür am eigenen Leibe zu spüren bekommen. In Kairo stieg die Temperatur auf 40 Grad - die dort ansässige Regierung kam schon voriges Jahr zu der Einsicht, der Klimawandel sei für den nordafrikanischen Staat mittlerweile zu einem "drängenden Problem" geworden.

Nicht nur deswegen dürfte auch im November der Damokles-Wert 1,5 Grad über der Konferenz schweben. Das ist das Maximum, auf das sich die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit höchstens erwärmen darf. Darauf hatte man sich 2015 beim Pariser Klimaabkommen geeinigt, wenngleich Derartiges als nahezu ausgeschlossen galt.

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Das sehen so gut wie alle neuesten Berichte anders: Den jüngsten Darstellungen des Weltklimarats (IPCC) zufolge ist das Ziel ohne drastischste Einsparungen überhaupt nicht mehr zu erreichen.

Und die Weltwetterorganisation (WMO) hatte erst diese Woche noch schlechtere Nachrichten: Die 1,5-Grad-Erhöhung könnte schon innerhalb der nächsten fünf Jahre erreicht sein.

"Renaissance der Kohle"

Die Grafik zeigt deutlich: Es wird immer wärmer!
Die Grafik zeigt deutlich: Es wird immer wärmer!  © dpa/A. Brühl/B. Jütte

"Wir fahren ein bisschen langsamer auf die Wand zu, aber wir fahren immer noch auf die Wand zu", sagt Ottmar Edenhofer (60), Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), und fordert eine grundlegende Kurskorrektur.

Doch gerade im Zuge des neuen Krieges in Europa, ist nicht nur hierzulande genau das Gegenteil der Fall: Weil die Gaspreise durch den Krieg schneller steigen als die Kohlepreise, setze sich vor allem in Asien eine "Renaissance der Kohle" fort - etwa in China und Indien, aber auch in kleineren Ländern.

Und das, obwohl man sich in Glasgow - dort fand letztes Jahr die COP26 statt - darauf einigte, die Kohleverstromung schrittweise runterzufahren.

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"Vor allem die großen Emittenten müssen einfach signifikant nachlegen", sagt auch Frauke Röser vom NewClimate Institute, das Zusagen von Ländern zu neuen Klimazielen beobachtet.

Oft entfalte sich bei Konferenzen ein Gruppendruck. "Man hat das zum Beispiel in Glasgow gesehen, dann werden einzelne Akteure auch unter Zugzwang gesetzt."

Weg vom russischen Gas

Mittlerweile sehen sich immer mehr immer jüngere Menschen gezwungen, den Alten die Augen zu öffnen.
Mittlerweile sehen sich immer mehr immer jüngere Menschen gezwungen, den Alten die Augen zu öffnen.  © dpa/Dieter Menne

Als Zugpferd erhoffen sich Klimaschützer die Gruppe der sieben größten Industrienationen (G7), bei der Deutschland dieses Jahr den Vorsitz hat.

Doch vor allem hierzulande geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung: Die mit großen Klimaschutz-Ambitionen ins Amt gestartete Ampelregierung investiert nun tüchtig in eine neue Infrastruktur für fossile Energien.

Man wolle so schnell wie möglich weg vom russischen Gas aus den Pipelines. Dafür brauche es neue Quellen und die entsprechenden Terminals, um deren Erdgas von den Schiffen ins Land zu pumpen.

Das meint zumindest Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (52, Grüne), der zusammen mit seiner Kabinetts- und Parteikollegin Steffi Lemke (54) bereits einen Entwurf für ein sogenanntes LNG-Beschleunigungsgesetz formulierte, das es ermöglichen soll, die Terminals im Eilverfahren einzurichten.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hingegen hält den Neubau von Terminals in Deutschland "aufgrund der langen Bauzeiten und des mittelfristig stark rückläufigen Erdgasbedarfs" für gar nicht notwendig.

Es bleibt abzuwarten, mit welchen Maßnahmen die COP27 den klimatischen Abwärtstrend aufhalten will. Viel Zeit dafür bleibt nicht.

Titelfoto: Montage: IMAGO/Christian Ohde, dpa/Dieter Menne

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