FKK und ausziehen im Sommer: Wie viel Nacktheit ist eigentlich erlaubt?
Deutschland - Oh, dieser Sommer! Bei den Hitzerekorden der vergangenen Wochen möchte man sich am liebsten ausziehen, um die tropischen Temperaturen von über 30 Grad besser ertragen zu können. Doch geht das so einfach - T-Shirt hoch und oben ohne herumlaufen? Wo darf man sich überhaupt nackig machen – und wo besser nicht? Und was passiert, wenn ich dort blank ziehe, wo es nicht gestattet ist? Wir haben einmal nachgefragt - bei Polizei, Ordnungsamt, Gewerkschaft und im Reisebüro: Wie viel Nacktheit ist erlaubt?

Am Sonnabend demonstrierten rund 50 Freunde der Freikörperkultur am Bayerischen Bahnhof in Leipzig. "Wir fordern eine gleichberechtigte Oberkörperfreikultur für alle Geschlechter und ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung dafür", erklärte Veranstaltungsleiterin Sophie Schimanski (22) vom "Wandelkollektiv".
Eine Demo-Auflage verhinderte den Plan, dass unisono oben ohne demonstriert werden konnte - doch dürfte man das überhaupt?
"Grundsätzlich gibt es in Deutschland kein Verbot, sich auszuziehen", stellt Polizeihauptkommissar Stefan Grohme von der Polizeidirektion (PD) Dresden klar.
"Grenzen sind immer dort zu ziehen, wo andere mehr als unerheblich belästigt werden."
Die Trennlinie zwischen Nacktsein und Belästigung regelt ausgerechnet der Gummiparagraf 118.
Wann schreitet das Ordnungsamt ein?

Darin ist nebulös festgelegt, dass jemand eine Ordnungswidrigkeit begeht, der "eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen". Grohme: "Der Paragraf ist vom Gesetzgeber bewusst so offen formuliert worden, um im Einzelfall einen Entscheidungsspielraum zu lassen." Dabei gilt für Nackedeis: Wo kein Kläger, da kein Richter.
"Eine Belästigung liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Handlung auf öffentlichen Straßen und Anlagen vorgenommen wird und jemandem ein nicht geringfügiges Unbehagen zufügt", erklärt Anke Hoffmann von der Stadt Dresden.
"Es genügt, dass Passanten erschreckt und irritiert sind."
Dann schreitet das Ordnungsamt ein. Hoffmann: "Im vergangenen Jahr wurden bei uns insgesamt 18 solcher Fälle aktenkundig. In diesem Jahr sind es bereits 22."
Die Ordnungswidrigkeiten können mit Strafen bis zu 1000 Euro geahndet werden. Davon blieben die "Wandelkollektiv"-Demonstranten am Sonnabend verschont.
Der Chef hat ein Wörtchen mitzureden

Nackt geht's natürlich nicht ins Büro. Aber kann ich in kurzen Hosen zum Dienst kommen?
Shorts und Flipflops sind in der Freizeit kein Problem, werden im Büro aber nicht unbedingt geduldet.
Der Chef hat hier das Recht, einen Dresscode vorzuschreiben. Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Abmahnung. Kommt der Chef allerdings selbst in kurzer Hose, sollte das auch für seine Angestellten erlaubt sein.
Kann mir mein Chef generell vorschreiben, was ich auf Arbeit anziehen muss?
Ja, das darf er. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein Weisungsrecht gegenüber seinen Mitarbeitern. In Berufen mit viel Kundenkontakt, bei Banken und im Dienstleistungsgewerbe kann sogar eine genaue Bekleidungsvorschrift im Arbeitsvertrag angewiesen werden - zum Beispiel Anzug oder Hosenanzug. Und das auch bei brütender Hitze. Achtung, der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht, kann den Abschluss einer Betriebsvereinbarung verlangen.
So steht es im Gesetz

Darf ich in der eigenen Wohnung nackt herumlaufen?
Ja, in den eigenen vier Wänden darf man grundsätzlich so nackt sein, wie man möchte. Das gilt übrigens auch, wenn man keine Gardinen hat oder die Fenster geöffnet sind.
Darf ich mich nackt auf meinem Balkon sonnen?
Ja, denn auch der Balkon gehört zur Wohnung. Doch wenn er gut einsehbar ist und sich andere Mieter durch zu viel Nacktheit gestört fühlen könnten, sollte ein Sichtschutz angebracht werden.
Muss ich im eigenen Garten immer bekleidet sein?
Auch im heimischen Grün gilt: Man darf grundsätzlich alle Hüllen fallen lassen. Doch wenn das Grundstück einsehbar ist und sich Nachbarn oder Passanten gestört fühlen, wird im schlimmsten Fall ein Ordnungsgeld fällig.
Darf ich mich in freier Natur ausziehen?
Je einsamer die Stelle ist, desto besser. Man muss bei einem splitternackten Sonnenbad auf einer Waldlichtung allerdings aufpassen, dass nicht Wanderer vorbeikommen, die das Ordnungsamt rufen, weil sie sich beim Familienausflug plötzlich mit Nackten konfrontiert sehen.

Darf man splitternackt auf der Straße schlendern?
Stellt man sich nackt auf den Marktplatz, ist man nicht lange allein. Schnell wird ein Beamter vom Ordnungsamt dazukommen. Denn in der Fußgängerzone gibt es sicher schnell jemanden, der sich an der nackten Haut stört.
Ist nackt Auto fahren strafbar?
Solange man nackt in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, spricht im Prinzip gesetzlich nichts dagegen, sich im Auto auszuziehen. Doch rutscht man zum Beispiel mit schwitzigem Fuß vom Bremspedal, muss man im Fall eines Unfalls haften.
Darf ich nackt radeln?
Hier ist die Lage schwierig, schließlich bietet das Rad keinen Sichtschutz. Das Ordnungsamt kann das hüllenlose Radeln verbieten. Ein Richter drohte einem Nudisten-Ehepaar sogar eine Geldstrafe an, wenn sie noch einmal nackt an einem Spielplatz vorbeiradeln sollten.
In Karlsruhe wurde 2005 eine Nacktradel-Aktion vom Verwaltungsgericht verboten (Az. 6 K 1058/05). Begründung: "Wer sich unbekleidet auf öffentlichen Straßen und in öffentlichen Anlagen, in denen die Begegnung mit nackten Menschen nicht zu erwarten ist, in einer Weise aufhält, dass er anderen Benutzern den Anblick seines nackten Körpers aufdrängt, handelt ordnungswidrig."
Was zu viel ist, ist zu viel

Kommt eine sexuelle Komponente zum Nacktsein hinzu, wird Entblößen zur Straftat - beispielsweise bei einem Exhibitionisten, der anderen gegen ihren Willen seine Geschlechtsteile zeigt.
"Im Zuständigkeitsbereich der PD Dresden wurden 2019 neun Fälle von Erregung öffentlichen Ärgernisses registriert. Dieses Jahr wurden bislang sieben angezeigt", sagt Polizeihauptkommissar Stefan Grohme von der PD Dresden.
Bei der PD Leipzig waren es im vergangenen Jahr 14 solcher Fälle. In diesem Jahr sind es bereits neun. Sechs davon wurden in den Sommermonaten zwischen Juni und August aktenkundig.
"Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft", sagt Dorothea Benndorf von der PD Leipzig.
Titelfoto: imago images/Westend61