So habe ich die Anschläge von 9/11 erlebt
Von Markus Griese

Leipzig - Scott R. Riedmann (51) ist seit 2014 US-Generalkonsul in Leipzig. Der Diplomat ist Veteran der Air Force, hat österreichische Wurzeln. Zu seinen Aufgaben gehört es, das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland zu pflegen.
MOPO24: Herr Riedmann, wo waren Sie persönlich am Tag der Anschläge?
Scott Riedmann: Ich war erst seit vier Monaten in Merida, Mexiko, am dortigen Konsulat, meinem ersten Posten als US-Diplomat. Ich führte gerade Gespräche mit Visaantragstellern, als es im Wartesaal sehr still wurde. Plötzlich schauten alle gebannt auf die Nachrichten, die im Fernsehen liefen.
MOPO24: Inwiefern haben die Angriffe die Vereinigten Staaten verändert?

Scott Riedmann: Die Vereinigten Staaten versuchen seit dem 11. September, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz unserer Bevölkerung vor potenziellen Gefahren und der Wahrung unserer persönlichen Freiheiten herzustellen. Wir müssen eine offene Gesellschaft bleiben. Sonst hätten die Terroristen gewonnen.
MOPO24: Als Reaktion auf die Anschläge haben die USA zwei Kriege geführt - in Afghanistan und im Irak. War rückblickend nicht zumindest letzterer ein Fehler?
Scott Riedmann: In den Jahren seit dem Sturz der Taliban hat sich Deutschland an den Bemühungen der Vereinigten Staaten um Frieden und Stabilität in Afghanistan beteiligt. Es ist bekannt, welchen Beitrag Deutschland zum Wiederaufbau in Afghanistan leistet, insbesondere im Norden des Landes, und die Afghanen wissen das sehr zu schätzen.
Aus unserer Erfahrung im Irak haben wir viel gelernt. Sicher, es wurde ein grausamer Diktator gestürzt. Aber, wie Außenminister Kerry schon gesagt hat, müssen wir sicherstellen, dass wir uns nie wieder von falschen nachrichtendienstlichen Erkenntnissen in einen Konflikt stürzen lassen. Und wir müssen Diplomatie und alle anderen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, ausschöpfen, bevor wir Gewalt anwenden, wie sowohl Außenminister Kerry als auch Präsident Obama betonen.
MOPO24: Die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland waren während der Bush-Präsidentschaft (Bush junior!) auf einem Tiefpunkt - wegen der Nichtteilnahme Deutschlands am Irak-Krieg. Hat sich das Ihrer Meinung nach gebessert? Immerhin bereitet das massenhafte Abgreifen von Daten durch US-Behörden, was ja auch mit der Terrorgefahr begründet wird, vielen Deutschen Sorge…
Scott Riedmann: Unsere Beziehungen haben sich seit dem Irakkrieg ganz offensichtlich sehr verbessert. Deutschland ist für uns ein unverzichtbarer Partner, ob es nun um schwierige Konflikte wie in der Ukraine und Syrien geht oder um globale Probleme wie Krankheiten, den Klimawandel oder die Förderung von mehr Wohlstand. Wir bewundern die Führungsstärke, die Bundeskanzlerin Merkel im Laufe der Jahre in einer ganzen Reihe von Herausforderungen bewiesen hat, sei es die griechische Finanzkrise oder die massenweise Ankunft von Flüchtlingen. Und wie Sie in Elmau und Hannover gesehen haben, verstehen sich die Bundeskanzlerin und der Präsident ausgezeichnet.
Fotos: PR, DPA