Cannabis-Legalisierung: Wann ist "Bubatz nun legal", Herr Drogenbeauftragter?

Berlin - Wann können wir legal einen durchziehen? Diese Frage stellen sich aktuell viele Deutsche und hoffen auf die Bundesregierung, die ihnen eine baldige Legalisierung von Cannabis versprochen hat. Doch was heißt "bald"? Wir haben mit dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert (56, SPD) über genau diese Frage gesprochen!

Burkhard Blienert (56, SPD) ist Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung.
Burkhard Blienert (56, SPD) ist Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung.  © Eric Münch

TAG24: Wann ist denn nun Bubatz legal?

Burkhard Blienert: "Gute Frage! Wir wollen Ende dieses Jahrs einen ersten Gesetzentwurf vorlegen. Und wenn sich die ganze Bundesregierung einig ist, dann beginnt das parlamentarische Verfahren."

TAG24: Benjamin Strasser, Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium, sagte uns vor wenigen Wochen, dass der Gesetzentwurf noch in diesem Jahr, vielleicht sogar im Herbst kommen soll. Woran liegt die offensichtliche Verzögerung?

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Blienert: "Wir haben einen ganz strikten Zeitplan und der ist sehr ambitioniert für solch ein komplexes Gesetzesvorhaben. Eine offensichtliche Verzögerung sehe ich daher nicht. Wir werden mit einem Eckpunktepapier der Bundesregierung im Herbst den ersten Aufschlag machen. Aus diesen Eckpunkten entsteht dann ein Gesetzentwurf, der noch dieses Jahr vorliegen soll. Wir haben einen strikten Zeitplan, wie man sich das bei einem ordentlichen Gesetzgebungsprozess auch vorstellt."

TAG24: Gibt es eigentlich schon irgendwelche Richtwerte, ab wann der Konsum von Cannabis problematisch werden könnte?

Blienert: "Der Konsum von Cannabis, so viel wissen wir, ist insbesondere in jungen Jahren problematisch. Es ist eine psychoaktive Substanz und hat Auswirkungen auf die Hirnreife, gerade bei Jugendlichen. Es gilt: je früher und je häufiger umso riskanter. Deshalb wollen wir eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene und einen konsequenten Jugendschutz, das steht auch so im Koalitionsvertrag."

TAG24: Und gibt es für Erwachsene eine Angabe, ab wie viel Joints es gefährlich werden könnte?

Blienert: "In einem Konsultationsprozess haben wir in den letzten Wochen diese und viele andere Fragen mit den Expertinnen und Experten in Deutschland diskutiert und aufgeworfen. Jetzt werden die Ergebnisse in den Ressorts zusammengefasst. Danach haben wir ein gutes Fundament für all die Fragen, die jetzt im Gesetzgebungsprozess einer Antwort bedürfen."

Blienert zum Cannabis-Verkauf: "Der Jugendschutz muss gewährleistet und das Fachpersonal geschult sein"

Ausflug ins Grüne: Unweit des Brandenburger Tores in Berlin stellte sich Blienert den Fragen von Politikredakteur Paul Hoffmann (29, l.) und TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, r.).
Ausflug ins Grüne: Unweit des Brandenburger Tores in Berlin stellte sich Blienert den Fragen von Politikredakteur Paul Hoffmann (29, l.) und TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, r.).  © Eric Münch

TAG24: Für Ihre Vorgängerin Daniela Ludwig (46, CSU) war Cannabis "kein Brokkoli", für Marlene Mortler (65, CSU) Gras schlicht "illegal". Woher kommt es unter Ihnen zu dieser 180-Grad-Wende im Amt des Bundesdrogenbeauftragten?

Blienert: "Ich schaue nach vorn in die Zukunft. Ich habe die Regierung mit all ihren drei Koalitionspartnern hinter mir, dazu gibt es einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Wir sind davon überzeugt: 'Es braucht eine Kehrtwende in der Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland.' Für mich ist das ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Gesundheitsschutz."

TAG24: Was sind denn die größten Stolpersteine hin zum Cannabis-Gesetz? Mit welchen hätten Sie zu Beginn überhaupt nicht gerechnet?

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Blienert: "Ich beschäftigte mich schon seit vielen Jahren mit der Frage, wie man einen regulierten Cannabis-Markt hinbekommt. Dazu zählen auch Ziele wie ein funktionierender Jugendschutz und Gesundheitsschutz. Weiter müssen die Bedingungen geklärt werden, unter denen lizenzierte Fachgeschäfte aufgemacht werden und Cannabis verkaufen können. Zum Beispiel: Wie ist das Fachpersonal dort geschult? Auch die Führerscheinfrage muss geklärt werden…"

TAG24: Bleiben wir doch gleich mal bei den lizenzierten Fachgeschäften: Wie komme ich denn an so eine Lizenz?

Blienert: "In unserem Konsultationsprozess haben wir über die Bedingungen gesprochen. Jetzt fassen wir die Ergebnisse zusammen und dann bewerten die Ministerien, wie so eine Lizenzvergabe funktioniert und was die Rahmenbedingungen dafür sind. Wie gesagt: Der Jugendschutz muss gewährleistet und das Fachpersonal geschult sein. Aus meiner Sicht darf es in dem Bereich auch keine Werbung geben."

TAG24: In den lizenzierten Fachgeschäften keine Werbung, oder generell nicht?

Blienert: "Wir müssen das Thema von Werbung, Marketing und Sponsoring im Zusammenhang mit Cannabis bewerten und auch als Thema aufrufen, damit wir die Fehler nicht wiederholen, die es zum Beispiel seit langem beim Alkohol gibt. Die allseitige Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Alkohol sehe ich als ein Problem an und das will ich beim Cannabis von Anfang an nicht haben."

