In der Form einmalig: Deutsche Stadt lädt zur virtuellen Zeitreise

Essen - Eine Reise nach Essen ins Herz des Ruhrgebiets? Da schlägt mancher die Stirn schnell in Falten. Zu Unrecht! Immerhin ist Essen die drittgrünste Stadt Deutschlands, die Zeche Zollverein sogar als UNESCO-Welterbe geadelt. Und in Essen kann man neuerdings Zeitreisen unternehmen - weltweit einmalig. Bewaffnet mit neuester Hi-Tech startet die erste Mixed Reality Tour des Universums! Dabei verschmelzen Realität und Vergangenheit spektakulär miteinander. So habt Ihr eine Stadt noch nie gesehen!

Zeitreise zurück in die Zukunft: Touristen mit hypermoderner Mixed-Reality-Brille und Handy-Equipment lassen sich vorm Essener Dom ins Jahr 1887 katapultieren.
Zeitreise zurück in die Zukunft: Touristen mit hypermoderner Mixed-Reality-Brille und Handy-Equipment lassen sich vorm Essener Dom ins Jahr 1887 katapultieren.  © PR / Ralf Schultheiss

Deine erste Zeitreise vergisst Du nie - versprochen! In Essen trägt man die Zeitmaschine auf der Nase.

Über eine halbdurchsichtige Art Sonnenbrille wird man an vielen Stellen der Innenstadt ins Jahr 1887 zurückgebeamt. So steht man plötzlich Spalier bei einem Leichenzug.

Oder man geht mit der über 1 000-jährigen Goldenen Madonna aus dem Essener Domschatz - übrigens die älteste erhaltene vollplastische Marienfigur der abendländischen Kunst - förmlich auf Tuchfühlung.

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Die Szenen wurden im Corona-Lockdown in einem speziellen Studio mit 32 Hochgeschwindigkeitskameras aus allen Blickwinkeln gleichzeitig aufgenommen.

Herausgekommen sind dabei Effekte, die man sich ähnlich wie im Film "Matrix" vorstellen kann. Einer der spektakulärsten ist Nummer 13 - eine Kneipenszene.

Dabei kann man zwischen dem Wirt (gespielt von Henning Baum aus "Der letzte Bulle") und Theatergründerin Wilhelmine Grillo (Tatjana Clasing, "SOKO") munter herumscharwenzeln, ihnen wahlweise direkt ins Gesicht, über die Schultern oder aber ins Spirituosen-Regal schauen und dort die Flaschenetiketten studieren.

Spektakulär ist der virtuelle Markt vor der Original-Marktkirche

Zeitgenossen auf der Zeitreise: Harry Wijnvoord als Illusionist, Alicja Rosinski als Dienstmädchen, Tatjana Clasing als Bauherrin, Henning Baum als Wirt, Nelson Müller als Koch sowie das Essener Rap-Duo "257ers" als Barden (v.l.n.r.).
Zeitgenossen auf der Zeitreise: Harry Wijnvoord als Illusionist, Alicja Rosinski als Dienstmädchen, Tatjana Clasing als Bauherrin, Henning Baum als Wirt, Nelson Müller als Koch sowie das Essener Rap-Duo "257ers" als Barden (v.l.n.r.).  © PR

Die künstlichen Bilder sind dennoch alles Originale einer verflossenen Zeit.

"Die Bierhumpen von 1890 im Schaufenster stammen aus dem Fundus des Ruhr-Museums, wurden mit Handscannern dreidimensional eingelesen", erzählt Lars Büttner (50) von der Essen Marketing GmbH. Er hat sich selbst in der virtuellen Vergangenheit verewigt - als Bauarbeiter, der einen Knochen vorm Burgplatz findet, wo früher der alte Stadtfriedhof lag.

Spektakulär ist der virtuelle Markt vor der Original-Marktkirche. Dafür feiert das in den 1960er-Jahren abgerissene und am Computer mit viel Liebe zum Detail nachgebaute neogotische Rathaus seine Auferstehung. Der Marktplatz ist echt, das geschäftige Treiben mit Händlern und Obstauslagen wird dazu geblendet. Aber so echt, dass man förmlich einen Apfel aus einer Stiege nehmen und probieren möchte.

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Für Außenstehende fuchtelt man dabei grundlos durch die Luft, dreht sich mehrfach auf der Stelle oder starrt wie gebannt Fassaden an. Kein Wunder, dass die Zeitreisenden auf Passanten wie Besucher aus einer anderen Welt wirken.

Seht es ihnen nach, wenn Sie bei Ihrer Tour von Fremden neugierig angesprochen werden: Reisen in die Vergangenheit sind eben noch nicht so bekannt. Zurück im Hier und Jetzt fühlt man sich bisweilen so, wie es der Wirt an einer Stelle erahnt: "Sie sehen aus, als könnten Sie einen Schnaps vertragen."

