Schmerzhaftes Erinnern: Überlebende treffen sich in Bergen-Belsen

Lohheide - Holocaust-Überlebende und ihre Angehörige aus 16 Ländern haben sich in Bergen-Belsen zu einer Gedenkveranstaltung getroffen.

Claudia Roth (67, Mitte, Bündnis 90/Die Grünen), Staatsministerin für Kultur und Medien, nimmt an der Gedenkveranstaltung auf dem Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen teil.
Claudia Roth (67, Mitte, Bündnis 90/Die Grünen), Staatsministerin für Kultur und Medien, nimmt an der Gedenkveranstaltung auf dem Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen teil.  © Moritz Frankenberg/dpa

Sie legten Blumen nieder in Erinnerung an die mehr als 52.000 Menschen, die in dem Lager in der Lüneburger Heide starben. "Wie schwer die Last ist, an der die Überlebenden der Hölle von Bergen-Belsen tragen, können wir, die das Grauen dieses Lagers nicht erlebt haben, kaum ermessen", sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (67, Grüne) am Sonntag.

"Bergen-Belsen war die Endstation der deutschen Vernichtungsmaschinerie." Menschen hätten diese Verbrechen begangen, keine Bestien.

Als die Briten das Lager am 15. April 1945 befreiten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. "Überall lagen Leichen", sagte Esther-Alice Weiszfeiler kurz vor Beginn der Veranstaltung. Die heute 89-Jährige erlebte die Befreiung als Elfjährige.

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Wie die Menschen im Lager vom KZ-Personal misshandelt wurden, könne sie nicht vergessen, sagte Weiszfeiler, die in Mähren geboren wurde und heute in Israel lebt.

Sie hätten in den Baracken auf dem nackten Boden liegen müssen - ihre kranke Mutter sei am Tag der Befreiung nicht mehr bei Bewusstsein gewesen. Die Briten hätten dann sofort ein Spital eingerichtet.

Esther-Alice Weiszfeilers Mutter starb kurz nach der Befreiung. Bis heute sei es für sie ein Trost, dass ihre Mutter in einem richtigen Bett mit einem weißen Laken gestorben sei, erzählte die zierliche 89-Jährige, die von ihrem Sohn begleitet wurde.

Knapp 60 ehemalige Insassen kamen zusammen

Eine Musikerin spielt während einer Gedenkveranstaltung.
Eine Musikerin spielt während einer Gedenkveranstaltung.  © Moritz Frankenberg/dpa

Knapp 60 ehemalige Insassen kamen zusammen, sie trauerten um von den Nazis ermordete Verwandte. Bergen-Belsen ist nicht nur Gedenkstätte, sondern auch ein großer Friedhof. Tausende sind hier in Massengräbern bestattet, darunter die 15-jährige Anne Frank, die nach ihrem Tod mit ihren Tagebüchern weltbekannt wurde.

Für die Überlebenden war es nach Angaben der Gedenkstätte ein besonderes Anliegen, sich nach der langen Corona-Pause wieder persönlich zu treffen.

Claudia Roth dankte den Überlebenden für ihre Ausdauer und ihren Mut, immer wieder Zeugnis von den nationalsozialistischen Verbrechen abzulegen.

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"Ihre Zeitzeugenschaft ist unser Antrieb", sagte die Ministerin. "Dieses Erinnern ist Auftrag und Verpflichtung für uns."

Es gehe darum, gemeinsam gegen Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus in jeder Art aufzustehen.

"Belsen war der Schlusspunkt der Shoa"

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mark Dainow, sagte: "Belsen war der Schlusspunkt der Shoa, der absolute Gefrierpunkt der Menschheitsgeschichte."

Sechs Millionen Juden, Hunderttausende Sinti und Roma sowie Millionen anderer Menschen seien im Nationalsozialismus ermordet worden. Dainow kritisierte, dass der Antisemitismus heute in Deutschland oft verharmlost oder heruntergespielt werde. "Wir bilden uns den Antisemitismus nicht ein. Er ist echt. Wir sehen ihn Tag für Tag", sagte er.

Am Dienstag (6. September) wird Israels Staatspräsident Izchak Herzog (61) gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (66) die Gedenkstätte in der Nähe von Celle besuchen.

Herzogs Vater war als Offizier der britischen Armee an der Lagerbefreiung beteiligt.

Titelfoto: Moritz Frankenberg/dpa

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