Hochwasser-Katastrophe in Rheinland-Pfalz: Bestattungen im Kreis Ahrweiler schwierig
Bad Neuenahr-Ahrweiler - Nach der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal hat der Krisenstab erste Erfolge gemeldet.

Am Sonntag sei die doppelte Menge an Müll aus der Krisenregion um Bad Neuenahr-Ahrweiler gebracht worden, nachdem der private Verkehr eingeschränkt worden sei, sagte die Leiterin des Stabs, Begoña Hermann, am Montag.
Zudem stehe jetzt ein Brückenkonzept, das nach und nach umgesetzt werde.
Es sehe zunächst vor, die bisherigen drei Notbrücken in Rech, Liers und Insul durch provisorische Brücken zu ersetzen. Und: Die Post werde in weiten Teilen wieder zugestellt.
Innenminister Roger Lewentz (SPD) berichtete, dass die Verbandsgemeinde Altenahr ganz besonders von der Naturkatastrophe getroffen wurde. In Dernau habe es wohl bis zu 16 Tote gegeben.
Die Verbandsgemeinde sei auch in ihrer Verwaltungsstruktur zerstört. "Es gibt kein Verwaltungsgebäude mehr." Keine Computer, keine Karten, kein Einwohnermeldeamt. Er kündigte "Ersatzstrukturen" an: Es sollten Servicebusse eingerichtet werden, die mit Koffern der Bundesdruckerei in die Gemeinden fahren, um neue Papiere auszustellen.
Lewentz sagte, im Prinzip müsse "alles am Schluss auf den Prüfstand. Denn so einen Einsatz hat die Bundesrepublik noch nicht gehabt." Er berichtete, dass Rheinland-Pfalz bei der Katastrophe teilweise 33 Hubschrauber im Einsatz hatte, die mit Seilwinden bis zu 330 Menschen von Dächern und Bäumen gerettet hätten.
Flut sei im Grunde "Tsunami" gewesen

