Debatte um Wehrpflicht neu entfacht: Wer kämpft für Deutschland?

Berlin - Müssen die Deutschen bald wieder zur Waffe greifen? In Anbetracht des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werden auch hierzulande Stimmen laut, die für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland plädieren. Doch Streit ist vorprogrammiert.

Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (62, SPD) steht vor großen logistischen wie strategischen Herausforderungen.
Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (62, SPD) steht vor großen logistischen wie strategischen Herausforderungen.  © Kay Nietfeld/dpa

Für lange Zeit galt die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht als beerdigt. Aufgrund einer sich rasant verschlechternden Sicherheitslage in Europa, hauptsächlich verursacht durch den russischen Überfall auf die Ukraine, keimt das totgeglaubte Thema nun aber wieder auf - und führt zu hitzigen Diskussionen in Politik und Gesellschaft.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" fordert die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64, FDP), eine offene Debatte über diese schwierige Thematik.

Dabei erkennt sie an, dass eine Wiedereinführung der Wehrpflicht schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft hätte, schränkt aber im gleichen Atemzug ein, dass sie unter Umständen bereit wäre, sich auch pro Wehrpflicht zu äußern.

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"Grundsätzlich gilt das Ende der Dienstpflicht ausschließlich in Friedenszeiten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden", so die 64-Jährige.

Die FDP-Politikerin will es sich in dieser Frage aber nicht zu einfach machen und versichert: "Ein einfaches Ja oder Nein ist zu kurz gesprungen."

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64, FDP) ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64, FDP) ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag.  © Michael Kappeler/dpa

"Gespensterdebatte" rund um Wehrpflicht polarisiert Politik & Gesellschaft

Krieg und Schrecken in Europa: Deutsche Panzer rücken wieder vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit.
Krieg und Schrecken in Europa: Deutsche Panzer rücken wieder vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit.  © Swen Pförtner/dpa

Strack-Zimmermanns Parteikollege und Bundesfinanzminister Christian Lindner (44, FDP) steht dem Reizthema Wehrpflicht wesentlich kritischer gegenüber und spricht sich direkt im Namen der ganzen Partei dagegen aus: "Die Wehrpflicht steht für die FDP überhaupt nicht zur Debatte. Das ist eine Gespensterdiskussion."

Lindners Ansatz zur optimalen Verteidigungsstrategie des Landes ist ein anderer. Aus seiner Sicht müsse alle Kraft darauf konzentriert werden, die Bundeswehr als hochprofessionelle Armee zu stärken.

Der FDP-Chef merkte zudem an, dass der eklatante Fachkräftemangel ein solches Unterfangen nicht erlauben würde. Die ohnehin durch Corona sehr gescholtene Jugend habe Linder zufolge sehr viel verloren und dürfe nun nicht auch noch ein wichtiges Ausbildungsjahr aufgrund des Wehrdienstes einbüßen.

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Demgegenüber steht der Reservistenverband. Dieser spricht sich klar für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. Verbandspräsident Patrick Sensburg (51) äußerte sich gegenüber der "Welt" besorgt über den gegenwärtigen Zustand der Bundeswehr und ließ verlauten, dass rund 200.000 Soldaten und 100.000 Reservisten für den Ernstfall nicht ausreichen würden.

Und wie steht eigentlich der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (62, SPD) zur W-Frage? Der SPD-Politiker hatte die Abschaffung der Wehrpflicht vor Kurzem als "Fehler" bezeichnet. Allerdings habe auch er keine Pläne zur Wiedereinführung.

Titelfoto: Kay Nietfeld/dpa

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