Tafeln schlagen Alarm: Anzahl der Bedürftigen steigt enorm, Spenden gehen zurück

Düsseldorf - Die Tafeln in Deutschland haben noch nie so vielen bedürftigen Menschen geholfen wie zurzeit.

Rund ein Drittel der Tafeln in Deutschland ist so überlastet, dass Aufnahmestopps verhängt werden mussten.
Rund ein Drittel der Tafeln in Deutschland ist so überlastet, dass Aufnahmestopps verhängt werden mussten.  © Patrick Pleul/dpa

"Seit Jahresbeginn verzeichnen wir einen Anstieg der Kundinnen und Kunden von 50 Prozent", sagte der Vorsitzende des Dachverbands Tafel Deutschland, Jochen Brühl, der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Insgesamt kämen etwa zwei Millionen Menschen.

Gleichzeitig seien die Lebensmittelspenden zurückgegangen. "Rund ein Drittel der Tafeln sind so überlastet, dass sie Aufnahmestopps verhängen mussten", sagte Brühl. Hilfesuchende Menschen wegzuschicken, sei für Helfer aber psychisch enorm belastend.

Auffällig seien die Einzelschicksale, so Brühl: "Die Menschen haben große Existenzängste und Sorgen, wie sie Lebensmittel, Wohnen, Heizen zahlen können." Die Tafeln könnten aber nicht auffangen, "was der Staat nicht schafft".

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Die staatlichen Hilfen seien "unzureichend" und kämen zu spät. "Menschen, die zu den Tafeln kommen, haben keine Reserven. Armutsbetroffene Menschen brauchen jetzt schnelle Hilfen."

Die bundesweit rund 960 Tafeln verteilen an Bedürftige Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können. Ende September hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Zahl der Menschen, die im Jahr 2020 bei einer Tafel waren, auf knapp 1,1 Millionen Menschen beziffert und sich dabei auf eine Umfrage bezogen.

Auch viele Flüchtlinge nutzen Angebot der Tafel

Mittlerweile kommen immer mehr Menschen zu den Tafeln, die durch steigende Preise nicht länger von ihrem Einkommen leben können.
Mittlerweile kommen immer mehr Menschen zu den Tafeln, die durch steigende Preise nicht länger von ihrem Einkommen leben können.  © Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa

Neben ALG-II-Empfängern und Rentnern nehmen seit Beginn des Ukraine-Krieges auch viele Geflüchtete die Hilfe der Tafeln wahr. Außerdem kommen mittlerweile immer mehr Menschen, die durch steigende Preise nicht länger von ihrem Einkommen allein leben können, wie Brühl sagte.

Natürlich wirke sich auch die derzeit hohe Inflation auf die Zahl der Besucher aus, hatte DIW-Forscher Markus Grabka vor wenigen Wochen erklärt. Hohe Energie-Vorauszahlungen führten auch Menschen mit nicht ganz geringem Einkommen in die Einrichtungen.

Mit Blick auf den Winter rechnet Brühl mit einer weiteren Zuspitzung der Lage und appellierte auch an die Solidarität der Gesellschaft: "Wir sind ein reiches Land, wir können es schaffen, dass alle Menschen gut durch diesen Winter kommen."

Titelfoto: Patrick Pleul/dpa

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