Hilfe gefragt bei Operation "Spurensuche" im Stasi-Archiv Halle

Halle (Saale) - Die DDR ist seit über 30 Jahren Geschichte. Die Aktivitäten der Staatssicherheit geben weiter Rätsel auf. In Halle sind die Bürger um Mithilfe gefragt. Es geht um 700 Schwarz-Weiß-Fotografien aus einer Garage.

Archivarin Ulrike Vogel (l.) und Marit Krätzer, die Leiterin des Stasi-Unterlagenarchivs in Halle/Saale, in der Fotoausstellung "Spurensuche". Mit der Ausstellung werden Hinweise zu mehr als 700 Schwarz-Weiß-Fotos aus DDR-Zeiten gesucht.
Archivarin Ulrike Vogel (l.) und Marit Krätzer, die Leiterin des Stasi-Unterlagenarchivs in Halle/Saale, in der Fotoausstellung "Spurensuche". Mit der Ausstellung werden Hinweise zu mehr als 700 Schwarz-Weiß-Fotos aus DDR-Zeiten gesucht.  © Hendrik Schmidt/dpa

Die vielen Fotos, zu sehen in einigen der langen Flure des Stasi-Unterlagenarchivs in der Blücherstraße in Halle, wirken zumeist unspektakulär. "Hauseingänge, Straßenecken, Betriebsgelände - mit und ohne Menschen", beschreibt Archivarin Ulrike Vogel die Schwarz-Weiß-Aufnahmen.

"Wir suchen Hinweise zu mehr als 700 Schwarz-Weiß-Fotografien, diese wurden nach Auflösung des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in einer Garage unweit des Hauptgebäudes entdeckt", sagt Marit Krätzer, Leiterin der Außenstelle Halle des Stasi-Unterlagen-Archivs im Bundesarchiv. Ein Großteil der Filme sei verschmutzt und verklebt gewesen.

"Für die geplante Ausstellung haben Auszubildende die Negative gescannt, um Fotos für die Spurensuche zu gewinnen. Besucher bitten wir, uns bei der Identifizierung der Bilder zu helfen", so die gebürtige Leipzigerin.

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Es sei davon auszugehen, dass Stasi-Spitzel der Abteilung VIII die Objekte zielgerichtet fotografiert haben, denn jene Abteilung VIII war in der DDR zuständig für konspirative Observierungen und Ermittlungen sowie für Festnahmen und Durchsuchungen.

"Wir vermuten, dass die Bilder überwiegend im ehemaligen Bezirk Halle aufgenommen wurden, vereinzelt aber sind auch Bilder darunter, die anderenorts entstanden sind, auch in westdeutschen Städten."

Fotos sollten vermutlich vernichtet werden

Die Fotos sollten vermutlich vernichtet werden. Mutige Bürger konnten dies jedoch verhindern. Nun gilt es herauszufinden, welche Geschichte sich hinter den Bildern verbirgt.
Die Fotos sollten vermutlich vernichtet werden. Mutige Bürger konnten dies jedoch verhindern. Nun gilt es herauszufinden, welche Geschichte sich hinter den Bildern verbirgt.  © Hendrik Schmidt/dpa

Während bei einem Großteil der in der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung gefundenen rund 116.000 Bilddokumente eine Zuordnung möglich sei, fehlt zu jenen ausgestellten und nummerierten Bildern jeder Hinweis.

"Uns interessiert, wer die auf den Fotos abgebildeten Menschen und Objekte sind und wo und wann die Aufnahmen entstanden sind", ergänzt Vogel, zu deren Aufgaben auch die Zuordnung von Archivbildern in einen bestimmten Zusammenhang gehört.

"Wir nehmen an, dass nicht alle Fotos von der Stasi gemacht wurden", betont Krätzer. Etliche Fotos seien gestohlen beziehungsweise beschlagnahmt worden, zum Beispiel, wenn Stasi-Leute Wohnungen durchsucht hätten.

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Es sei schwer, die Herkunft vieler dieser Materialien zu ermitteln, weil der Entstehungszusammenhang fehlt und die Eigentümer unbekannt sind. Wahrscheinlich sollten alle Fotos vernichtet werden. Doch mutige Bürgerinnen und Bürger besetzten am 5. Dezember 1989 die Bezirksverwaltung in Halle. Sie stoppten die Aktenvernichtung und versiegelten die Archiv- und Diensträume.

"Die vielen Unterlagen, in große Kisten verpackt, wurden Wochen später von uns vom ehemaligen Haupthaus in das benachbarte Gebäude transportiert, wo sie später archiviert wurden", berichtet Wolfgang Schuster, der damals als Mitglied des Bürgerkomitees dabei war.

Mehr als drei Millionen Anträge zur Akteneinsicht

An einigen Aufnahmen lassen sich bereits erste Erfolge finden. "Oftmals seien bewegende, sehr persönliche Erinnerungen damit verbunden", sagt Marit Krätzer.
An einigen Aufnahmen lassen sich bereits erste Erfolge finden. "Oftmals seien bewegende, sehr persönliche Erinnerungen damit verbunden", sagt Marit Krätzer.  © Hendrik Schmidt/dpa

Um mehr über die rätselhaften Aufnahmen aus der Stasi-Garage zu erfahren, starteten Krätzer und ihr Team im Jahr 2019 die Operation "Spurensuche". Seither liegen in den Fluren Zettel bereit, auf denen Besucher angeben können, wo oder wann die Aufnahmen entstanden sind.

"Wir haben zu einigen Bildern Hinweise bekommen. Allerdings hat Corona die Spurensuche gebremst, Veranstaltungen mussten abgesagt werden und es konnten uns wesentlich weniger Interessierte vor Ort besuchen", berichtet die Außenstellen-Leiterin.

Die Erfolge der "Spurensuche" werden an ausgestellten Bildern sichtbar gemacht. "Uns haben über 650 Hinweise erreicht, zu manchen Fotos haben gleich mehrere Personen wichtige Hinweise gegeben", erzählt Archivarin Vogel. "Oftmals seien bewegende, sehr persönliche Erinnerungen damit verbunden", ergänzt Krätzer.

Bei der Aktion "Spurensuche" hofft die Behörde auf weitere Hinweise aus der Bevölkerung. Am 25. Juni - beim Tag der Offenen Tür - besteht zwischen 10 und 17 Uhr eine günstige Gelegenheit, alle Rätsel-Fotos vor Ort genauestens anzusehen.

Die Stasi-Bezirksverwaltung Halle war, gemessen an der Zahl der Dienststellen, die größte in der DDR. Zur engmaschigen Überwachung der Bevölkerung gab es neben der Zentrale in den damals 23 Landkreisen des Bezirkes jeweils eine Dienststelle. Hinzu kamen drei Objektdienststellen in den großen Kombinaten Buna, Leuna und Bitterfeld.

Das Interesse am Wirken der Stasi ist fast 33 Jahre nach der Friedlichen Revolution noch immer groß. Von den bundesweit mehr als drei Millionen Bürgeranträgen zur Akteneinsicht seit 1992 gingen allein in Halle mehr als 180.000 ein. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 30.600 Bürgeranträge auf Akteneinsicht gestellt, mehr als 1230 davon in Halle.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

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