Riesen-Wirbel um CDU-Wahlkampf: Darf man die Nazi-Ära mit der DDR vergleichen?

Dresden - Wirbel um ein berühmtes Dresden-Foto: Auf ihrer Facebook-Seite zeigt die sächsische CDU ein Bild der 1945 durch Bomben zerstörten Stadt. Daneben ein Foto von Görlitz aus dem Jahr 1990.

Auf Facebook vergleicht die Sachsen-CDU den Nationalsozialismus mit dem DDR-Sozialismus.
Auf Facebook vergleicht die Sachsen-CDU den Nationalsozialismus mit dem DDR-Sozialismus.  © facebook.com/CDU.Sachsen

Damit vergleicht die Union die Nazi-Zeit mit der DDR, finden Sachsens Linke. Kritik an dem Wahlkampf-Manöver gab's auch aus dem Dresdner Stadtrat.

Es sollte ein Seitenhieb gegen die sächsische Linke sein: Die wirbt im Wahlkampf für einen modernen und demokratischen Sozialismus. Doch das ging mächtig schief, die Sachsen-CDU erntete einen Shitstorm im Netz.

Die Vorwürfe reichten von mangelndem Geschichtsverständnis bis hin zu Holocaust-Leugnung. Auch vom Versuch, die AfD rechts zu überholen, war die Rede.

Blick in den geheimen Atombunker unter der Festung Königstein
Sachsen Blick in den geheimen Atombunker unter der Festung Königstein

Auf TAG24-Anfrage äußerte sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (44, CDU) zu den Anschuldigungen:

"Die beiden Bilder zeigen, wohin sozialistische Experimente geführt haben. Wir haben kein Interesse an Wiederholung. Soziale Marktwirtschaft, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben uns Sachsen nach 1990 die Möglichkeit geschaffen, unseren heutigen Wohlstand zu erarbeiten."

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (44, CDU).
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (44, CDU).  © DPA/Robert Michael

Der Vergleich hinkt gewaltig, findet Antje Feiks (40), Landesvorsitzende der Linken: "Nationalsozialismus und DDR auf eine Ebene zu stellen, ist eine Verharmlosung des Faschismus und der Naziverbrechen inklusive Holocaust."

Grünen-Stadtrat Michael Schmelich (64) schrieb dazu auf Twitter: "Wer vor dem Hintergrund einer kryptofaschistischen Revolte in Sachsen ein solches Bullshit-Narrativ verbreitet, sollte sich am besten gleich der AfD unterordnen, wie von denen gefordert."

Auch aus den eigenen Reihen gab's Kritik. CDU-Sachsen-Generalsekretär Alexander Dierks (31) äußerte bereits im Vorfeld vorsichtig Bedenken an der Darstellung. Umsonst: Der Foto-Vergleich war eine persönliche Idee von MP Kretschmer.

Antje Feiks (40, Linke): "Der Vergleich ist auf vielen Ebenen reichlich daneben."
Antje Feiks (40, Linke): "Der Vergleich ist auf vielen Ebenen reichlich daneben."  © Thomas Türpe
Die Zentrale der Landes-CDU an der Fetscherstraße in Dresden.
Die Zentrale der Landes-CDU an der Fetscherstraße in Dresden.  © Amac Garbe

Meine Meinung: Einfach nur Stuss

TAG24-Redakteur Torsten Hilscher.
TAG24-Redakteur Torsten Hilscher.  © Erik Münch

Ein Kommentar von Torsten Hilscher

„Die DDR war überhaupt nicht lustig, aber sie war komisch.“ Der Satz des ostdeutschen Kabarett-Autoren Peter Ensikat (1941-2013) ist einer der wenigen klugen Zusammenfassungen, die unsere frühere Heimat auf den Punkt bringen oder es zumindest treffend versuchen.

Weil sich die DDR eben nicht wirklich in einem Satz zusammenfassen lässt. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, dass das jetzt im Wahlkampf versucht wird. Wahlwerbung ist immer Zuspitzung. Aber was die CDU da nun fabriziert hat, ist schlicht geschichtsvergessen.

Denn eines war die DDR (die ich nicht für alle Privilegien der Welt wiederhaben möchte) nie: faschistisch. Schon von daher verbietet sich jeglicher Vergleich, jede Gegenüberstellung.

Die sächsische CDU vergreift sich in der Geschichtsdeutung. Sie vergleicht aber vor allem zwei Systeme, die nur dem Namen nach etwas miteinander gemein haben. Da ist das Regime Krimineller und Verbrecher, die von Anbeginn über den Rassismus auf Raubrittertum gegenüber "Volksschädlingen" wie jüdischen Bürgern, Vernichtung politisch Andersdenkender und auf Krieg zur Unterstützung imperialistischer Ziele setzte. Da ist eine Staatsführung, die einen Staat als Beute nahm. Ein National"sozialismus" diente nur als Tünche.

Auf der anderen Seite stehen Ideologen, die tatsächlich die Welt verbessern wollten, Krieg verabscheuten, aber in ihrer Hybris und absoluten Selbstüberschätzung einer Wirtschaft und einem Volk sagen wollten, wo es langgeht. Die DDR war das Feudalsystem einer selbstherrlichen Kaste, wie der jüdische Kommunist und DDR-Historiker Jürgen Kuczynski (1904-1997) nach der Wende analysierte.

Dabei ist die CDU-Wahlkampagne sympathisch gestartet: Das "Liebes-Motiv" von MP Kretschmer und seiner Partnerin zeigt ein heimatverbundenes, modernes Paar. Teil zwei der Kampagne, der Trümmerbild-Vergleich, ist einfach nur Stuss.

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