Online-Verkauf oder doch nur stationärer Handel?

Sollte Cannabis auch online verkauft werden?
Sollte Cannabis auch online verkauft werden?  © Eric Münch

TAG24: Wir schreiben das Jahr 2022: Wie will man beim Thema Werbung eigentlich die zahlreichen Influencer davon abbringen, für Cannabis oder bestimmte Fachgeschäfte zu werben?

Blienert: "Wir haben im Bereich der sozialen Medien Handlungsbedarf. Das sind Sachen, die man in Deutschland regeln, aber auch auf Ebene der Europäischen Union thematisieren muss. Bei den Fragen, wo etwas gesendet, angeboten oder etwas ins Netz gestellt wird, lösen wir ja auch die Geostruktur auf. Das sind ganz knifflige Fragen, die weit über das Thema Cannabis hinausgehen. Ich glaube, das Bewusstsein dafür ist in den letzten Jahren enorm gestiegen."

TAG24: Das klingt jetzt nicht so, als würden Sie beim Cannabis-Verkauf groß auf den Online-Handel setzen würden…

Blienert: "Bei der Frage stationärer- oder Online-Handel gibt es viele Fragen, viele Facetten, die man sich anschauen muss. Die verschiedenen Argumente müssen jetzt bewertet werden und der Austausch, der aktuell stattfindet, ist dafür notwendig. Es geht nicht darum, Positionen gegeneinander zu stellen, sondern ein gegenseitiges Verständnis für diese und ihre Berechtigung zu schaffen."

"Zwischen Cannabis zu Genusszwecken und medizinischem Cannabis ist klar zu trennen. Hier darf es keine Vermengung geben"

Auf dem Weg hin zur Legalisierung hat sich die Politik durch eine Menge Dickicht zu kämpfen.
Auf dem Weg hin zur Legalisierung hat sich die Politik durch eine Menge Dickicht zu kämpfen.  © Eric Münch

TAG24: Die Legalisierung soll nach vier Jahren evaluiert werden, steht im Koalitionsvertrag. Wird sie währenddessen gar nicht medizinisch begleitet?

Blienert: "Wir haben eine Evaluierung eines neuen Gesetzes, das einen neuen Markt und Veränderungen in der deutschen Drogen- und Suchtpolitik schafft. Das werden wir wissenschaftlich begleiten und hinterher auch auswerten."

TAG24: Wir glauben, wir meinten wissenschaftlich! Sei es drum: Bekomme ich dann zu jedem Gramm, das ich in der Apotheke kaufe, auch einen Umfragebogen?

Blienert: "Das heißt es nicht. Es ist auch noch nicht geklärt, ob Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken, in denen man üblicherweise Arzneimittel erwirbt, abgegeben werden soll. Wichtig ist jedenfalls: Zwischen Cannabis zu Genusszwecken und medizinischem Cannabis ist klar zu trennen. Hier darf es keine Vermengung geben."

TAG24: Und was sagen Sie zu Forderungen wie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, die ja sehr vehement auf eine medizinische Begleitstudie drängt?

Blienert: "Wir brauchen Wissenschaft in dem, was wir tun! Ich bin ein Anhänger der evidenzbasierten Politik, bei der wir nachvollziehen können, was für Wirkungen und Auswirkungen unser Handeln hat. Das sind wertvolle Abschätzungen für mögliche Folgeschritte. Ich denke, dass wir in dem Bereich verschiedene Forschung brauchen, medizinische, aber auch quantitative und soziologische Erhebungen, etc.…"

TAG24: Wir brauchen, wir planen aber noch nicht…?

Blienert: "Wir brauchen, wir sind im Planungsprozess und wir werden das auch mit bedenken. Schließlich ist das Thema Evaluation auch Bestandteil des Koalitionsvertrags. Mir ist es ein wichtiges Anliegen. Deshalb sind aktuell auch so viele Ministerien beteiligt. Jedem sollte klar sein, dass eine Legalisierung von Cannabis auch in ihrem Bereich eine Relevanz hat."

Warum ist Cannabis-Konsum plötzlich "cool"?

Von immer mehr Menschen wird der Konsum von Cannabis geradezu zelebriert.
Von immer mehr Menschen wird der Konsum von Cannabis geradezu zelebriert.  © Christoph Soeder/dpa

TAG24: Können Sie sich den plötzlichen Sinneswandel von der "Loser-Droge" Cannabis hin zum hippen Lifestyle-Produkt kommt?

Blienert: "Zuschreibungen dieser Art sind immer problematisch. Drogen werden in der Gesellschaft mit verschiedenen Motivationen und Hintergründen konsumiert, das ist ein Faktum. Wenn wir über Fakten reden, haben wir eine bessere Grundlage Entscheidungen zu treffen. Durch den Konsultationsprozess haben wir die Chance genutzt, eine jahrelange Debatte auf Fakten zu fokussieren. Diese fundierte Grundlage, die dabei entstanden ist, ist sehr wertvoll für den kommenden Prozess."

TAG24: Also kann man sagen: Wissenschaft macht Drogen cool!

Blienert: "Das Ziel ist nicht, Drogen 'cool' zu machen. Wir brauchen mehr Wissenschaft, um auf Fragen zu antworten, die berechtigterweise gestellt werden."

Ihr wollt noch mehr zum Thema Cannabis-Legalisierung erfahren? Dann lest doch mal in die Interviews mit Pneumologe Prof. Dr. Stefan Andreas (60) und Benjamin Strasser, Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium, rein!

Titelfoto: Eric Münch & Fabian Sommer/dpa (Fotomontage)

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