Schaulustige bejubeln Brand einer geplanten Asylunterkunft

In Bautzen ging in der Nacht zu Sonntag eine geplante Asylunterkunft in Flammen auf.
In Bautzen ging in der Nacht zu Sonntag eine geplante Asylunterkunft in Flammen auf.

Von Matthias Kernstock

Bautzen - In der Nacht zu Sonntag brach in einer geplanten Asylunterkunft in Bautzen am Käthe-Kollwitz-Platz ein Feuer aus. Betrunkene Schaulustige bejubelten die brennende Unterkunft, der ehemalige Betreiber kann sich einen technischen Defekt nicht vorstellen.

+++Info: Die Reaktionen der Politik und Medien auf #Bautzen stehen unten+++

Gegen 3:35 Uhr wurde die Feuerwehr alarmiert: Feuer im ehemaligen Hotel und Restaurant "Husarenhof", der Dachstuhl stand in Flammen. Sofort rückten die Berufsfeuerwehr Bautzen sowie umliegende Städtewehren an und bekämpften den Brand mit 70 Kameraden.

Mehrere Stunden kämpften die Kameraden gegen die Flammen, verhinderten ein Übergreifen der Flammen auf angrenzende Wohnhäuser sowie Supermärkte in der engen Stadtbebauung. Der Wind entfachte die Flammen immer wieder neu, erschwerte Bedingungen für die Feuerwehr.

Die Brandursache ist noch nicht klar. Die Polizei sowie der Brandursachendienst nehmen nun die Ermittlungen auf, sobald alle Glutnester gelöscht wurden.

Die Brandursache konnte noch nicht ermittelt werden.
Die Brandursache konnte noch nicht ermittelt werden.

Rund um den Husarenhof kommt es auf Grund der Löscharbeiten zu erheblichen Einschränkungen im Straßenverkehr.

Zeugen sagten MOPO24, mehrere Personen bejubelten den Brand am "Aldi"-Markt neben der Unterkunft. Darunter seien auch Kinder gewesen, die es den teilweise betrunkenen Erwachsenen gleich taten und applaudierten, Flüchtlinge als "Kanaken" bezeichneten.

Die Polizei nahm die Personalien mehrerer Schaulustiger auf und erteilte Platzverweise gegen drei 19 und 20 Jahre alte Bautzener, so Pressesprecher Thomas Knaup gegenüber MOPO24.

Da die beiden alkoholisierten 20-Jährigen dem nicht nachkamen und Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen leisteten, wurden sie in Gewahrsam genommen.

Die Löscharbeiten dauern zur Stunde an. Verletzt wurde nach derzeitigem Kenntnisstand offenbar niemand. Das Ortskundigen als Husarenhof bekannte Gebäude wurde zuletzt als Hotel genutzt und sollte ab März als Asylbewerberunterkunft für 300 Flüchtlinge dienen.

Die Höhe des Sachschadens ist noch nicht bekannt.
Die Höhe des Sachschadens ist noch nicht bekannt.

Michael Pfützner, der noch im Herbst engangierter Hotelier des Husarenhofes war, ist über den Brand schockiert.

"Ich habe noch vor drei Wochen in dem Hotel gewohnt, jetzt ist das Gebäude total ausgebrannt", sagte der 59-Jährige am Sonntagvormittag gegenüber MOPO24. "Stellen sich Sie vor, ich wäre da drin gewesen heute Nacht."

Pfützner kennt die Einwohner in Bautzen gut, er hat ein Gespür für die Stimmung in der Stadt.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein technischer Defekt für den Brand verantwortlich ist." Alle Gasleitungen seien abgedreht gewesen, auch der Strom sei zum größten Teil nicht mehr am Netz gewesen.

Der ehemalige Betreiber schätzt den Sachschaden des Gebäudes mit 26 Zimmern auf 500.000 Euro. "Meine Möbel habe ich in den letzten Wochen teilweise ausgeräumt. Aber ein paar Sachen sind noch drin gewesen. Ca. 40.000 Euro Schaden habe ich jetzt dadurch."

Pfützner, der gegen 4 Uhr über den Brand informiert wurde, da sein Transporter direkt neben dem Hof geparkt war, beobachtete vor Ort auch die Menschen, die den Brand beim Parkplatz des örtlichen "Aldi" bejubelten.

"Die haben dort gefeiert, während das Gebäude in Flammen aufging. Schrecklich", sagt Pfützner.

Am Nachmittag gab es eine Spontan-Demo am Käthe-Kollwitz-Platz.
Am Nachmittag gab es eine Spontan-Demo am Käthe-Kollwitz-Platz.

Udo Hiller (65) aus Bautzen wohnt direkt gegenüber dem abgebrannten Gebäude in Bautzen. Er sagte MOPO24: "Ich gehe von einem Molotowcocktail aus oder irgendwas. Aber ein Molotowcocktail reicht dafür nicht aus. Ich schätze es war Brandstiftung." Angeblich soll eine Scheibe in dem abgebrannten Gebäude eingeworfen gewesen sein.

Für das Verhalten der Schaulustigen hat der 65-Jährige kein Verständnis: "Die standen ja hier rum, ganz schadenfroh. Ein 18-jähriges Mädchen war dabei. Die müssen gerade von der Disko gekommen sein vermutlich. Die haben sich gefreut, dass das hier brannte."

Inzwischen geht auch die Polizei von Brandstiftung aus. Das sagte Bernd Merbitz (60) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Leiter des für Extremismus zuständigen Operativen Abwehrzentrums (OAZ) der sächsischen Polizei und Leipziger Polizeipräsident. Die Untersuchungen liefen aber noch. Einen Tatverdacht gebe es bisher nicht. Es werde in "jede Richtung" ermittelt, betonte Merbitz, der vor Ort in Bautzen war.

