Sexuelle Gewalt und "toxische Machokultur" bei der Partei "Die Linke"?
Wiesbaden - Bei der Linkspartei in Hessen soll es jahrelang sexuelle Übergriffe gegeben haben.

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", wonach es über Jahre hinweg zu Fällen von sexualisierter Gewalt gekommen sein soll, erklärte der geschäftsführende Landesvorstand am Freitag: "Wir nehmen die aufgeworfenen Anschuldigungen sehr ernst und haben, seit wir ab Ende November 2021 davon Kenntnis erlangt haben, begonnen, diese auf allen Ebenen aufzuarbeiten."
Das Parteigremium zeigte sich schockiert von der aktuellen Berichterstattung.
Es gebe Dokumente wie Chatverläufe, Fotos oder E-Mails sowie eidesstattliche Versicherungen von Betroffenen mit Hinweisen auf "mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur", berichtete "Der Spiegel" nach Gesprächen mit zehn Frauen und Männern.
"Ein einflussreiches Mitglied der Wiesbadener Linkspartei" im hessischen Landtag habe Fotos und Videos einer minderjährigen Frau in sexuellen Posen aufgenommen. Sie habe den Politiker später wegen Nötigung und Beleidigung angezeigt.
Zur Zeit der Vorfälle sei die jetzige Bundesvorsitzende Janine Wissler (40) Fraktionsvorsitzende der Partei "Die Linke" in Hessen gewesen.
Janine Wissler kennt eine der betroffenen Frauen
Wissler sagte, sie kenne eine der beiden betroffenen Frauen. Diese habe ihr 2018 mitgeteilt, "dass sie ein sexuelles Verhältnis zu meinem damaligen Partner hatte."
Nach dieser Offenbarung habe sie die Beziehung beendet. Bei keinem der darauf folgenden Kontakte mit ihr "wurde der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs oder der sexuellen Gewalt erhoben", so Wissler. Auch sei sie nicht um Hilfe gebeten worden.
In dem anderen Fall habe sie im November 2021 einen Instagram-Screenshot zugeschickt bekommen, erklärte Wissler. Darin habe eine ihr nicht persönlich bekannte junge Frau angegeben, "dass sie vor einigen Jahren durch ein Mitglied der Wiesbadener Linken sexuell missbraucht und durch ein Mitglied der Wiesbadener SPD sexuell belästigt worden sei".
Wissler betonte, sie nehme Vorwürfe von sexueller Belästigung, sexueller Gewalt und Missbrauch sehr ernst und habe sofort gehandelt, als ihr derartige Vorwürfe bekannt geworden seien.
Der Parteivorstand habe im Oktober 2021 eine Vertrauensgruppe eingesetzt, als Hilfsinstanz für Betroffene.
"Sexualisierte Gewalt und Sexismus dürfen in unserer Partei keinen Platz haben"
"Sexualisierte Gewalt und Sexismus dürfen in unserer Partei keinen Platz haben", hieß es in der Stellungnahme des hessischen Landesvorstands. Der Vorwurf des Täterschutzes werde zurückgewiesen.
So seien Betroffenen Gespräche angeboten und "ein umfangreicher Verhaltenskodex" beschlossen worden. Der Kreisverband Wiesbaden organisiere einen Workshop zum Thema "Sexismus-Sensibilisierung".
Zur nächsten Sitzung des Landesvorstands am 30. April sei die Berufung einer oder mehrerer Vertrauenspersonen geplant.
Die mit der Partei verbundene Linksjugend Solid sprach von einem "Schlag in das Gesicht der gesamten Bewegung" und forderte einen "glaubwürdigen feministischen Wandel in der Partei".
Linksjugend-Bundessprecher Jakob Hammes forderte zudem "den Rücktritt aller beteiligten Personen, die Täter sind oder von den Taten wussten und diese gedeckt haben".
Aktualisierte Fassung: 15. April, 18.48 Uhr.
Titelfoto: Christoph Soeder/dpa