Scholz, Habeck und Lindner eröffnen erstes Flüssigerdgas-Terminal Deutschlands

Wilhelmshaven - Es ist keine zehn Monate her, dass Kanzler Olaf Scholz (64, SPD) in seiner "Zeitenwende"-Rede die Errichtung von Flüssigerdgas-Terminals in Deutschland angekündigt hat. Das erste eröffnete er nun persönlich und lobte die Geschwindigkeit bei dem Bau.

Bundeskanzler Olaf Scholz (64, M), Wirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne, l.) und Finanzminister Christian Lindner (43, FDP) eröffneten das Terminal vom Ausflugsschiff "Helgoland" aus, das normalerweise Touristen transportiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz (64, M), Wirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne, l.) und Finanzminister Christian Lindner (43, FDP) eröffneten das Terminal vom Ausflugsschiff "Helgoland" aus, das normalerweise Touristen transportiert.  © Michael Sohn/POOL AP/AP

Die Errichtung in der Rekordzeit von knapp zehn Monaten zeige: "Unser Land kann Aufbruch und Tempo", sagte der SPD-Politiker am Samstag bei der Einweihungszeremonie, an der auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne), Finanzminister Christian Lindner (43, FDP) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (64, SPD) teilnahmen.

Das schwimmende Terminal vor der niedersächsischen Nordseeküste soll dazu beitragen, die durch ausbleibende Lieferungen aus Russland entstandene Lücke bei der Gasversorgung Deutschlands zu schließen.

Für das Terminal wurden binnen weniger Monate eine neue, rund 26 Kilometer lange Anbindungspipeline und ein neuer Anleger gebaut.

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Herzstück des Terminals ist das fast 300 Meter lange Spezialschiff "Höegh Esperanza", das künftig das von Tankschiffen angelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandeln und in das deutsche Gasnetz einspeisen soll.

Scholz sagte, das Terminal in Wilhelmshaven sei ein "ganz, ganz wichtiger Beitrag für unsere Sicherheit". Die Bundesregierung habe nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine schnell entschieden, eine LNG-Terminal-Infrastruktur aufzubauen, um die Energieversorgung unabhängig von dem Pipeline-Gas aus Russland zu machen.

"Als wir das gesagt haben, dass hier zum Beispiel in Wilhelmshaven ein solcher Terminal noch in diesem Jahr entstehen soll, haben viele gesagt: 'Das ist niemals möglich, das wird niemals gelingen.' Und: Das Gegenteil ist wahr", sagte Scholz. Er dankte Arbeitern, Ingenieuren, Unternehmen und Behörden.

Weitere Terminals geplant - Gasversorgung gesichert, "wenn nichts Unvorhergesehenes passiert"

Rund 400 Gäste nahmen an dem Festakt auf dem Schiff teil.
Rund 400 Gäste nahmen an dem Festakt auf dem Schiff teil.  © Axel Heimken/AFP

Vier weitere Terminals sollen bis Ende nächsten Jahres entstehen: jeweils eines in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein), Stade (Niedersachsen) und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) - zudem ein weiteres in Wilhelmshaven.

Sie können nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zusammen ein Drittel der für die Versorgung Deutschlands benötigten Erdgasmenge aufnehmen.

Gas aus Norwegen, den USA, aus der Golfregion und den Niederlanden werde die Versorgung Deutschlands nach Ansicht des Kanzlers auch im Winter 2023/24 sichern. "Davon können wir, so wie in diesem Jahr, ausgehen, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert", sagt Scholz.

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Den Startschuss für die Errichtung der Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel hatte Scholz drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 27. Februar in seiner inzwischen als historisch angesehenen "Zeitenwende"-Rede im Bundestag gegeben.

Harte Kritik seitens vieler Umweltschützer - Habeck verteidigt "unübliche Wege"

Zur Eröffnung des Flüssiggas-Terminals demonstrierten einige Menschen am Samstagmorgen. Auch aus Richtung anderer Umweltschützer hagelt es Kritik.
Zur Eröffnung des Flüssiggas-Terminals demonstrierten einige Menschen am Samstagmorgen. Auch aus Richtung anderer Umweltschützer hagelt es Kritik.  © Sina Schuldt/dpa

Bei Umwelt- und Klimaschützern sorgt das Terminal für viel Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe will weitere rechtliche Schritte einleiten, um eine Befristung des Betriebs zu erreichen. Eine erste Klage läuft bereits.

"Klimakrise und Energiekrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner (59).

Er befürchtet, dass die angestrebte Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase durch übermäßigen Flüssigerdgas-Import gefährdet wird.

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass man einen Kapazitätspuffer brauche, etwa für den Fall, dass eine Anlage ausfällt. Die deutschen Importe sollten zudem auch die Energieversorgung anderer Länder wie Polen, Österreich, Tschechien, der Slowakei und der Ukraine absichern.

Minister Habeck versicherte in den ARD-"Tagesthemen", alles werde so gebaut, dass die Klimaziele erreicht werden. Ohne diese Terminals hätte Deutschland in eine Mangellage hineinrutschen können.

"Wir agieren hier unter höchstem Druck, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten", sagte Habeck. Das bedeute auch, dass Beteiligungsprozesse verkürzt würden und man beim Ausbau der Infrastruktur "unübliche Wege" gehe.

Aktivistin Luisa Neubauer: "Klima-Resignation und Enttäuschung"

Luisa Neubauer (26) ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der Klimaschutzbewegung "Fridays For Future" in Deutschland.
Luisa Neubauer (26) ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der Klimaschutzbewegung "Fridays For Future" in Deutschland.  © Jessica Lichetzki/dpa

Die "Fridays For Future"-Aktivistin Luisa Neubauer (26) kritisierte die Bundesregierung scharf für deren Klimapolitik.

Beim Ausbau erneuerbarer Energien, Geld für den Klimaschutz und beim Energiesparen gebe es Stagnation, sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur.

"Eine Koalition, die als Fortschrittskoalition angetreten ist, hat in diesem Jahr bei vielen Menschen für Klima-Resignation und Enttäuschung gesorgt", erklärte sie.

"Das kann und muss sich ändern, mit Politik, die ernsthaft vor Krisen schützt und für Gerechtigkeit sorgt."

Titelfoto: Axel Heimken/AFP

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