Jung-Abgeordneter Fabian Funke: Stimmen aus dem Osten müssen endlich gehört werden!

Berlin - "So jung und schon im Bundestag" lautete im Frühjahr der Titel einer kleinen TAG24-Serie, in der wir Euch Politiker vorstellten, die es schon in jungen Jahren in Deutschlands höchstes Parlament geschafft haben. Inzwischen ist die Bundestagswahl ein Jahr her. Zeit, einmal nachzufragen, wie es unseren Jung-Politikern so ergangen ist, was sie überrascht und enttäuscht hat. Heute: Fabian Funke, 25 Jahre, SPD-Abgeordneter aus dem Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.

Fabian Funke (25, SPD) hat es in jungen Jahren schon in den Bundestag geschafft.
Fabian Funke (25, SPD) hat es in jungen Jahren schon in den Bundestag geschafft.  © Christian Kielmann

TAG24: Schon ein Jahr im Deutschen Bundestag, die Zeit ging ganz schön schnell um, oder?

Fabian Funke: Ja, es ist schon ein wenig verrückt, wenn man bedenkt, dass die Wahl schon über ein Jahr her ist! Mein erstes Jahr im Bundestag ist tatsächlich schnell vergangen – und es war ein sehr intensives Jahr. Aber wir haben ja auch einiges erreicht in der Zeit mit der neuen Fortschrittskoalition – Mindestlohnerhöhung, BaföG-Erhöhung, Einführung des Bürgergelds, drei Entlastungspakete, Abschaffung von §219a.

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TAG24: Welcher Moment der vergangenen zwölf Monate ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?

Funke: Da fallen mir jetzt auf Anhieb zwei Momente ein. Für mich persönlich war meine erste Rede im Plenum ein Moment, der mir besonders in Erinnerung blieb. Es ist und bleibt eben doch etwas Besonderes im Deutschen Bundestag reden zu dürfen.

Welcher Moment auch hängen geblieben ist, ist natürlich der 24. Februar und die direkt darauf folgenden Tage. Es war, wie Olaf Scholz sagte, eine Zeitenwende. Viele Dinge, die wir vorher für Gewissheiten gehalten haben, gelten nicht mehr und es wurden seitdem Entscheidungen getroffen, beispielsweise das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr oder auch das 9-Euro-Ticket, dass nun als 49 Euro dauerhaft weitergeführt werden soll, die so vorher nicht denkbar gewesen wären.

Bundestagsabgeordneter Fabian Funke ist von Ministerpräsident Kretschmer alles andere als begeistert

CDU-Chef Friedrich Merz (66, l.) und Sachsen-MP Michael Kretschmer (47) stehen bei Fabian Funke nicht gerade hoch im Kurs.
CDU-Chef Friedrich Merz (66, l.) und Sachsen-MP Michael Kretschmer (47) stehen bei Fabian Funke nicht gerade hoch im Kurs.  © Eric Münch

TAG24: Was war bislang die größte Enttäuschung für Dich?

Funke: Schade ist natürlich, dass wir sehr viel, sehr wichtiges Krisenmanagement betreiben mussten und so andere Themenfelder ein wenig aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind. Beispielsweise die Erhöhung des Mindestlohnes und des BAföGs.

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SPD Sören Bartol ist neuer hessischer SPD-Vorsitzender: So viele Stimmen bekam er

Bitter enttäuscht bin ich auch von der CDU und ihrem Umgang mit dem Krieg und den Folgen dessen. Auf der einen Seite haben wir einen sächsischen Ministerpräsidenten, der auf Kuschelkurs mit Putin ist, auf der anderen Seite einen Friedrich Merz, der mit seinem "Sozialtourismus" näher an den rechten Rand gerückt ist. Das sind christdemokratische Entwicklungen, die ich sehr bedauerlich finde.

TAG24: Wie hat die Zeit im Bundestag Dein Privatleben vereinbart?

Funke: Kurz gesagt: Das Privatleben wird als Abgeordneter nicht leichter. Mein Terminkalender ist immer gut gefüllt. Ich bin oft in internen Gesprächen, auf Veranstaltungen oder unterwegs im Wahlkreis. Ich versuche, mir trotzdem auch ab und an Zeit für mich und gemeinsame Zeit mit Freundinnen und Freunden zu nehmen. Was ich mir oft fest vornehme, aber leider nicht immer klappt, ist mein Handballtraining. Da kann ich den Kopf ausschalten und neue Energie tanken.

TAG24: Gibt es die alten Freunde in der Heimat noch und sind im vergangenen Jahr neue Freundschaften dazu gekommen? Kann man im Bundestag eigentlich Freundschaften schließen, auch zu Abgeordneten anderer Parteien?