Man müsse im Nachgang auch überlegen, "ob wir mit Geräten nahe genug an möglichen Orten der Katastrophe sind", sagte Lewentz. Die Flut sei im Grunde "genommen ein Tsunami gewesen, der durch das Tal" in hoher Geschwindigkeit geschossen sei.
Für künftige Fälle müsse man Strukturen aufbauen, "wo man in dieser neuen Dimension denkt und wo man schneller Dinge aufbauen kann".
Man sei im Innenministerium "schon ziemlich weit in der Beschreibung der Herangehensweise eines Wiederaufbaustabs", sagte Lewentz weiter. "Und das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen genau bekanntgeben, wie das geht."
Derzeit sei man auch dabei, "ein Gefühl für die Gesamtschadenssumme des Ahrtals zu erzielen". Man dürfe davon ausgehen, dass die Summe von mehr als acht Milliarden Euro für Hochwasser-Schäden insgesamt wahrscheinlich nicht ausreichen werde.
Der Landrat von Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), sagte, der Kreis habe an Soforthilfen bereits 2,4 Millionen Euro ausgezahlt. "Es ist bei uns im Kreis unermessliches Leid geschehen."
Update, 28. Juli, 7.40 Uhr: Mehr Eigentümer wollen Elementarschaden-Versicherung
Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verzeichnen Versicherungen ein deutlich höheres Interesse an Elementarschadenversicherungen.
Das Tiefdruckgebiet "Bernd" habe die Nachfrage nach solchen Policen, die bei Naturereignissen wie Hochwasser und Überschwemmungen einspringen, bei Vertriebspartnern spürbar steigen lassen, berichtete etwa die Ergo-Versicherung in Düsseldorf.
Die Debeka aus Koblenz erklärte, die Zahl der Anfragen und Anträge zur Absicherung der weiteren Naturgefahren sei seit der Hochwasserkatastrophe deutlich gewachsen. "Bestehende Verträge werden entsprechend erweitert".
Update, 28. Juli, 4 Uhr: Bestattungen im Kreis Ahrweiler schwierig
Fast zwei Wochen nach der zerstörenden Flut im Ahrtal sind im Kreis Ahrweiler teilweise noch immer Friedhöfe zerstört. Es sei dort schwierig, Tote beizusetzen, erklärte der Bestatterverband Rheinland-Pfalz.
"Grabmonumente wurden verschoben, Trümmer und Schlamm konnten zum Teil noch nicht komplett beseitigt werden", sagte Christian Jäger, der als Geschäftsführer die beiden Bestatterverbände Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vertritt. In solchen Fällen könnten die Behörden die Beisetzungsfrist von zehn Tagen relativ problemlos verlängern.
Aktuell stehe oftmals noch nicht fest, wo Verstorbene überhaupt beigesetzt werden könnten. "Da muss natürlich auf die Angehörigen Rücksicht genommen werden. Es macht ja keinen Sinn, die gestorbenen Menschen in weit entfernten Orten beizusetzen", sagte Jäger.
Mit Blick auf die Bestattungsunternehmen selbst habe es im besonders betroffenen Kreis Ahrweiler drei Unternehmen gegeben, bei denen die Betriebe sowie die Fahrzeuge durch die Überflutung in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Gleichwohl würden sich die Betriebe in der Region solidarisch gegenseitig helfen.
Update, 28. Juli, 3.34 Uhr: Viele Tetanus-Impfungen in Flutregion
Im Katastrophengebiet an der Ahr lassen sich derzeit viele Menschen gegen Tetanus impfen.
Rund 80 Prozent der Menschen, die derzeit die mobile Arztpraxis des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Bad Neuenahr-Ahrweiler aufsuchten, ließen sich gegen die bakterielle Infektionskrankheit impfen, sagte DRK-Sprecherin Marion Müller.
Das DRK werbe aktiv für die Impfung beziehungsweise für deren Auffrischung.
Man spreche auch Menschen und Helfer an, die nicht mit Verletzungen zum Arzt kämen, sondern nur ein Rezept holen wollten. "Auch wenn man sich nur an Papier geschnitten hat, dann mit dem Schlamm und Wasser in Berührung kommt, kann es zu Infizierungen kommen", sagte sie.
Derzeit seien drei mobile Arztpraxen im besonders betroffenen Kreis Ahrweiler besetzt: in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Rech und Kalenborn.
Update, 27. Juli, 20.14 Uhr: Kreis warnt vor möglichem Betrug bei Hochwasser-Soforthilfe
Der Kreis Ahrweiler warnt im Zusammenhang mit Hochwasser-Soforthilfen vor Betrügern. Es gebe Verdachtsfälle, dass unseriöse Helfer vom Hochwasser betroffene Menschen angeblich beim Ausfüllen der Anträge unterstützen wollen, teilte die Kreisverwaltung am Dienstag in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit. Die Betrüger würden dann ihre eigenen Bankdaten angeben, um das Geld abzugreifen. Wie viele Verdachtsfälle es gab, teilte der Kreis nicht mit.
Die Soforthilfe dient dazu, betroffenen Menschen kurzfristig Geld für lebensnotwendige Besorgungen zur Verfügung zu stellen. Pro Haushalt fließen zwischen 1000 und 2000 Euro. Auf dem Soforthilfe-Spendenkonto der Kreisverwaltung seien bislang fast 14 Millionen Euro eingegangen, der Kreis habe bereits 3,4 Millionen Euro direkt ausgezahlt.
Update, 27. Juli, 17.10 Uhr: Fünf Ersatzbrücken im Ahrtal im Bau
Knapp zwei Wochen nach der zerstörenden Flut im Ahrtal wird an Ersatzbrücken an fünf Standorten gebaut. "Die ersten vier Brücken, die in Arbeit sind, sind in Insul, Liers, Rech und in der Nähe von Fuchshofen", sagte der Leiter des Krisenstabs, Thomas Linnertz, am Dienstag in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Sie würden federführend von der Bundeswehr errichtet. Zudem sei das Technische Hilfswerk dabei, in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine weitere Querung herzustellen. Bei der Hochwasserkatastrophe an der Ahr waren Mitte Juli mehr als 60 Brücken zerstört worden.
Einsatzleiter Heinz Wolschendorf berichtete, die LTE-Versorgung sei "zurzeit vollständig und flächendeckend" wiederhergestellt. Auch die GSM-Versorgung funktioniere bis auf eine Mobilfunkstation wieder. Die Aufräumarbeiten gingen weiter, die Versorgung der Bevölkerung schreite voran. Ein Thema, das verstärkt in den Fokus gerate, sei Ölverseuchung und das Austreten von Chemikalien. Insgesamt aber habe er "das Gefühl, dass wir allmählich in eine Konsolidierungsphase kommen".
Die Zahl der Toten belaufe sich weiter auf 132, sagte Florian Stadtfeld vom Polizeipräsidium Koblenz. Inzwischen konnten demnach 74 Tote identifiziert werden. Nach wie vor in der Bearbeitung seien 73 Vermissten-Fälle. Die Polizei sei weiterhin mit rund 1000 Kräften im Einsatz. Am Dienstag seien sieben Hubschrauber im Dienst, auch für Versorgungsflüge. "Beispielsweise wurde ein Beatmungsgerät in das Einsatzgebiet geflogen." Zu Nachtzeiten sei die Polizei weiterhin mit mehreren Hundert Kräften vor Ort, sagte er.
Update, 27. Juli, 17.13 Uhr: Telekom baut zusätzlichen Mobilfunkmast für Einsatzkräfte

Nach der Hochwasserkatastrophe baut die Deutsche Telekom das Mobilfunk- und Festnetz unter anderem im Kreis Ahrweiler wieder auf. Dabei geht es Schritt für Schritt voran, wie ein Sprecher des Unternehmens am Dienstag mitteilte. Wie er sagte, sollte an diesem Tag auch ein zusätzlicher Mobilfunkturm in Altenahr aufgestellt werden.
Zwar hätten Mitarbeiter der Telekom einen Großteil der durch Wassermassen und Schlamm zerstörten Infrastruktur provisorisch wieder aufgebaut. Aber um auch die zahlreichen Einsatzkräfte mit Mobilfunk zu unterstützen, wolle das Unternehmen den Mast am Dienstag aufbauen.
Um die Infrastruktur wieder aufzubauen, muss das Unternehmen einen großen Teil der auch für den Mobilfunk wichtigen Glasfaserkabel oberirdisch verlegen. Dies geschehe beispielsweise über Behelfsbrücken, die von der Bundeswehr in der Region aufgebaut werden oder von Haus zu Haus.
Unter anderem habe die Telekom auch einen durch Wasser und Schlamm völlig zerstörten Bau ersetzen müssen, in dem Technik für die Infrastruktur untergebracht war. Das Gebäude von der Größe eines Wohnhauses sei kurzfristig durch einen Container samt technischer Ausstattung ersetzt worden.
Wie der Telekom-Sprecher weiter sagte, sei davon auszugehen, dass mehrere Monate vergehen bis die Leitungen wieder auf herkömmliche Art verlegt sind. "Momentan gibt es teilweise gar keine Straßen mehr, an denen Gräben für Leitungen ausgehoben werden könnten", sagte er.
Titelfoto: Marius Becker/dpa