ranNFL: Ein Blick hinter die Kulissen! Zwischen Football und Fruchtgummis

Unterföhring - Es begann als Experiment. Es übertraf alle Erwartungen. Die Football-Sendung "ranNFL" auf ProSieben Maxx brachte eine Randsportart zurück in den Mainstream. Denn dort wäre sie schon mal gewesen - eigentlich.

Jan Stecker und Christoph "Icke" Dommisch bereiten sich entspannt auf die erste Sendung am Sonntag vor.
Jan Stecker und Christoph "Icke" Dommisch bereiten sich entspannt auf die erste Sendung am Sonntag vor.  © TAG24/Marco Schimpfhauser

In den 90ern erlebte American Football, oder genauer: die National Football League (NFL), ihren bis dahin größten Höhenflug in Deutschland. Joe Montana, Deion Sanders, Hardy Nickerson, Emmitt Smith - diese Namen dominierten die Gespräche unter den Fans.

Dann folgte das hin und her zwecks der Lizenz der NFL. Mal im Free-TV, mal im Pay-TV, mal überhaupt nicht in Deutschland - die Zuschauer wandten sich ab, der harte Kern suchte ausländische Alternativen. Im Juli 2015 fassten sich die Verantwortlichen von ProSieben Maxx ein Herz und versuchten einen Neuanfang. NFL im deutschen Free-TV. Vielleicht nehmen es die Leute ja noch einmal an.

Gut vier Jahre später. Es ist Sonntag. Etwa 13 Uhr. Die ersten von knapp 50 Mitarbeitern betreten das Studio in Unterföhring. Nur noch fünf Stunden bis zur ersten Sendung an diesem Tag.

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Klingt nach viel Zeit. Doch die ist durchgetaktet. "Ablaufpläne werden gedruckt, aktuelle Beiträge werden geschnitten, technische Ablaufbesprechungen müssen abgehalten werden", erklärt Sendungsleiter Philipp Kubießa.

"Das Team macht in dieser Zeit die Grafiken, Studioeinblendungen, Besprechung mit den Moderatoren, aktuelle Informationen werden abgeglichen, Vorlaufproben finden statt. Außerdem sollen sich die Leute auch alle erst einmal akklimatisieren und zueinander finden."

Der Grundstock an Mitarbeitern in Regie und Redaktion sei immer gleich. "Aber wir haben etwa 40 bis 50 Personen an so einem Tag im Studio - und diese Zusammensetzungen variieren von Sendung zu Sendung." Kubießa hat als Praktikant beim Sender angefangen - jetzt gibt er den Takt vor. Ein Eigengewächs der Senderfamilie ProSiebenSat1.

Vier Stunden später. Deutschlands bärtigste Blondine und zugleich der wohl bekannteste Live-Show-Redakteur Christoph Dommisch, von Fans und Kollegen nur "Icke" genannt, sitzt an seinem Pult im TV-Studio, wirkt entspannt und gut gelaunt: "Wir haben damals natürlich gehofft, dass es funktioniert. Aber dass es über Jahre nicht nur sich hält, sondern ständig weiter wächst, damit hat in diesem Umfang keiner gerechnet," gesteht der 32-Jährige.

Dank Twitter & Co.: Die Zuschauer werden Teil der laufenden Sendung

Alles im Blick: Im Regieraum herrscht reges Treiben. Insgesamt arbeiten 40-50 Personen während einer Sendung.
Alles im Blick: Im Regieraum herrscht reges Treiben. Insgesamt arbeiten 40-50 Personen während einer Sendung.  © TAG24/Marco Schimpfhauser

Eben diese Tatsache, dass man nicht wusste, ob es klappt, sei der Grund, warum er überhaupt vor der Kamera ist:

"Es war alles neu für uns. Wir haben überlegt, wen man vor die Kamera setzen könne und da fiel die Wahl auch auf mich." Einen Redakteur, keinen Moderator. Man wollte einfach mal probieren, ob es klappt.

Und es hat geklappt. Zum Start der aktuellen und zugleich 100. NFL-Saison hat ranNFL (eigentlich: "ranFootball") dem Spartensender zum erfolgreichsten Tag und Quotenrekord verholfen - in der Gesamtgeschichte des Senders (TAG24 berichtete).