Funke: Natürlich gibt es die noch und dafür bin ich auch enorm dankbar. Ich glaube, es ist sehr wichtig, alte Freundschaften zu pflegen, wenn man ein Mandat im Bundestag übernimmt. Man braucht diesen Halt und die Verwurzlung außerhalb der Politik. Und natürlich kann man hier im Bundestag auch neue Freundschaften schließen. Das ist ebenfalls sehr schön.

SPD-Mann Fabian Funke: "Mir ist bewusst, was für eine privilegierte Position das ist"

Funke im Paul-Löbe-Haus nahe dem Bundestag, Heimat der Abgeordneten.
Funke im Paul-Löbe-Haus nahe dem Bundestag, Heimat der Abgeordneten.  © Christian Kielmann

TAG24: Verbunden mit der Tätigkeit im Bundestag ist auch eine durchaus stattliche Bezahlung. Wie hat sich das Leben mit Blick aufs Monetäre verändert?

Funke: Der Blick auf Geld hat sich wenig verändert. Natürlich gibt einem die Bezahlung ein Stück weit die Freiheit, bestimmte Dinge einfach zu tun, über die man früher länger nachgedacht hat. Und mir ist bewusst, was für eine privilegierte Position das ist. Ich pflege allerdings nach wie vor keinen extravaganten Lebensstil und gebe mein Geld wie auch zuvor für dieselben Dinge aus.

TAG24: Erfährst Du viel Neid was das Monetäre angeht?

Funke: Nein, in meinem persönlichen Umfeld spielt das keine Rolle. Aber natürlich haben die Bürgerinnen und Bürger ein berechtigtes Interesse rund um die Thematik Abgeordneten-Diäten, besonders in Zeiten der Inflation und der steigenden Energiepreise. Wie ich übrigens finde zu Recht.

TAG24: Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise macht einen normalen Parlamentsalltag nahezu unmöglich. Kannst Du Deine Projekte überhaupt noch anbringen - oder gehen die alle unter?

Funke: Es ist schon richtig, dass die aktuellen Krisen die parlamentarische Arbeit hier in Berlin nicht vereinfacht haben. Aber es geht natürlich auch nicht nahtlos an einem vorbei, wenn regionale Unternehmen um ihre Existenz bangen, Menschen sich vor der nächsten Gasrechnung fürchten oder die Bürger und Bürgerinnen nun wieder montags unterwegs sind. Das sind natürlich Stimmungen, die ich nach Berlin mitnehme und weitertrage.

Bundestagsabgeordneter wünscht sich mehr (Be)achtung für Menschen aus Ostdeutschland

Seit einem Jahr ist Fabian Funke Teil des Deutschen Bundestages.
Seit einem Jahr ist Fabian Funke Teil des Deutschen Bundestages.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

TAG24: Welches Thema würdest Du sofort angehen, wenn Du könntest?

Funke: Als Europa- und Außenpolitiker würde ich gerne die Neuausrichtung der deutschen und vor allem sozialdemokratischen Außenpolitik angehen. Unsere Beziehung zu unseren östlichen europäischen Partnern wurde zu lange stiefmütterlich behandelt.

Wichtig ist dabei, dass wir aus der Vergangenheit, besonders aus der jüngsten, lernen und anfangen als Europäerinnen und Europäer viel langfristiger zu denken und planen. Wichtig ist auch, dass wir auf unsere Europäischen Außengrenzen werfen. Hier sehen wir weiter täglich gravierende Menschenrechtsverletzungen.

Ein weiteres, ganz wichtiges Thema, welches mir am Herzen liegt, ist der Blick auf Menschen aus Ostdeutschland. Als junger, ostdeutscher Abgeordneter der Nachwendegeneration kämpfe ich dafür, dass wir Ostdeutschland differenzierter wahrnehmen und anfangen, auf die vielen Stimmen im Osten zu hören, gerade von jungen Menschen, die eine sozialere und europäischere Politik einfordern. Ich habe das Gefühl, dass gerade in Westdeutschland und in den Medien immer noch ein zu einseitiger und falscher Blick über meine Generation herrscht.

TAG24: Ist Berlin für Dich ausschließlich ein Ort zum Arbeiten, oder gibt es Plätze, an denen Du Dich inzwischen "zu Hause" fühlst?

Funke: Ganz ehrlich, Berlin und der Bundestag haben natürlich ein paar schöne Ecken und ich schätze das Zusammensein mit den Kollegen und Kolleginnen sehr, vor allem wenn man ab und zu auch mal etwas Zeit abseits des Politischen verbringen kann. Klar ist aber auch, dass ich mich freue, wenn ich am Ende einer Sitzungswoche wieder in meinen Wahlkreis zurückfahre. Dort findet im Übrigen ja auch ein großer Teil meiner Arbeit statt, nicht nur in Berlin.

Verpasst? Das erste Interview mit Fabian Funke zum Nachlesen.

Titelfoto: Christian Kielmann

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