Laut einer Mitteilung der Polizei Görlitz vom Nachmittag haben nach dem Löschen des Brandes die Brandursachenermittler unverzüglich ihre Untersuchungen aufgenommen. Dabei kam auch ein Brandmittelspürhund zum Einsatz. Im Zuge dessen wurden Spuren von Brandbeschleuniger in dem Gebäude entdeckt. Wieterführende Details könnten aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht vermittelt werden.

Die Band Silbermond aus Bautzen zeigte sich erschüttert. "Es macht uns traurig und wütend, sowas zu lesen. Jetzt also auch in Bautzen", schrieb die Band um Sängerin Stefanie Kloß ("Das Beste", "Leichtes Gepäck") am Sonntag bei Facebook.

"In 3 Tagen werden wir zwei Konzerte in unserer Heimatstadt spielen und wir wissen, dass in dieser Stadt viele Menschen leben, die nicht vor diesem brennenden Haus gestanden und Müll von sich gegeben haben. Wir müssen wach bleiben, wir müssen die Augen offen halten und dürfen solchen Menschen mit ihrer Gesinnung keinen Platz geben."

Bei einer Spontandemo versammelten sich am Sonntagnachmittag am Käthe-Kollwitz-Platz in Bautzen etwa 70 Personen. Man wollte damit zeigen, dass nicht alle Bautzner gegen Flüchtlinge sind.

Reaktionen auf den Brand in Bautzen

  • Innenminister Markus Ulbig (51, CDU) hat das Verhalten von Schaulustigen scharf verurteilt. "Was mich besonders betroffen macht, ist die Tatsache, dass mehrere betrunkene Bautzener vor Ort pöbelten", sagte Ulbig. Er fügte hinzu, es sei "unerträglich, wie offen und respektlos der Hass auf Ausländer zur Schau getragen wird."
  • Ministerpräsident Stanislaw Tillich (56, CDU) bezeichnete die Vorkommnisse als "widerlich und abscheulich". Die Vorfälle seien erschreckend und schockierend zugleich, sagte Tillich am Sonntag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher." Die Strafverfolgungsbehörden würden konsequent ermitteln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Solche Taten besudelten "das, was die Menschen an Mut in der friedlichen Revolution aufgebracht haben und den Fleiß beim Wiederaufbau Sachsens".
  • Bundesinnenminister Thomas de Maizière (62, CDU) hat die fremdenfeindlichen Vorfälle in Clausnitz und Bautzen als "inakzeptabel" verurteilt: "In Deutschland darf jeder seine Ängste und Sorgen äußern - das gilt auch für politische Meinungen, die einem nicht gefallen", erklärte er am Sonntag in Berlin. "Aber es gibt eine Schwelle des Anstands und des Rechts, die nicht überschritten werden darf - und bei den Geschehnissen in Sachsen wurden diese Schwellen deutlich überschritten." Gewalt zur Verfolgung politischer Interessen in Deutschland sei keine Lösung: "Es ist völlig inakzeptabel, wenn Menschen, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen, mit Hass und Hetze begrüßt werden."
  • Zum Brand in Bautzen erklärt Petra Zais, asylpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag: "Ich erwarte nicht nur ein Bedauern des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und des sächsischen Innenministers Markus Ulbig, sondern konsequentes Handeln des Rechtsstaates gegenüber Gewalttätern und Blockierern."
  • Auch Silvio Lang (32), vom Landesvorstand DIE LINKE erklärt: "Jetzt aber setzt Bautzen noch einen drauf, mit einem Brand im Husarenhof und klatschenden Menschen, die mit Alkohol in der Hand und ihren Kindern im Schlepptau, die Szenerie gefährlich nach 1991 und Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen aussehen lassen." Nun sei die Staatsregierung und Innenminister Markus Ulbig gefragt, "endlich konsequent zu agieren".

  • "Ich bin zutiefst erschüttert", sagt der Bautzner CDU-Wahlkreisabgeordnete Marko Schiemann, der sich heute Morgen selbst ein Bild vor Ort machte und mit den Einsatzkräften sprach. "Wir brauchen nun schnelle Klarheit darüber, wie es zu dem Feuer kam. Sollte sich herausstellen, dass hier Brandstifter am Werk waren, müssen die Täter schnellstens ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden", so Schiemann.

  • Bautzen Oberbürgermeister Alexander Ahrens (50, parteilos), der seinen Winterurlaub abbrach, ringt am Telefon nach Worten: "Die Vorgehensweise ist absolut widerwärtig." Das Gebäude, in dem im März die ersten Flüchtlinge einziehen sollten, ist massiv beschädigt und unbewohnbar: "Es wird lange Zeit brauchen, um das Haus wieder in den Ursprungszustand zurück zu versetzen", so der Bürgermeister.

Die Löscharbeiten dauern am Sonntagmorgen weiter an (Stand 7:35 Uhr).
Die Löscharbeiten dauern am Sonntagmorgen weiter an (Stand 7:35 Uhr).
Während die Kameraden löschten, bejubelten Schaulustige den Brand der geplanten Asylunterkunft.
Während die Kameraden löschten, bejubelten Schaulustige den Brand der geplanten Asylunterkunft.
Die Kriminalpolizei und Brandursachenermittler werden sich im Verlauf der nächsten Tage ein Bild machen müssen.
Die Kriminalpolizei und Brandursachenermittler werden sich im Verlauf der nächsten Tage ein Bild machen müssen.
Die Löscharbeiten zogen sich bis in den Sonntagvormittag.
Die Löscharbeiten zogen sich bis in den Sonntagvormittag.

Fotos: Rocci Klein (3), Rico Löb (1), Christian Essler (3) Videomaterial: Johnny Linke

Titelfoto: Import