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Icke trug dazu wohl einen entscheidenden Teil bei. Nicht nur, dass Icke skurrile Meldungen, Insider-Infos und witzige Geschichten rund um die Liga sammelt. Er stellt die Verbindung zwischen Zuschauern und Live-Sendung her: als "Net Man".

Er liest die Tweets und Social-Media-Beiträge der Zuschauer vor, interagiert mit den Fans, sucht die skurrilsten Postings und Bilder aus den deutschen Football-Wohnzimmern heraus und zeigt sie den Zuschauern.

Diese werden dadurch Teil der Sendung und gestalten sie mit. "Würden diese Leute nicht oft so verrückte Dinge liefern, könnte die Show in dieser Form gar nicht funktionieren", lobt er die "ranNFL-Süchtigen", wie sie sich teils selbst nannten. Ähnlich sieht es Patrick "Der Coach" Esume (45).

Wenige Minuten vor Sendebeginn kommt er aus der Maske, wird auf dem Weg zum Studio "verkabelt", also mit einem Funkmikrofon ausgestattet. Ebenso wie sein Kollege Roman Motzkus, der gleich nach der Verkabelung mit seinen Statistiken in eine dunkle Ecke verschwindet. Er wird heute ebenfalls zum Auftakt der Sendung kurz vor der Kamera zu sehen sein.

Überwältigt vom Erfolg doch mit ehrgeizigen Zielen für "ranFootball"

Moderator und Football-Experte Roman Motzkus (l.) wird für die Sendung verkabelt.
Moderator und Football-Experte Roman Motzkus (l.) wird für die Sendung verkabelt.  © TAG24/Marco Schimpfhauser

"Man hofft ja immer, dass das, was man von Freunden und Bekannten an Begeisterung für den Sport vermittelt bekommt, sich auch tatsächlich auf die Quoten niederschlägt", meint Esume auf dem Weg zum Set.

Der ehemalige Trainer der französischen Nationalmannschaft erinnert sich: "Aber das, was dann passiert ist, stellte alles auf den Kopf. Football ist gekommen, um zu bleiben."

Am Ende der Erfolgsgeschichte sieht er die Football-Show noch nicht: "Es würde mich nicht wundern, wenn Football irgendwann bei den großen Sendern laufen würde. Nicht erst ab den Playoffs."

Wünschen würde es sich Patrick Esume. Aber es sei ja noch Zeit: "Wir sind ja noch jung", fügt er lächelnd an, dreht sich zu einem Studiomitarbeiter und fragt: "Habt ihr irgendwo ein Schälchen für meine Fruchtgummis?" Seine Leidenschaft für die süßen Häppchen hat bereits Kultstatus.

Eine ähnliche Vorstellung von der Entwicklung hat auch sein Kollege Jan Stecker (59), ehemaliger Tight End und Quarterback der Cologne Crocodiles: "Ich glaube, dass noch Luft nach oben ist, denke aber auch, dass wir schon sehr nah an der Spitze angelangt sind", prognostiziert der Moderator. Er selbst ist schon lange auch Fan der San Francisco 49ers, die nach einer jahrzehntelangen Durststrecke in dieser Saison bisher ungeschlagen sind. "Ich würde es ihnen sehr wünschen, dass sie wieder oben ankommen." Von hinten ruft eine Stimme: "Noch eine Minute." Alle nehmen ihre Plätze sein, scherzen untereinander, sortieren ihre Unterlagen.

Eine Vorstellung von der Sendung, wie sie in ein paar Jahren aussehen könnte, hat auch Icke: "In Deutschland ist es ja normal, dass alles ständig neu erfunden wird. In den USA laufen Sendungen teilweise 30 Jahre lang ohne nennenswerte Änderungen im Konzept. Warum auch nicht hier?", erklärt der gebürtige Brandenburger und fügt grinsend hinzu "Also ich sitze gerne noch mit 45 Jahren hier und bediene das Internet - wenn ich es dann noch verstehe."

Titelfoto: TAG24/Marco Schimpfhauser

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