Bäume über den Toten sterben ab: Klimawandel bedroht Bestattungswälder!

Kassel/Dachsenhausen - Zurück zur Natur, begraben unter Bäumen: Die Zahl der Bestattungswälder wächst und wächst. Was aber, wenn hier im Klimawandel Bäume über den Toten absterben?

Namensschilder der Verstorbenen stehen an einem Baum im Rheinhöhen-Ruhewald in Dachsenhausen.
Namensschilder der Verstorbenen stehen an einem Baum im Rheinhöhen-Ruhewald in Dachsenhausen.  © Thomas Frey/dpa

"Wegen Dürre und Stürmen sind auch in Bestattungswäldern schon Bäume umgestürzt", sagt der stellvertretende Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, Gerold Eppler.

"Von den Betreibern wird das nicht an die große Glocke gehängt. Sie haben auch anfangs nicht damit gerechnet, dass der Klimawandel so durchschlägt." Für die Angehörigen von Begrabenen könnten wegen Schäden gefällte oder umgestürzte majestätische Bestattungsbäume ein Schock sein.

Die Deutsche Friedhofsgesellschaft, die bei Dachsenhausen im Taunus neben dem bundesweit größten Krematorium auch einen Bestattungswald betreibt, bietet daher seit Anfang 2023 keine Beisetzungen mehr unter Bäumen, sondern nur noch auf einer Waldlichtung an.

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"Über 70 Prozent der Bäume in Rheinland-Pfalz weisen mittlerweile Schäden auf", erklärt Geschäftsführer Karl-Heinz Könsgen.

Ob ein ausgesuchter Bestattungsbaum auch noch in 20 oder 50 Jahren gesund sei, könne sein Unternehmen nicht vorhersagen: "Mit den steigenden Temperaturen, der zunehmenden Trockenheit, verstärkt auftretendem Starkregen und orkanartigen Windgeschwindigkeiten nehmen starke Schäden im Wald zu."

Das Unternehmen Deutsche Friedhofsgesellschaft bietet seit Anfang 2023 keine Beisetzungen mehr unter Bäumen, sondern nur noch auf einer Waldlichtung an.
Das Unternehmen Deutsche Friedhofsgesellschaft bietet seit Anfang 2023 keine Beisetzungen mehr unter Bäumen, sondern nur noch auf einer Waldlichtung an.  © Thomas Frey/dpa

Trotz Baumschäden: Nachfrage für Waldbestattungen steigt schnell

Blick auf den Friedwald Reinhardswald in Nordhessen. Er war der erste Bestattungswald in Deutschland.
Blick auf den Friedwald Reinhardswald in Nordhessen. Er war der erste Bestattungswald in Deutschland.  © Swen Pförtner/dpa

Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas sagt, 2001 sei im Reinhardswald bei Kassel der bundesweit erste Bestattungswald eröffnet worden. "Ich habe immer schon eine Sättigung erwartet, aber es werden immer mehr Bestattungswälder. Derzeit sind es rund 250 in Deutschland."

In den vergangenen Jahren hat sich Aeternitas laut Helbach zweimal in einer Umfrage unter rund 1000 Bürgern nach Bestattungswünschen erkundigt: "2019 haben 19 Prozent einen Bestattungswald genannt und 2022 schon 25 Prozent."

Laut Eppler gab es Baumschäden infolge des Klimawandels etwa schon in Bestattungswäldern in Gießen und beim niedersächsischen Uetze. Betreiber solcher Areale suchten sich zwar eher robustere Laub- und Mischwälder als flach wurzelnde Fichten-Monokulturen aus. "Aber je nach Standort sind auch schon Eichen und Buchen geschädigt."

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Der Geschäftsführer des Waldbesitzerverbands für Rheinland-Pfalz, Wolfgang Schuh, bestätigt die gewachsenen Gefahren auch für Bestattungswälder. Für diese würden oft ältere Baumbestände gewählt. "Je größer ein Baum aber ist, desto eher ist er den Unbilden der Natur ausgesetzt", erklärt der Experte.

Was tun, wenn der ausgewählte Baum plötzlich Schäden aufweist?

Ein toter Baum kann für die Angehörigen des dort Beerdigten ebenfalls ein schwerer Verlust sein. (Symbolbild)
Ein toter Baum kann für die Angehörigen des dort Beerdigten ebenfalls ein schwerer Verlust sein. (Symbolbild)  © Thomas Frey/dpa

Dem Museums-Vizechef Eppler zufolge ist ein umgestürzter Bestattungsbaum "nicht das, was sich Angehörige gewünscht haben. Schließlich steht ein Baum für Stärke und Dauerhaftigkeit". Wenn es die Vorstellung gebe, "dass ein Baum die Mineralien des Verstorbenen aufnimmt, dann ist ein toter Baum ein schwerer Verlust".

Franziska Bittel vom bundesweit aktiven Anbieter Friedwald mit Sitz in Griesheim bei Darmstadt verweist auf dessen "stabile Laubmischwälder" mit mehrschichtigen Kronendächern unterschiedlich alter Bäume.

Die Bestattungsbäume würden "sorgfältig nach Vitalität und Langlebigkeit ausgesucht". Gleichwohl gebe es auch an Friedwald-Standorten "vereinzelte Baumschäden bis hin zum Ausfall einzelner Baumindividuen".

Dann kämen verschiedene Lösungen infrage. "Falls noch nicht beigesetzt wurde, kann ein anderer Baum ausgewählt werden. Falls schon beigesetzt wurde, kann ein Nachbarbaum als Ort des Gedenkens gewidmet werden oder ein neuer Baum gepflanzt werden." Friedwald kümmere sich darum und trage die zusätzlichen Kosten.

Anbieter von Bestattungswäldern arbeiten verstärkt mit Förstern zusammen.
Anbieter von Bestattungswäldern arbeiten verstärkt mit Förstern zusammen.  © Swen Pförtner/dpa

Der Geschäftsführer des ebenfalls bundesweit tätigen Anbieters Ruheforst mit Sitz in Erbach im Odenwald, Jost Arnold, sieht nach eigenen Worten keine Gefährdung durch den Klimawandel wegen seiner stabilen Bestattungswälder mit den "richtigen Baumarten" an den "richtigen Standorten".

Er ergänzt: "Meine Mitarbeiter sind fast ausschließlich studierte Forstleute mit entsprechendem forstfachlichem Wissen."

Jedoch arbeiten auch andere Betreiber mit Förstern zusammen. Ruheforst bietet laut Arnold zudem "Ruhebiotope" im Wald für Bestattungen an - etwa auch neben Sträuchern und Felsen.

Titelfoto: Bild-Montage: Thomas Frey/dpa

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