Zeche Zollverein mixt Altes mit Neuem

Die Zeche Zollverein mit dem "Doppelbock"-Fördergerüst von Schacht XII wird auch liebevoll "Eiffelturm des Ruhrgebietes" genannt.
Die Zeche Zollverein mit dem "Doppelbock"-Fördergerüst von Schacht XII wird auch liebevoll "Eiffelturm des Ruhrgebietes" genannt.  © IMAGO / imagebroker

Am 23. Dezember 1986 war Schicht im Schacht. Nach 135 Jahren Steinkohleabbau wurde die "Zeche Zollverein" in Essen geschlossen - eine von einst über 400 im Ruhrgebiet.

Doch "Zollverein" erstand als Architektur- und Industriedenkmal wieder auf, wurde 2001 zum Welterbe der UNESCO gekürt.

Heute ist das 100 Hektar große Gelände Ruhr-Museum, Kunstschacht im ehemaligen Maschinenhaus, Kletter-Parkour, Erlebnisgastronomie und Badeanstalt zugleich.

Im Werksschwimmbad auf der Kokerei wird sogar regelmäßig ein Arschbomben-Contest zelebriert.

Wo einst Steinkohle unter enormem Lärm der Anlagen gefördert wurde, kann man heute den Weg der Rohkohle bis zur Kokerei in aller Ruhe verfolgen und dennoch zwischen den authentischen Anlagen herumlaufen - von der Kohlewäsche mit ihren riesigen Siebtrommeln bis zur Verladung über Förderbänder. Zechenführer wie Rudolf "Rudi" Hauke (63) erklären bei Führungen wie "Kohle & Kumpel" (Preis: 10/7 Euro), dass ein kleiner Teil der Zeche das endlose Leben hat.

"Das Grubenwasser muss auf ewig abgepumpt werden, damit der Untergrund unter Essen nicht aufweicht", erklärt Rudi die sogenannten Ewigkeitslasten. Seine Tour endet ebenso wie eine Schicht der Kohlekumpel - unter der Figur der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute.

Villa Hügel: Ein Haus wie aus der Zeit gefallen

Prominent über dem Ruhrtal und Baldeneysee gelegen: Schlossähnliche "Villa Hügel" der Familie Krupp mit 269 Räumen.
Prominent über dem Ruhrtal und Baldeneysee gelegen: Schlossähnliche "Villa Hügel" der Familie Krupp mit 269 Räumen.  © Imago/Blickwinkel

Bei einem Besuch der "Villa Hügel" fühlt man sich wie auf Staatsbesuch, nur ohne Staatskarosse.

An der Schranke zur Einfahrt zum weitläufigen Park löst man das Ticket (Eintritt: 5 Euro). Dann darf man durch das Eingangstor und den 28 Hektar großen Hügelpark bis zum Parkplatz direkt an der Villa fahren.

Alfred Krupp (†75) ließ die protzige Villa im Essener Stadtteil Bredeney als Wohn- und Repräsentationshaus der Industriellenfamilie errichten.

Man kann durch Empfangssalons, Speisesaal und Bibliothek mit historischen Möbeln und Familienporträts sowie das angrenzende Gästehaus schlendern. Tipp: Entdecken Sie die Orgel auf der Empore in der Oberen Halle. Sie erklang bei Hausmusik zu gesellschaftlichen Anlässen.

Auch die versteckten nostalgischen Toiletten im Obergeschoss mit den Wandteppichen (beim Sicherheitspersonal erfragen) sind wie aus der Zeit gefallen und eine kurze Pause für ein kleines oder großes Geschäft wert.

Immerhin gehörte das "Geschäfte machen" auch gleich nebenan im imposanten Arbeitszimmer von Alfred Krupp mit dem massiven Doppelschreibtisch zum Tagesgeschäft.

Was man sonst noch wissen sollte

Skyline der Innenstadt: Rathaus, RWE-Tower und Kuppel der alten Synagoge, die heute ein Museum ist.
Skyline der Innenstadt: Rathaus, RWE-Tower und Kuppel der alten Synagoge, die heute ein Museum ist.  © imago/Jochen Tack

• Die "Mixed Reality Tour" dauert zwei Stunden, ist täglich zwischen 12 und 16 Uhr buchbar und kostet inkl. Leih-Equipment 25 Euro.

www.visitessen.de

• Traditionell am letzten Samstag im Juni gibt's im Revier eine ExtraSchicht. An 43 Spielorten in 23 Städten steigt das größte Kulturfest der Region – am 25. Juni 2022 bereits zum 20. Mal und auch an der Zeche Zollverein.

www.extraschicht.de

• Reisetipp: Im Hotel "Motel One" am Kennedyplatz übernachten. Von den Zimmern und Balkons auf den oberen Etagen hat man einen ausgezeichneten Blick hinüber zum Dom und über das Grün der Stadt bis zur Zeche Zollverein.

Titelfoto: PR / Ralf Schultheiss

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