Gerhard Schröder in Moskau: Der Buhmann der Nation als Vermittler?
Berlin - Es geht um die Beendigung des Krieges in der Ukraine und nebenbei um den Ruf eines früheren Bundeskanzlers: Gerhard Schröder (77) nutzt seine Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) für einen gezielten Vermittlungsversuch - allerdings gänzlich ohne Einbindung der Bundesregierung.

Gefaltete Hände, geschlossene Augen und im Hintergrund der Rote Platz in Moskau.
Mit einem solchen Foto von sich auf Instagram sorgte Soyeon Schröder-Kim (54), die Frau von Altkanzler Schröder, für Aufsehen, Verwunderung, Zustimmung, aber teilweise auch Befremden.
Es wurde von vielen als inoffizielle Bestätigung für das gelesen, was einige Stunden zuvor das Nachrichtenportal Politico in vielen Einzelheiten berichtet hatte: Der zu Hause viel gescholtene Ex-Kanzler und Russland-Lobbyist Schröder ist in Moskau, um Gespräche mit dem russischen Präsidenten Putin über den Krieg um die Ukraine zu führen. Später wurde das auch der Bild-Zeitung und der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.
Ganz überraschend kommt das nicht. Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) mit Putin befreundet, hat ihn immer verteidigt und ihn sogar einmal als "lupenreinen Demokraten" geadelt.
Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik sammelte Schröder Posten bei dem russischen Staatskonzern Rosneft und den Projektgesellschaften für die deutsch-russischen Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 - und steht deswegen zu Hause seit langem in der Kritik.
Gerhard Schröder: Mann mit dem direkten Draht in den Kreml

Auch der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine änderte nichts an Schröders Freundschaft zu Russland und Putin. Der Ukraine warf er dagegen wegen ihrer Forderungen nach Waffenlieferungen aus Deutschland und anderen Nato-Staaten "Säbelrasseln" vor. Trotzdem haben offenbar auch die Ukrainer erkannt, dass Schröders Russland-Kontakte nützlich sein können.
Der ukrainische Botschafter, Andrij Melnyk (46), sagte vor einer Woche der Bild-Zeitung: "Er ist einer der wenigen hier in Deutschland, die womöglich noch einen direkten Draht zu Herrn Putin haben. Es gibt keinen, der so etwas hat in Deutschland und den anderen europäischen Ländern."
Die Reise nach Russland soll von einem ukrainischen Politiker mit Unterstützung der Türkei eingefädelt worden sein. Das Ehepaar Schröder-Kim reiste schon am Montag nach Istanbul, wo Schröder eine ukrainische Delegation getroffen haben soll.
Seine anschließende Bitte bei Putin um ein Treffen soll innerhalb von zehn Minuten positiv beantwortet worden sein, berichtet Politico. Am Mittwoch seien Schröder und Schröder-Kim dann mit einer russischen Maschine nach Moskau gebracht worden.
Schröder-Kim hatte schon am Samstag auf Instagram entsprechend geschrieben: "Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen wie etwa dem DFB (Deutschen Fußball-Bund, Anm. d. Red.)."
Es geht auch um das Bild Gerhard Schröders in den Geschichtsbüchern

Ob es nun Schröders Intention ist oder nicht: Bei der Reise geht es auch darum, was über den siebten Kanzler der Bundesrepublik mal in den Geschichtsbüchern stehen wird.
Mit seinem Festhalten an seinen Posten und seiner Freundschaft zu Putin selbst in Kriegszeiten hat Schröder seinen Ruf in der Heimat inzwischen ziemlich ramponiert. Die Mitarbeiter seines Berliner Büros kündigten ihm, Borussia Dortmund entzog ihm die Ehrenmitgliedschaft, am Freitag entschied sich auch der Deutsche Fußball-Bund für einen solchen Schritt. Die Stadt Hannover entscheidet am 31. März über den Entzug der Ehrenbürgerschaft.
Und dann ist da noch die SPD. Der Ortsverein Heidelberg hat den Parteiausschluss Schröders beantragt und die Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil (44) und Saskia Esken (60) haben ihn ultimativ aufgefordert, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen aufzugeben.
Die beiden haben vor zwei Wochen in einem Brief auf "zeitnahe" Antwort gedrungen.
Jetzt sieht es so aus, als sei die Reise nach Moskau Schröders Antwort. Ganz nach dem Motto: Enge Beziehungen nach Moskau können auch für etwas gut sein. Der SPD bleibt nun nichts anderes übrig, als die Initiative erstmal gut zu finden.
"Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbaren Krieg zu beenden, ist ja willkommen", sagte Klingbeil im ZDF. Ob es etwas nütze, werde man sehen. Auf jeden Fall aber sei gerade jede Gesprächssituation "erstmal was Vernünftiges". Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (51, SPD), sagte ebenfalls im ZDF: "Jede Chance sollte ergriffen werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringe." Es gehe um die Menschen in der Ukraine. "Deswegen drücke ich die Daumen."
Der frühere SPD-Chef und Minister im Kabinett Schröder, Franz Müntefering (82), kritisierte indes die mögliche Mission: "Wenn Gerhard Schröder tatsächlich über Einfluss bei Wladimir Putin verfügen sollte und damit menschliches Leid abwenden könnte, ist die Frage, warum er sich nicht eingeschaltet hat, bevor es zu diesen abscheulichen Kriegsverbrechen in der Ukraine gekommen ist", sagte er der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.
Gerhard Schröder vermittelte schon einmal erfolgreich

Es ist nicht das erste Mal, dass Schröder vermittelt. Im Oktober 2017 schaltete er sich in die Bemühungen um die Freilassung deutscher Staatsbürger aus türkischer Haft ein. Es ging vor allem um den Welt-Journalisten Deniz Yücel (48), der wenige Monate später dann auch freikam.
Schröder nutzte damals seine guten Kontakte zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (68).
Damals handelte der Ex-Regierungschef aber im Auftrag der Regierung. Der damalige Außenminister Sigmar Gabriel (62, SPD) soll ihn ausdrücklich um die Vermittlung gebeten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU) soll zugestimmt haben.
Diesmal hat die Bundesregierung nichts damit zu tun. "Ich kenne nur die Presseberichte", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag. Die Bundesregierung freue sich zwar über jede diplomatische Initiative. Zu der von Schröder wollte sich Büchner dann aber doch nicht konkret äußern. "Ich werde mich zu diesem ganzen Sachzusammenhang hier nicht einlassen."
Ob die Schröder-Initiative Wirkung zeigt oder nicht, wird man vielleicht nie so genau wissen. Es werden derzeit zahlreiche Gespräche in unterschiedlichen Konstellationen geführt. Auch Olaf Scholz (63, SPD) telefoniert mit Putin, erst am Donnerstag wieder zusammen mit Macron. Ein weiteres Gespräch mit dem russischen Präsidenten soll bald folgen.
Welche Kontakte genau wozu führen, wird man am Ende schwer nachvollziehen können.
Scholz wollte die Reise Schröders am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Versailles entsprechend auch nicht kommentieren. Immerhin sagte er aber: "Wir werden sicherlich die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen können und einbeziehen können, in all das, was wir an eigenen Anstrengungen unternommen haben."
Titelfoto: Kay Nietfeld/dpa