Wasserstoff-Modellregion bis 2030: Die Lausitz gibt jetzt richtig Gas

Görlitz - "Raus aus der Kohle!", "Nie wieder Atomstrom!", "Zu wenig Gas aus Russland!" - die Energieversorgung in Deutschland steht vor ihrer größten Herausforderung seit 1945.

Nicht aus Chemnitz, aber aus Zittau: ein H2-Roller. Hier Sachsens Energieminister Martin Dulig (47, SPD) im September 2021. Den Kunststoffrahmen haben sich die Zittauer Forscher im 3-D-Drucker gebastelt.
Nicht aus Chemnitz, aber aus Zittau: ein H2-Roller. Hier Sachsens Energieminister Martin Dulig (47, SPD) im September 2021. Den Kunststoffrahmen haben sich die Zittauer Forscher im 3-D-Drucker gebastelt.  © Ronald Bonss

Alternative Energieträger sind gefragt. Schon hat ein Wettlauf begonnen, der gerade im Bereich Mobilität zur Glaubensfrage geworden ist: Elektroantrieb oder Brennstoffzelle?

Sachsen spielt bundesweit bei beiden Systemen ganz vorn mit.

Doch während E-Mobilität bereits zum Alltag gehört, führt Wasserstoff (H2) noch ein Nischendasein.

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Ein Zustand, der sich gerade ändert. So soll die Lausitz von H2 profitieren.



Gemeinsames Eckpunktepapier aktiven Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoff ist in Sachsen Regierungsanliegen. Hier Ministerpräsident Michael Kretschmer (46, CDU) auf dem Siemens Energy-Innovationscampus in Görlitz, Juni 2021.
Wasserstoff ist in Sachsen Regierungsanliegen. Hier Ministerpräsident Michael Kretschmer (46, CDU) auf dem Siemens Energy-Innovationscampus in Görlitz, Juni 2021.  © Pawel Sosnowski

"Sachsen will Wasserstoffland Nummer eins werden! Der Freistaat treibt daher den Aufbau einer sächsischen H2-Industrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette voran."

Wirtschaftsminister Martin Dulig (47, SPD) lässt keine Zweifel, dass der Weg zu einer industriellen H2- und Brennstoffzellenproduktion zwischen Zwickau und Zittau strategisch angegangen wird. Dafür sorgen zahlreiche Förderprogramme sowie die Wasserstoff-Netzwerke HZwo, Energy Saxony und HYPOS.

Zielmarke laut Kabinettsbeschluss vom 18. Januar ist das Jahr 2030. Auf dem Weg dorthin soll die Lausitz zur "Wasserstoffmodellregion" werden. Dabei arbeitet Sachsen eng mit Brandenburg zusammen.

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Ein gemeinsames Eckpunktepapier (an dem auch Sachsen-Anhalt beteiligt ist) fixiert den aktiven Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Görlitz profitiert vom Hype

Die Baustelle des Görlitzer Hydrogen Lab (Wasserstoff-Labors, oben).
Die Baustelle des Görlitzer Hydrogen Lab (Wasserstoff-Labors, oben).  © Steffen Füssel

Das "Wasserstoffnetzwerk Lausitz DurcH2atmen" kümmert sich darum, dass alle Akteure der Region voneinander wissen und sich austauschen. Aus Sachsen sind darin die Landkreise Bautzen und Görlitz vertreten.

Die Stadt Görlitz ist es, für die jetzt schon klar wird, dass sie vom Hype profitiert. Denn mit dem "Hydrogen Lab Görlitz (HLG)" unter der Regie von Fraunhofer entsteht eine Forschungsplattform für den Dreiklang aus Erzeugung, Speicherung und Nutzung. Dabei arbeiten die Görlitzer mit Fraunhofer-Kollegen in Leuna und Bremerhaven zusammen.

In Görlitz wird es Wasserstoffteststände geben, wo unter industriellen und praxisnahen Bedingungen Versuche durchgeführt werden. Das HLG soll Ende 2022 startklar sein.

Bund und Land geben dafür 42 Millionen Euro aus, so Fraunhofer-Sprecher Christian Schäfer-Hock. Natürlicher Kooperationspartner ist die Hochschule Zittau-Görlitz (HSZG).

Als Standort für die Massenproduktion von H2 ist Lausitz fest eingeplant

Innen soll es einmal so aussehen.
Innen soll es einmal so aussehen.  © Grafik: Fraunhofer

In einer fachübergreifenden Gruppe forschen Wissenschaftler der HSZG schon jetzt mit Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik Zittau zu Leichtbau und Energietechnik für H2-Technologien.

Der Innovationsbeirat Sachsen denkt in seinem Strategiepapier "Mission 38" darüber nach, ob nicht auch die Schienenfahrzeugbauer der Oberlausitz die erste wasserstoffbetriebene Straßenbahn mitentwickeln könnten.

Ähnlich der Kooperation in Westsachsen, wo Chemnitzer H2-Forscher und Leipziger Fahrzeugbauer schon an der ersten H2-Tram Europas tüfteln. Damit entstünde ein einmaliges Szenario: Spezialisten eines Bundeslandes im Wettlauf um die erste westliche H2-Tram.

Vor allem als Standort für die Massenproduktion von H2 ist die Lausitz fest eingeplant. Parallel soll ein dichtes Netz an H2-Zapfstellen entstehen - für Lkw und Pkw.

VW glaubt nicht an Wasserstoff-Autos

Anna Hasche (25, rechtes Bild) sowie Dr. Sven Eckart (33) und Prof. Hartmut Krause (62, hi. re.) bei der Untersuchung von Wasserstoff-/Sauerstoffflammen.
Anna Hasche (25, rechtes Bild) sowie Dr. Sven Eckart (33) und Prof. Hartmut Krause (62, hi. re.) bei der Untersuchung von Wasserstoff-/Sauerstoffflammen.  © Detlev Müller

Glaubt man VW, ist das zumindest für Autos nicht wirklich sinnvoll. Mit der Umrüstung seines Werkes in Zwickau komplett auf E-Auto-Produktion hat der Konzern Sachsen zur Nummer eins in Sachen Elektromobilität gemacht. Dazu trägt auch die Gläserne Manufaktur in Dresden bei.

Zum Wasserstoff sagt man bei VW Sachsen: "Wasserstoff bietet vielversprechende Perspektiven – aber nicht beim Auto. Die Investitionen sollten sich lieber auf andere Bereiche konzentrieren, in denen sie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sind."

Der Brennstoffzellen-Antrieb sei im Vergleich zum E-Auto hinsichtlich Wirkungsgrad und Kosten ineffizient.

Info: Mit Wasserstoff zum Biogas?

Die Freiberger Doktorandin Malena Staudacher (26, li.) forscht zur Wasserstoffelektrolyse.
Die Freiberger Doktorandin Malena Staudacher (26, li.) forscht zur Wasserstoffelektrolyse.  © Detlev Müller

Der fünfte wichtige H2-Forschungsstandort neben Görlitz, Zittau, Dresden und Chemnitz ist Freiberg. An der dortigen Bergakademie, der ältesten Montan-Uni der Welt, tüfteln Wissenschaftler bereits seit Jahren an der Zukunftstechnologie.

Sie haben sich sowohl des Wasserstoffs selbst als auch der Brennstoffzelle angenommen. Ein aktuelles Vorhaben hat die Entwicklung eines Wasserstoffgenerators für Biogas zum Ziel!

Ein anderes entwickelt innovative Werkstoffkonzepte für den Einsatz in H2 und seinen Verbrennungsprodukten. Gesucht werden feuerfeste Materialien wie Stähle und Keramiken.

Titelfoto: Bildmontage: Grafik: Fraunhofer/Ronald Bonss

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